piwik no script img

Konsequenzen aus AfD-EinstufungRechtsextreme Staatsdienstler in Berlin

Nach der Hochstufung der AfD fordern Berlins Grüne ein konsequentes Vorgehen gegen Mitglieder der Partei mit Beamtenstatus in der Stadt. Der Senat windet sich.

Freunde sind Friends: Po­li­zis­t:in­nen im Einsatz gegen Anti-AfD-Demonstrant:innen Foto: Jeremy Knowles/imago

Berlin taz | Ist eine Tätigkeit im Staatsdienst vereinbar mit der Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Partei? Seit der Neueinstufung der Gesamt-AfD durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ stellt sich diese Frage bundesweit mit neuer Dringlichkeit.

Als erste Bundesländer kündigten Bayern und Hessen an, die Vereinbarkeit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit einer AfD-Mitgliedschaft prüfen zu wollen. Ein länderübergreifendes einheitliches Vorgehen sei angezeigt, heißt es von Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU).

In Berlin fordern nicht zuletzt die Grünen und die Linke endlich ein konsequentes Vorgehen und eine Strategie für den Umgang mit Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst. Wer im öffentlichen Dienst des Landes Berlin arbeite, trage „Verantwortung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung“, teilen die Grünen-Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai mit.

Insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen seien Mitglieder einer rechtsextremen Partei „nicht hinnehmbar“. Der schwarz-rote Senat müsse verhindern, dass Ber­li­ne­r:in­nen Lehrkräften oder Po­li­zis­t:in­nen gegenüberstehen und „nicht wissen, ob diese Mitglied einer gesichert rechtsextremistischen Organisation sind“, so Stahr und Ghirmai.

Linke warnt vor anlassloser VS-Überprüfung

Niklas Schrader, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, geht hier grundsätzlich zwar mit, warnt aber davor, „sämtliche Beschäftigte anlasslos vom Verfassungsschutz zu überprüfen“ oder eine Entlassung aus dem Dienst „allein von der Einstufung eines Geheimdienstes abhängig zu machen“.

Schrader sagt: „Wenn man das zu Ende denkt, landet man beim Radikalenerlass der 70er Jahre.“ Der 1972 verabschiedete Erlass zielte offiziell darauf ab, sowohl Links- als auch Rechtsextreme aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten. In der Praxis traf er fast ausschließlich Linke.

Die schwarz-rote Landesregierung hält sich unterdessen zurück mit einer Bewertung der Forderung der Berliner Grünen-Chef:innen wie auch der Vorstöße aus den unionsregierten Ländern Bayern und Hessen. Zumindest vorläufig dürfte jedenfalls seitens des Senats mit vergleichbaren Initiativen nicht zu rechnen sein.

Senat verweist auf Diensteid

So verweist die für Be­am­t:in­nen in der Landesverwaltung zuständige Senatsfinanzverwaltung auf Nachfrage lediglich auf den im Landesbeamtengesetz vorgeschriebenen Diensteid auf das Grundgesetz und die Verfassung von Berlin zu erfüllen.

Ob verbeamtete Polizist:innen, Verwaltungsangestellte oder Lehrkräfte: „Sollte gegen diesen Grundsatz nachweislich verstoßen werden, wären im Einzelfall entsprechende Disziplinarmaßnahmen zu prüfen“, so ein Sprecher von Finanzsenator Stefan Evers (CDU). Eine Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Parteimitgliedschaft mitzuteilen, bestehe freilich nicht.

Die Senatsinnenverwaltung ließ eine taz-Anfrage unbeantwortet. Gegenüber dem RBB hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zuvor aber auch nur auf die Frühjahrstagung der Innenministerkonferenz im Juni verwiesen. Dort soll über mögliche Folgen der Höherstufung der AfD für deren Mitglieder im Staatsdienst diskutiert werden.

Der Rechtswissenschaftler Felix Hanschmann von der Bucerius Law School in Hamburg ist skeptisch. Er geht zwar davon aus, dass die Einstufung des Verfassungsschutzes Einzelfallprüfungen bei Be­am­t:in­nen erleichtere. Zudem könne die Mitgliedschaft in der Partei „bei der Einstellung Anlass für eine entsprechende Prüfung sein“, sagt Hanschmann zur taz.

Ob jedoch allein die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ schon ausreiche, um generell von einer Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Partei und einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst auszugehen, sei fraglich. Letztlich komme es auf die einzelnen Be­am­t:in­nen und deren konkretes Amt an, so Hanschmann.

SPD-Fraktionschef: AfD-Verbotsverfahren „unausweichlich“

Immerhin eines hat die Höherstufung der AfD auch in Berlin schon gebracht: Die Debatte um ein mögliches Verbot der Partei ist in vollem Gange. Auf der Regierungsseite preschen hier vor allem die So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen vor.

„Sollte die Einstufung der AfD auch vor Gericht Bestand haben, müssen wir die notwendigen Konsequenzen ziehen“, sagt SPD-Landeschefin Nicola Böcker-Giannini. Wie SPD-Fraktionschef Raed Saleh fordern auch Böcker-Giannini und ihr Co-Vorsitzender Martin Hikel, mit konkreten Vorbereitungen für ein AfD-Verbotsverfahren zu beginnen. Saleh nennt das Verfahren „unausweichlich“.

Etwas gedämpfter ist der diesbezügliche Elan bei der CDU. Zwar erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner am Montag bei einer Schülerdiskussion zum 80. Jahrestag des Kriegsendes, er wünsche sich „nichts mehr“, als „dass es die AfD morgen nicht mehr geben würde“.

Zugleich plädiert der CDU-Politiker aber dafür, erst einmal „genau zu prüfen, welche Erfolgsaussichten wir mit einem Verbotsverfahren haben“. Damit liegt er im Grunde auf einer Linie mit CDU-Justizsenatorin Felor Badenberg, die bereits am Wochenende mit Blick auf ein Verbotsverfahren wissen ließ: „Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich die Frage nicht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ach was! ©️ Vagel Bülow

    “Eine Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Parteimitgliedschaft mitzuteilen, bestehe freilich nicht.“



    Ja. Es sogar verboten - danach zu fragen - zB gilt bereits bei der Einstellung - auch ein diesbezügliches “Ausholen“ ist verboten!



    (Was seinerzeit den roten Bischof PräsiOVG & VerfG NRW mich bei Einstellung zum Radikalen- richtiger Extremistenbeschluß - letzteres wollt er hören - abzuhören!;)



    &!



    Erfreulich - daß wenigstens die Linke noch alle Tassen im Schrank hat & dieser grassierenden Verluderung politisch & rechtlich Ahnungsloser entgegegentritt - einzelne tazler scheinen ja auch schon via Schreibe ziemlich angekränkelt •

  • Wer da glaubt, eine potentielle AfD-Regierung würde auf die Entlassung Linker aus dem öffentlichen Dienst verzichten, nur weil man heute ihnen gegenüber auf Entlassung verzichtet hat, macht sich Illusionen über Faschist:innen.

  • Schrader sagt: „Wenn man das zu Ende denkt, landet man beim Radikalenerlass der 70er Jahre.“



    Genauso ist es. Wer das will, kann es nicht verhindern, dass dies auch für "links" gilt. Und das wollen viele eben nicht. Ich auch nicht.

  • Wenn PolizistInnen, die entsetzliche menschenverachtende Dinge in Chat-Gruppen geteilt haben (NSU 2.0) nicht angeklagt wurden und zum größten Teil immer noch ihre Gehälter beziehen, warum sollten dann Leute, die in der AfD sind, aus dem Polizeidienst entlassen werden. Die NSU 2.0 Verbrecher haben auch immer noch ihren Beamtenstatus. Und deren Ansichten, würden vermutlich sogar manchen gemäßigten AfDler zum Kotzen bringen.

    Und wie wir bei Rechtsextremismus bei der Polizei sind: im Fall NSU 2.0 haben die Gerichte abgelehnt, die Anklage gegen sie anzunehmen. Sogar nochmal bestätigt vom Oberlandesgericht Frankfurt. Was ist also mit Rechtsextremisten auch in der Staatsanwaltschaft oder den Gerichte? Geschweige den bei den BeamtInnen, die über die Annahme oder Ablehnung von Asylnträgen entscheiden.

  • Macht euch nichts vor; es wird kein einziges AfD-Mitglied aus dem Staatsdienst entfernt werden. Merz, Dobrindt und der neue Noske wissen ganz genau, dass diese Leute in der nächsten braunblauen Regierung dringend gebraucht werden. Ohne sie lassen sich die rassistischen und menschenfeindlichen ‚Aufgaben‘ nicht erledigen.



    Wie reibungslos das mit dem richtigen Personal klappen kann, lernen sie gerade aus den USA.