: Beef zwischen Türkinnen
Auf Tiktok gibt es einen Konflikt zwischen türkischen und deutschen Türkinnen. Es geht nicht nur um das richtige Make-up, sondern um das „richtige Türkischsein“
Von Ayşe Yıldız
Alles begann damit, dass sich die Türkin Meri über die Schminkkünste der in Deutschland lebenden Türkinnen lustig machte. Almancı kızlar – also Türkinnen aus Deutschland – würden sich zu stark schminken und dadurch „nicht wie echte Türkinnen“ aussehen.
Das Video ging auf Tiktok viral und zettelte einen Streit zwischen türkischen Türkinnen und deutschen an, der weit über einen oberflächlichen Kommentar zu Make-up hinausgeht. Es löste einen Identitätskonflikt zwischen türkischen und deutschen Türkinnen aus, der beiden Seiten nur schadet.
Das Thema Make-up dient dabei nur als Symbol für die tieferen Konflikte der Streitparteien. Die türkischen Türkinnen wollen die deutschen nicht als „richtige Türkinnen“ anerkennen, die deutschen Türkinnen wiederum machen sich über die türkischen lustig und negieren dabei deren Lebensrealität. Und dabei wird generalisiert und diskriminiert. Außerdem versucht sich die eine Gruppe von der anderen abzugrenzen. Diese Konflikte existieren bereits seit Generationen.
Der Begriff Almancı wird nicht als neutrale Bezeichnung für die Herkunft genutzt, sondern als Abwertung gegenüber der türkischen Diaspora in Deutschland. Ihr wird vorgeworfen, ihr gehe es „zu gut“ im Ausland. Dass viele Türk:innen in Deutschland unter Rassismus leiden und, weil viele als sogenannte Gastarbeiter:innen nach Deutschland kamen, auch unter Klassismus, wird dabei nicht beachtet.
Häufig leben sie zwischen zwei Welten: In der Türkei gelten sie als zu deutsch, in Deutschland als zu türkisch. Dabei gibt es eine eigene deutschtürkische Kultur, die sich seit Generationen in der türkischen Diaspora entwickelt hat.
Meris Video befeuerte also diesen alten Konflikt. Deutsche Türkinnen ließen sich das allerdings nicht gefallen und antworteten mit weiteren Videos auf Tiktok, in denen sie türkische Türkinnen wegen deren Schminkgewohnheiten beleidigen. Dabei verkannten sie wiederum, dass junge Menschen in der Türkei sehr unter der hohen Inflation und Perspektivlosigkeit in einer Autokratie leiden. Und so drehte sich die Konfliktspirale weiter.
Der Streit hat dazu auch noch eine rassistische Seite. Indem die Deutschtürkinnen als Afghaninnen oder Araberinnen bezeichnet werden – was als Beleidigung gemeint ist –, wird colourism reproduziert. Das ist eine bestimmte Form des Rassismus, die sich spezifisch auf den Hautton bezieht. Je dunkler, desto stärker die Diskriminierung. Wegen des zu dunklen Make-ups seien Deutschtürkinnen deshalb keine richtigen Türkinnen, heißt es. Der Zweck: ihnen ihre kulturelle Identität abzusprechen. Auch über den deutschen Akzent vieler Deutschtürkinnen, wenn sie Türkisch sprechen, wird sich lustig gemacht. Die türkischen Türkinnen erheben somit den Anspruch auf das „richtige“ Türkischsein.
Als wäre das alles nicht genug, zeigt sich in dem Konflikt auch Sexismus. Indem sie das Aussehen der anderen abwerten, zeigt sich die internalisierte Misogynie bei beiden Parteien. Auch einige Männer auf Titok nehmen sich die Deutungshoheit, bewerten zu dürfen, welche der beiden Gruppen schöner sei, während sich die beiden Frauengruppen gegenseitig runtermachen.
Mit gegenseitigen Zuschreibungen, die Klischees reproduzieren und tief verankerte Diskriminierungen aufzeigen, wird im Konflikt nicht gespart. Der Beef schadet also eigentlich beiden Parteien. Statt öffentlich ausgetragener Konflikte wäre ein solidarisches Miteinander in einer vielfältigen türkischen Gesellschaft viel angebrachter.
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