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Schwarz-Rot zu NahostDezente SPD-Kritik an Außenminister Wadephul

In der SPD-Fraktion rumort es wegen der deutschen Waffenlieferungen an Israel und des EU-Assoziierungsabkommens – zumindest ein bisschen.

Bleibt trotzdem bei seiner Haltung: Außenminister Wadephul Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin taz | In der deutschen Politik mehren sich, seit Israel den Waffenstillstand in Gaza gebrochen hat, kritische Töne. Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Rhetorik verschärft. Die zivilen Opfer in Gaza ließen sich „nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen“, so Merz am Montag. Der Kanzler betonte die Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel. „Aber die israelische Regierung darf nichts tun, was ihre besten Freunde nicht mehr bereit sind zu akzeptieren.“

Maßnahmen erwähnte Merz nicht. Mahnende Worte ohne Folgen – das ist der Normalzustand bundesdeutscher Nahostpolitik. Die Sicherheit Israels gilt als Staatsraison. Daran prallen regelmäßig alle konkreten Forderungen ab, Druck auf Jerusalem auszuüben.

Doch jetzt gibt es eine Debatte um zwei konkrete Ideen. In der EU forcieren 17 Staaten eine Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel. Ein harter Schlag – die EU ist der wichtigste Handelspartner. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hält die Lage in Gaza zwar für „unerträglich“, will aber weiter Waffen liefern und keine Überprüfung des Assoziierungsabkommens. Das ist die übliche deutsche Rolle in der EU – alles, was nach Druck auf Israel aussieht, wird abgeblockt.

Angesichts der humanitären Krise in Gaza reicht das manchen in der SPD nicht mehr. Rolf Mützenich, Experte für Außenpolitik, wirbt in dezenter Wortwahl für eine andere deutsche Haltung. „Ich hätte es befürwortet, wenn die Bundesregierung sich hier dem Votum einer so großen Zahl von europäischen Regierungen angeschlossen hätte“, so Mützenich zu Table.Briefings.

Ralf Stegner übt Kritik

Milde Kritik an Wadephul äußert auch der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner. Er könne nachvollziehen, dass „Deutschland bei der Überprüfung des Assoziierungsabkommens nicht sofort aufspringt“. Wadephul müsse sich aber „um eine europäische Einigung bemühen“, so Stegner zur taz.

Neben Wirtschaftsbeziehungen sind Waffenlieferungen die zweite Hartwährung in der Außenpolitik. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant für Israel. Stegner befürwortet Waffenlieferungen. Deutschland sei „für die Sicherheit Israels mitverantwortlich“. Aber nicht derzeit. „Man verteidigt sich nicht gegen Terror, indem man Kinder verhungern lässt, Medikamente verweigert und die Zivilbevölkerung schikaniert. Das ist keine Verteidigung, das sind Völkerrechtsverletzungen und Inhumanität, die nicht akzeptabel ist.“ Deshalb dürfen „derzeit keine deutschen Waffen an Israel geliefert werden“, so Stegner zur taz.

Der sozialdemokratische Erhard-Eppler-Kreis wird noch präziser. Berlin dürfe keine Waffen mehr liefern, „die gegen die Palästinenser in Gaza und im Westjordanland eingesetzt werden können, solange es keinen dauerhaften Waffenstillstand gibt und keine Verhandlungen stattfinden“. Die SPD-Abgeordnete Isabel Cademartori warnt zudem, dass Berlin sich mit Waffenlieferungen an Kriegsverbrechen beteiligen und von internationalen Gerichten belangt werden könnte.

Von SPD-Kanzler Olaf Scholz hörte man nach dem 7. Oktober nur sehr leise Kritik an Israel. In der schwarz-roten Regierung sind Kanzleramt und Auswärtiges Amt in Händen der Union. Das macht es manchen in der SPD-Fraktion wohl leichter, klarer zu sprechen: Man widerspricht damit weder dem eigenen Kanzler noch dem ­eigenen Außenminister. Eine Koalitionskrise ist wegen Israel bislang nicht in Sicht.

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10 Kommentare

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  • Dass sich der ehemalige Bundeskanzler von dieser hochnotpeinlichen (Streber?)Disziplin „Israelkritik“ möglichst fern gehalten hat, das sollte man ihm hoch anrechnen - statt ihn weiterhin runterzuputzen.

    • @chrisbee:

      Entschuldigung: das "ehemalige" überlesen.



      PS also zum vorigen Post: Scholz hat generell einen angenehm dezenten Stil gefahren - bei Israel verfing der allerdings nicht. Netanyahu ist ein schmerzfrei egoistischer Gewalttäter im Amt.

    • @chrisbee:

      Universalistisch weder Nibelungentreue zum Völkerrechtsbrecher Netanyahu noch Kritik nur an Israel und nicht am Rest der Welt, das wär's doch.



      Und dann hat Merz noch einiges an Kritik nachzuholen.



      Er muss so langsam doch mal aus der Rolle des Wahlkampforators der Opposition rauskommen und in die des Bundeskanzlers wachsen. Wo ich gerade sehr skeptisch bin, auch hierbei.

  • Die SPD ist und bleibt eine opportunistische , hasenfüssige Partei, sei es bei ihrer Ablehnung von Taurus, sei es bei Scholz demonstrative Weiterführung von Waffenlieferungen an Israel.



    Peinlich und nicht wählbar.

  • Die günstigste und effektivste Möglichkeit, Russland von weiteren Angriffen auf andere Länder abzuhalten, ist, ihm in der Ukraine eine Niederlage zuzufügen.

    Warum ist das eigentlich so schwer zu begreifen?

    Europa wird seit Jahren diese „Schnäppchenlösung“ angeboten – und trotzdem zögert man und diskutiert lieber über die deutlich schlechteren Alternativen:

    Variante A: Deutlich mehr Geld in die eigene Aufrüstung stecken, mehr ukrainische Flüchtlinge aufnehmen, damit verbundene innenpolitische Spannungen riskieren und weiterhin die Gefahr eines russischen Angriffs im Nacken haben.

    Variante B: Dem Druck Russlands nachgeben und sich langfristig zum Vasallen machen lassen.

    Warum also nicht jetzt konsequent handeln und die Ukraine so unterstützen, dass Russland in der Ukraine scheitert – bevor die Kosten und Risiken für uns alle noch viel größer werden?

    Ich kann diese Putinversteher in der SPD nicht mehr ertragen.



    3 Jahre haben sie die Unterstützung der Ukraine wo sie konnten minimiert und machen damit in der neuen Regierung weiter.

  • Sie könnten Laschet einwechseln. Klare Haltung auch gegen Antisemitismus hat er genauso wie den klaren Blick auf Menschenrechte auch der Palästinenser. Er kann auch Französisch, Niederländisch und versteht Europa, bei allen Schwächen auch.



    Bevor Wadephul noch mehr anrichtet.

  • Staatsräson? Wie sieht das z. B. die Schweiz?



    "Dass Deutschland aufgrund dieser Staatsräson in irgendeiner Form dazu verpflichtet wäre, Israel auch bei völkerrechtswidrigem Verhalten zu unterstützen, ist zwar falsch, rein juristisch ist viel gepriesene Staatsräson bedeutungslos. Doch sie dient als rhetorisches Mittel, um die Unterstützung für Israel zu untermauern."



    www.srf.ch/news/in...neue-scharfe-toene

  • Die Union muss eigentlich gerade an allen Fronten aus dem Wahlkampfgeschwätz zur Realität rücken. Auch bei Israel wusste jede/r eigentlich vorher, wie Netanyahus Kabinett tickt. Aber den Unterschied Netanyahu & Juden nicht hinbekommen wollen, erschien Merz & Co. wahlkampfträchtiger, offenbar.

    Bitte raschere Lernkurve und vielleicht auch mal entschuldigen, werte Union!

    • @Janix:

      Es geht doch um den Unterschied Israel und israelische Regierung. Israel ist im Konflikt mit der Hisbollah, den Huthis und Iran, potenziell mit Syrien. Mehr als eine Marketingmassnahme, zB eine Untersagung der Waffennutzung im Gazastreifen, wird nicht passieren.

      • @elektrozwerg:

        Die jetzige israelische Regierung ist im Konflikt mit jedem, den sie dafür nehmen kann.



        Damit Netanyahu länger Premier bleibt, ist jedes Opfer recht, fürchte ich.



        Israel müsste das nicht sein.



        Besatzung beenden, gerechte Lösung für die Verteibung von Juden aus arabischen Ländern und Arabern aus Teilen des Mandatsgebiets Palästina. Ein Staat oder zwei Staaten, rechtstaatlich und fair.