Diplomatische Kontakte mit Afghanistan: Die Taliban sprechen in Katar mit Deutschland
Das Taliban-Regime meldet erstmals einen diplomatischen Kontakt mit der Bundesregierung. Die möchte gerne nach Afghanistan abschieben.

Neben humanitärer Hilfe und der „Bereitstellung konsularischer Dienstleistungen für in Deutschland lebende Afghanen“ sei es auch um den „Ausbau der bilateralen Beziehungen“ gegangen. Die staatliche Nachrichtenagentur Bakhtar kommentierte, dieser „Dialog“ sei „ein entscheidender Schritt zur Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen.“
Taliban-Botschafter Suhail Shaheen bestätigte das Treffen in sozialen Medien. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es auf taz-Anfrage lediglich, es bestünden „keine Pläne von Seiten der Bundesregierung“, mit den Taliban „Kontakte auf politischer Ebene aufzunehmen.“ Man sei aber „auf technischer Ebene“ in Verbindung.
Frankreich und Spanien waren schon vorher dran
Über ähnliche Treffen mit Diplomaten anderer westlicher Länder berichten die Taliban bereits seit Längerem. Im Mai ließ sich der französische Geschäftsträger in Doha fotografieren, wie er lächelnd von Shaheen ein kleines, landestypisches Geschenk entgegennahm.
Einen Tag nach Reinhard traf Shaheen in Doha Spaniens Afghanistan-Botschafter, ebenfalls um konsularische Fragen zu besprechen. Die Schweiz eröffnet Ende März in Kabul ein humanitäres Büro.
Am Freitag stuften Pakistan und die Taliban ihre jeweiligen Vertreter auf Botschafterrang hoch. Russland nahm zuvor die Taliban von ihrer Liste der Terrorgruppen. Laut Außenminister Marco Rubio wird dieser Status auch in den USA überprüft.
Die deutsche Botschaft in Kabul ist geschlossen
Deutschland erkennt das afghanische Taliban-Regime wegen seiner menschenrechts- und insbesondere frauenfeindlichen Politik nicht offiziell an. Die Bundesregierung führt aber „technische Kontakte unterhalb der politischen Ebene“ fort.
Die deutsche Botschaft in Kabul ist geschlossen. Reinhard ist deshalb nicht in Afghanistan stationiert, sondern im Golfstaat Katar. Von dort aus besucht er aber Afghanistan, etwa um von Deutschland finanzierte humanitäre Projekte zu besichtigen, wie im vorigen September. Damals sagte die Bundesregierung nicht, ob er dabei auch Taliban-Offizielle traf. Auch das jetzige Treffen mit Shaheen war nicht sein erstes.
Mit großer Wahrscheinlichkeit steht es im Kontext der Intention der Koalition aus CDU/CSU und SPD, Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“ Als Nächstes könnten sogenannte ausreisepflichtige abgelehnte afghanische Asylbewerber folgen.
Um regelmäßig nach Afghanistan abschieben zu können, sind direkte diplomatische Kontakte zum dortigen Regime – auch ohne volle Anerkennung – vonnöten. Zu konsularischen Diensten gehört die Identitätsbestätigung für abzuschiebende abgelehnte Asylbewerber sowie gegebenenfalls die Ausstellung von Reiseersatzpapieren.
Gesprächskanal über Generalkonsulat München
Im Spätsommer 2024 hatte die Rest-Ampelregierung 28 Afghanen nach Kabul verbracht. Der Abschiebeflug wurde von Katar vermittelt und durchgeführt, es blieb aber bei dem einem Flug. Danach boten die Taliban Berlin Hilfe an, machten dafür aber Direktgespräche zur Bedingung. Politiker*innen wie der jetzige Bundeskanzler Friedrich Merz sprachen sich dafür aus, das Angebot anzunehmen.
Einen Kanal aus Deutschland zu den Taliban gibt es bereits: über das afghanische Generalkonsulat in München. Als die Taliban im vorigen Juli bekanntgaben, dass sie künftig keine Dokumente mehr anerkennen, die von afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellt werden, an denen noch von ihrer Vorgängerregierung ernannte Diplomaten arbeiten, nahmen sie München – und auch Madrid – ausdrücklich aus, da das dortige Konsulat sich laut Taliban an Weisungen aus Kabul halte. Berlin akzeptierte hingegen die Abberufung des afghanischen Botschafters in Berlin durch die Taliban.
Dass die Taliban jetzt erstmals ein Gespräch mit Reinhard meldeten, könnte ein Versuch sein, die deutsche Seite unter Druck zu setzen, mehr in Richtung einer „Normalisierung“ zu tun und dies auch offiziell zu machen. Große Teile der afghanischen Diaspora befürchteten, dass sogenannte technische Kontakte zu einer „Normalisierung“ des Taliban-Regimes führen und damit Menschenrechtsverletzungen aus dem Blick geraten könnten.
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