Fotografie von Tata Ronkholz in Köln: Banales für die Ewigkeit
Büdchen, Boutiquen, Gittertore: Die Kölner Ausstellung „Gestaltete Welt“ würdigt die lang übersehene Fotografin und Becher-Schülerin Tata Ronkholz.

Bahnschienen, ein Tor aus Blech und Stahl, eine nicht näher zu identifizierende Industrieanlage – Tata Ronkholz’ Fotografie einer Firmenzufahrt im Kölner Norden ist ein Spiel mit den Ebenen. Im Vordergrund die Gleise, die in einem leichten Schwenk aus dem Bild führen, im Hintergrund Metallkonstruktionen, vermutlich Silos, rechts ein schlichtes Backsteingebäude. Getrennt werden die beiden Ebenen durch ein weiß-graues Tor, das keinen Einblick gewährt. Zwei Sechsecke schauen uns wie ein Paar Augen an.
Schienen und Industrie, Tore und Mauern – die Stimmung schlägt schnell um. Assoziationen an Konzentrationslager und Vernichtungslager der Nationalsozialisten liegen nicht nur nahe, sie drängen sich geradezu auf. „Firma Tromm, Tor Gleisanschluss, Köln-Niehl, 1983“, so der schlichte Titel des Fotos, zeigt nur eines von vielen Industrietoren, die von der Designerin und Fotokünstlerin Tata Ronkholz ab 1979 mit ihrer Kamera eingefangen wurden.
Über mehrere Jahre entstand eine ganze Serie, mit der sich die 1940 als Roswitha Tölle geborene Ronkholz eindeutig im Epizentrum der damals neuen Rheinischen Fotoschule verorten lässt – ab 1977 war sie Schülerin der Klasse für künstlerische Fotografie des Ehepaars Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie.
Der Kunstmarkt zeigte schon bald großes Interesse an der innovativen Fotokunstklasse und hob ihre Schüler*innen Candida Höfer ebenso in den Olymp wie die Struthruffskys – ein Kofferwort der erfolgreichsten Schüler Andreas Gurky, Thomas Ruff und Thomas Struth. Zu Beginn der 2000er Jahre waren die meist großformatigen Bilder sowohl in den renommierten Museen als auch auf den Kunstmessen besonders gefragt. Tata Ronkholz und ihr Werk hingegen gerieten mit der Zeit in Vergessenheit.
Tata Ronkholz: „Gestaltete Welt“, Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln, bis 13. Juli
Einer der Gründe: Bereits Mitte der 80er Jahre gab sie die künstlerische Fotografie auf und begann in einer kommerziellen Fotoagentur zu arbeiten. Mit einer aktuellen Ausstellung in der Photographischen Sammlung in Köln wird ihr fast 30 Jahre nach ihrem Tod 1997 die erste umfassende Retrospektive gewidmet.

Die Serie der Industrietore nimmt hier ebenso viel Raum ein wie eine andere, die Kioske und Büdchen in Nordrhein-Westfalen für die Ewigkeit festhält. Obwohl nur wenige in Farbe entwickelt wurden – Ronkholz bevorzugte die Schwarz-Weiß-Fotografie – sind hier die bunten Nachkriegsarchitekturen der BRD abgelichtet. Werbeplakate für Zigarettenmarken kleben an den Fassaden, manche stehen als kleine Hütten frei in der Straße. Der Strukturwandel der nordrhein-westfälischen Industriestädte legt sich wie ein Filter über die Bilder.
In einer Duo-Serie, die während des Studiums mit ihrem Kommilitonen Struth entstand, ist weniger Lindenstraßen-Charme zu sehen, dafür aber der alte Düsseldorfer Hafen vor seiner Umwandlung zum Medienhafen. Der vergleichende Blick lohnt: Struths Bilder lassen den Hang zur Monumentalität erahnen, Ronkholz fängt die leerstehenden Gebäude als heimgesuchte Orte der Vergangenheit ein. Die Ausstellung „Gestaltete Welt“ ist mit ihren über 100 Exponaten extrem dicht, endlich holt sie das zu lang übersehene Werk einer maßgeblichen Fotokünstlerin hervor.
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