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Großes Schmelzen am Nord- und Südpol1,5 Grad mehr sind zu viel für das ewige Eis

Steigt die globale Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad, sind die Eisschilde an den Polen nicht zu retten. Die Auswirkungen wären dramatisch.

Noch, aber wohl nicht mehr lange in Grönland zu sehen: Eisberge, die vom nahegelegenen Gletscher Sermeq Kujalleq gekalbt wurden Foto: Steffen Trumpf/dpa

D ie globale Durchschnittstemperatur war im Jahr 2024 erstmals 1,5 Grad wärmer als vor Erfindung der Dampfmaschine. Copernicus, das EU-Programm zur Überwachung der Atmosphäre, ermittelte den Wert von 1,6 Grad. Eigentlich hatten sich die Staaten 2015 mit dem Paris-Protokoll verpflichtet, die Klimaerhitzung „auf deutlich unter 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau“ zu begrenzen. Zudem sollen „Anstrengungen unternommen werden“, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Allerdings kletterten seitdem die Treibhausgas-Produktion der Menschheit Jahr für Jahr auf immer neue Höchststände – mit Ausnahme des Coronajahres 2020.

Die Auswirkungen beschreibt eine Studie, die gerade im Fachblatt Nature publiziert wurde: Demnach sind bereits 1,5 Grad zu viel, um die großen Eisschilde rund um den Nord- und Südpol zu retten. Die Forscher einer britisch-amerikanischen Forschungsgruppe fassen „mehrere Beweislinien zusammen“, nach denen ein dauerhafter Temperaturanstieg von 1,5 Grad zum Kollaps der Gletscher etwa auf Grönland und in der Antarktis führen muss. Wanderer in den Bergen kennen das Phänomen: Weil es oben kühler als unten im Tal ist, packen sie sich einen Pullover ein. Bei den Gletschern verhält es sich ähnlich: Der grönländische Eispanzer ist in seiner Spitze mehr als 3.000 Meter hoch. Fängt diese Spitze an zu tauen, fällt sie nach unten in immer wärmere Schichten – ein Prozess, der nicht mehr angehalten werden kann. „Der Massenverlust der Eisschilde in Grönland und der Antarktis hat sich seit den 1990er Jahren vervierfacht“, schreiben die Forscher:innen. Die weiter steigende Temperatur könne „einen schnelleren Rückgang oder sogar einen Zusammenbruch“ der Eisschilde zur Folge haben.

Der grönländische Eisschild ist viermal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, sein Schmelzen würde den Meeresspiegel um sieben Meter anheben. Emden liegt einen Meter hoch. In der Antarktis heißt ein Gletscher „Doomsday“ – Weltuntergang. Seine gigantische Eismasse wirkt in der Westantarktis wie ein Korken, der den Inhalt einer Flasche zurückhält – gigantische Wassermassen, die noch gefroren sind. Untersuchungen zeigen, dass der Korken bereits schmilzt.

Der Meeresspiegelanstieg ist nicht das einzige Problem: Gletscher bestehen aus gefrorenem Süßwasser. Tauen sie, verringert sich die Salzwasserkonzentration, etwa im arktischen Ozean. Die ist aber Antrieb für den Golfstrom, der wie ein riesiges Förderband Europa mit Wärme versorgt. Studien hatten einen Kollaps bis zum Jahr 2095 vorhergesagt. Landwirtschaft in Norddeutschland wird dann unmöglich, es wäre zu kalt dafür.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
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8 Kommentare

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  • Wenn der Golfstrom weniger Wärme in den Nordatlantik transportiert, weil durch das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds die Salzkonzentration im Meerwasser zu niedrig wird, bleibt die Wärme im Meer dort, wo sie dahin her hergekommen war.



    Was dann? Die Erwärmung dort würde zunehmen. Es dürfte dort zu noch schwerern Wirbelstürmen kommen.



    Außerdem kann die dortige regionale Erwärmung zu Veränderungen der globalen Meeresströmungen führen, wodurch die planetare Klimachaotisierung stärker wird....



    Möglicherweise nimmt die Erwärmung des Ostatlantiks und des Mittelmeers weiter zu. Folgen dieser Entwicklung sind bereits zu beobachten.

    Die Rubrick "Apokalypse der Woche" verdient ihren Namen. Leider.

  • "Die Forscher einer britisch-amerikanischen Forschungsgruppe fassen „mehrere Beweislinien zusammen“, nach denen ein dauerhafter Temperaturanstieg von 1,5 Grad zum Kollaps der Gletscher etwa auf Grönland und in der Antarktis führen muss."



    "Der grönländische Eisschild ist viermal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, sein Schmelzen würde den Meeresspiegel um sieben Meter anheben."

    @ Nick Reimer:



    Was käme durch das Abschmelzen des anarktischen Eises an Anstieg des Meeresspiegels noch hinzu?

    • @humusaufbau:

      Wenn ganz Antarktika abschmilzt, ca. 60 m.

      • @miri:

        Danke!

  • Dank an Nick Reimer für die Info, denn "steter Tropfen...'"



    "Verantwortlich ist man nicht nur, für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut."



    Laotse



    "Das Hauptmerkmal an der daoistischen Praxis ist, dass man den Körper klärt, den Geist beruhigt und einen stillen Geist bekommt.“



    Bei deutschlandfunk.de



    Davon bin ich mit Nick Reimer und vielen ZeitgenossInnen weit entfernt, die Kolumne heißt immerhin:



    "Apokalypse der Woche"

  • Solche Berichte sind wichtig, aber zugleich wirkungslos. Weil die Personen, die im Augenblick weltweit an der Macht sind, Personen sind, die sich in erster Linie um die nächsten Monate scheren, allenfalls um die nächsten 1-2 Jahre. Insbesondere natürlich die Führer von Konzernen kümmern sich in erster Linie um die nächste Bilanz in 3 Monaten. Auch Politiker denken selten über die nächsten 1-2 Jahre hinaus. Die Personen aber, die die solche Artikel lesen 7nd sich denken :Da muss man dich was machen“ haben kaum eine Chance, an eine MChtposition zu kommen, weil in unserem System vor allem die Personen gefördert werden, die kurzfristig denken statt langfristig. Beispielsweise indem sie sehr viel mehr Geld gegeben wird. solange dies nicht geändert wird, werden wir weiter auf eine Welt zusteuern, bei der der Ymeeresspiegel um 10-100 Meter höher ist.

    • @DemokratieKoennteSoSchoenSein:

      "Weil die Personen, die im Augenblick weltweit an der Macht sind..."



      Man mag es gar nicht mehr lesen. Der hohe CO2 Ausstoss kommt zu einem grossen Teil davon, dass viel zu viel konsumiert wird. Zu viel von allem. Es gibt keine Politik(er) die das verhindert. Das kann und muss jeder selber tun, anders wird es nicht gehen.

  • Ein weiteres im Artikel nicht erwaehntes Problem ist, dass die schmelzende Eisschicht bedeutet, dass auch immer weniger Sonnenlicht reflektiert wird.



    Der Effekt ist absolut enorm und einer der wichtigsten Faktoren auch beim Prozess der natuerlichen Eis und Heisszeit.



    .



    Wen also 1,5 Grad schon fuer die Kettenreaktion reichen ...