Austritt des Spitzenkandidaten: Hamburger BSW zerbröselt langsam
Der frühere Hamburger Landesvorsitzende Jochen Brack verlässt die Partei. Er kritisiert, dass der Vorstand nur enge Bekannte als Mitglieder aufnahm.

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Dem voran ging ein Disput, wie der erste Parteitag nach der krachenden Wahlniederlage vom 2. März ablaufen sollte, bei der das BSW nur auf 1,8 Prozent kam. Die in den Bezirken organisierten Unterstützer hatten Unterschriften gesammelt, weil sie daran teilnehmen wollten.
Außerdem verlangten sie einen Finanz- und Rechenschaftsbericht des nur noch sechsköpfigen Vorstands. Wie berichtet, war Brack schon gleich nach der Wahl von seinem Posten als Landeschef zurück getreten. Er warf dem Co-Vorsitzendem Konstantin Eulenburg vor, keinen Wahlkampf gemacht zu haben.
Brack stand mit seiner Kritik nicht allein. Kurz vor dem ursprünglich für den 12. April angesetzten Parteitag hörte man aus der Partei, die interne Opposition habe die nötigen 15 Stimmen zusammen, um den Rest-Vorstand abzuwählen. Zu der Zeit gab es im Hamburger BSW knapp 30 Mitglieder und rund 200 Unterstützer. Doch der Vorstand beschloss am 7. April, den Parteitag auf den nun nahenden 10. Mai zu verschieben. Ein Teil des Vorstands soll dann bis Mitte April 16 neue Mitglieder aufgenommen haben, um seine Mehrheit zu sichern.
Abwahl vereitelt?
Jochen Brack stellte deshalb am 3. Mai den Antrag an den Vorstand, den Parteitag erneut zu verschieben und zuvor endlich alle Unterstützer aufzunehmen, die sich am Wahlkampf beteiligt hatten und das Gründungsprogramm unterstützen. In dem Papier wirft er dem Vorstand vor, durch Aufnahme von „handverlesenen Mitgliedern“ die eigene Mehrheit auf dem Parteitag sichern zu wollen, wobei sich sogar „Lebenspartnerinnen und enge Freunde“ unter den Neuen befänden. Das sei in „Geheimverfahren“ in Verbindung mit „Gesinnungsprüfungen“ passiert.
Die weiterhin restriktive Mitgliederaufnahme verstoße gegen das Parteienrecht und das Gebot der innerparteilichen Demokratie, schreibt Brack. Eine Partei sei nicht demokratisch, wenn „ein kleiner Zirkel“ dauerhaft die Macht ausübt. Zudem sollte Schatzmeister Christian Kruse binnen drei Wochen einen Finanzbericht über die Ausgabe der von der Bundespartei für die Wahl gestellten Gelder vorlegen.
Doch Bracks Antrag wurde auf der Vorstandssitzung am vergangenen Montag nicht mal behandelt. Das brachte das Fass für den Mediziner zum Überlaufen. Der Parteitag im Bürgersaal Wandsbek soll am Samstag vormittags nur für Mitglieder und nachmittags für angemeldete Unterstützer und die Presse offen sein. Brack sagt, er wird nicht mehr dabei sein.
Der Landesvorsitzende Konstantin Eulenburg bestätigt der taz, dass es inzwischen 16 neue Mitglieder gibt. Gefragt, ob es sich dabei um Lebenspartner und enge Freunde handelt, sagt er: „Private Beziehungen spielen bei der Entscheidung über Aufnahmen keine Rolle. Auskünfte zu privaten Verhältnissen einzelner Mitglieder untereinander erteilen wir nicht.“
Keine Auskunft über Privates
Es lägen derzeit noch Mitgliedsanträge im „unteren dreistelligen Bereich“ vor, die Aufnahme habe sich aber seit der Bundestagswahl „deutlich beschleunigt“. Einen Verstoß gegen das Gebot der innerparteilichen Demokratie könne er nicht erkennen, sagt Eulenburg. Der Vorstand habe den Regularien entsprechend „formal korrekt“ alle Mitglieder eingeladen. Bracks Verschiebungsantrag werde auf der nächsten Vorstandssitzung behandelt. Dazu sagt Jochen Brack: „Das ist ein Witz. Dann ist der Parteitag ja schon vorbei.“
Norbert Weber und Dejan Lazic, die wegen ihrer lauten Kritik am BSW zu Jahresbeginn ihre Mitgliederrechte einbüßten, sehen sich durch Bracks Rücktritt bestätigt. Lazic spricht gar von einer „autokratischen Top-down-Struktur“. Die, sagt der Jurist, „halte ich für verfassungswidrig“.
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