Wechsel beim Bundesnachrichtendienst: Daimler, Kabul, Bagdad, Kyjiw – und jetzt ab zum BND
Friedrich Merz macht wohl den Diplomaten und Ex-Lobbyisten Martin Jäger zum Geheimdienst-Chef. Derzeit ist er deutscher Botschafter in der Ukraine.
Das berichtete am Mittwoch zumindest der Spiegel. Ein Regierungssprecher bestätigte die Neubesetzung an der Spitze des Auslandsgeheimdienstes zunächst nicht: Solche Personalien würden grundsätzlich „im Kabinett besprochen“. Die Regierung werde sich dazu äußern, wenn es eine Entscheidung geben sollte.
Erst vor zwei Jahren, im Juli 2023, hatte Jäger die fließend ukrainisch sprechende Diplomatin Anka Feldhusen an der Botschaft abgelöst. Jäger ist des Ukrainischen nicht mächtig. Gleichwohl gilt der Diplomat, der viel im Land unterwegs ist, als offener und aufgeschlossener als seine Vorgängerin. Dass NRW-Minister Liminski voller Eindrücke und zufrieden am Montagabend die ukrainische Hauptstadt verlassen hat, ist auch dem Engagement von Botschafter Jäger zu verdanken, der in das Besuchsprogramm involviert war. Und so ist es auch kein Zufall, dass Liminski und seine Delegation sich auch im Gebiet Dnipropetrowsk, fast 500 Kilometer östlich von Kyjiw, aufgehalten haben.
Jägers gute Beziehungen zur ukrainischen Präsidialadministration hinderten ihn nicht an Kontakten zum Umfeld von Selenskyjs Widersacher Petro Poroschenko. Mitte Mai hatte sich Jäger demonstrativ mit Kostjantin Jelissejew, einem engen Berater von Ex-Präsident Poroschenko, getroffen. Vielsagend war der Zeitpunkt dieses Treffens: Es fand kurz nach einer bei Jelissejew durchgeführten Hausdurchsuchung statt.
Gegen ihn wird ermittelt, weil er am sogenannten Charkiw-Abkommen mitgewirkt haben soll, das 2010 die verlängerte Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim regelte. Und damit soll er, so der Verdacht, gegen die Interessen der Ukraine gehandelt haben.
„Wir erörterten die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundlagen im Zusammenhang mit den EU-Beitrittsverhandlungen“, textete Jäger kurz nach dem Treffen mit Jelissejew auf X. Noch deutlicher kann ein Diplomat seine Bedenken gegenüber politisch motivierten Hausdurchsuchungen bei einem politischen Gegner nicht äußern. Nur wenige Tage zuvor war Jelissejews Weggefährte Poroschenko von Präsident Selenskyj mit Sanktionen belegt worden. In der Vergangenheit hatten solche Maßnahmen nur Personen und Firmen getroffen, die dem Umfeld von Putin angehören.
Jäger ist Karriere-Diplomat. 1994 hatte er seinen Vorbereitungsdienst im Auswärtigen Amt angetreten, später war er unter anderem als Botschafter in Afghanistan und Irak. Von 2004 bis 2008 war er für die Pressearbeit von Frank-Walter Steinmeier als Chef des Bundeskanzleramts und als Außenminister zuständig. Zwischendurch war er auch für einige Jahre als Cheflobbyist zum Autokonzern Daimler gewechselt.
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