: „Widerstand sollte auf jeden Fall auch Spaß machen“
Das Hamburger Widerstandskollektiv hat sich in Hamburg-Eimsbüttel einen Zebrastreifen gemalt. Sprecherin Katja Schreiner über zivilen Ungehorsam und Selbstermächtigung, Kritik an der Bürokratie und die weiteren anarchischen Pläne des Widerstandskollektivs

Interview Friederike Gräff
taz: Das Widerstandskollektiv hat sich in Hamburg-Eimsbüttel eigenständig einen Zebrastreifen geschaffen – ist das ein bisschen das Prinzip Pippi Langstrumpf, ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt, Frau Schreiner?
Katja Schreiner: Es ist ein Teil des Konzepts unseres Widerstandskollektivs, die Sachen, die wir für notwendig und sinnvoll halten, selbst in die Hand zu nehmen.
taz: Hat es Spaß gemacht? Ich stelle mir vor, Sie waren nachts unterwegs mit einem Eimer Farbe.
Schreiner: Offen gestanden war ich nicht dabei, ich bin jetzt nur das Sprachrohr. Aber es ist immer gut, sich selber zu ermächtigen und Dinge in die Hand zu nehmen. Widerstand sollte auf jeden Fall auch Spaß machen, und es bringt einfach eine Verbundenheit mit Gefährtinnen und Gefährten mit sich.
taz: Es ist ja ein schmaler Grat, scheint mir, zwischen Selbstermächtigung und Selbstjustiz. Sie hätten ja auch einen Zebrastreifen bei der Stadt beantragen können.
Schreiner: Darum haben sich schon sehr viele bemüht. Die SPD schon 2014 und der Verein Fuß e. V. ist da auch sehr aktiv. Wir finden das absolut unterstützenswert. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass es manchmal einfach zu lange dauert, genauso wie Klimaschutzmaßnahmen insgesamt einfach zu lange dauern. Dass es aufwendig ist, Gebäude zu sanieren oder neue Heizungen anzuschaffen, das verstehe ich. Aber Zebrastreifen zu schaffen, Fahrradstraßen zu schaffen, Tempolimit einzuführen, das sind einfach Sachen, die sollten jetzt passieren.
taz: Ich war kürzlich im Altonaer Mobilitätsausschuss, wo eine Anwohnerin dringend mehr Autoparkplätze verlangte. Die könnte dann mit dem gleichen Ansatz eigenständig „Parken erlaubt“-Schilder aufstellen.
Schreiner:Wir erleben gerade einen weiteren Trockenheitsrekord und schlittern geradewegs in die Klimakatastrophe. Da würde ich dann einfach sagen, sämtliche Argumente sind auf unserer Seite, nicht weiter Parkplätze zu schaffen, Autobahnen zu bauen, sondern sich für eine soziale und ökologische Verkehrswende stark zu machen.
taz: Ich habe selbst einmal mit dem Gedanken gespielt, illegal einen Zebrastreifen anzulegen, aber es schon deshalb gelassen, weil man mir sagte, dass es für die Nutzer:innen gefährlich ist – denn es gibt gar kein Hinweisschild für die Autofahrer:innen.
Schreiner: Tatsächlich ist es eine Überlegung, wie weit das dazu verführt, unbedacht über die Straße zu gehen. Allerdings muss ja allen Kindern leider ohnehin beigebracht werden, ob Zebrastreifen oder nicht, vorsichtig zu sein und zu gucken. Es ist ja das Traurige, dass die Stadt so gestaltet ist, dass Kinder sehr, sehr früh ein sehr kontrolliertes Leben leben müssen.
taz: Wie waren die Reaktionen auf den Zebrastreifen?
Schreiner: Über Instagram gab es sehr viele positive Reaktionen.
taz: War nicht das Ordnungsamt flott da, um ihn zu entfernen?
Schreiner: Das stimmt, in solchen Dingen sind sie flott. Bei manchen Sachen braucht es Monate und Monate. Aber bis jetzt ist er noch da. Es würde uns natürlich sehr freuen, wenn die Behörde sich so flexibel zeigen würde, statt zu schrubben, Zebrastreifenschilder aufzustellen.
taz: Wollen Sie den anarchischen Weg weiter verfolgen und jetzt auch Fahrradstraßen- oder Sackgassenschilder aufstellen?
Schreiner: Auf jeden Fall. Fahrradstraßen sind schon in Berlin und anderen Städten selbst gemacht worden und das wird sicherlich auch in Hamburg passieren. Wir finden es auch sinnvoll, Parkplätze zu entsiegeln und gerade dort in Hinblick auf die Hitzewellen etwas zu pflanzen. Wir müssen Klimaschutz jetzt selber machen.
taz: War der Zebrastreifen das Debut in Hamburg?
Schreiner: Ja, zusammen mit einer Aktion gegen Tesla in Wandsbek. Da haben wir uns am internationalen Tesla-Take-Down-Tag beteiligt und Plakate an die Fassade des Tesla-Gebäudes gekleistert und eine Rede gehalten. Uns gibt es auch wirklich erst drei, vier Wochen.
taz: Was der Letzten Generation sehr zu schaffen gemacht hat, waren die vielen Prozesse. Ich würde vermuten, ein selbsttätig erstellter Zebrastreifen ist auch strafbar. Stellen Sie sich darauf ein?
Schreiner: Natürlich zieht jede Form von zivilem Ungehorsam auch immer Repression nach sich. Wir als Widerstandskollektiv machen durchaus auch Aktionen, wo wir uns nicht daneben stellen und sagen: Wir waren das und warten darauf, dass jemand erscheint.
taz: Ein jemand von der Polizei oder vom Ordnungsamt.
Schreiner: Bei Tesla haben wir das tatsächlich gemacht. Aber beim Zebrastreifen ist es uns auch ganz recht, wenn es keine Anklage gibt.
taz: Was sind die Kriterien fürs Dableiben oder nicht Dableiben?
Schreiner:Bei den Aktionen, wo wir Klimaschutzmaßnahmen und das bessere Leben für alle konkret umsetzen, stellen wir uns nicht unbedingt daneben. Je weniger Verfahren das nach sich zieht, desto mehr können wir umsetzen. Wenn wir uns gegen etwas stellen, gegen Tesla etwa den Ausbau der A 26, lässt es sich einerseits nicht vermeiden. Die Verfahren danach sind einerseits belastend, sie sind aber auch eine Möglichkeit, noch einmal zu thematisieren, worum es uns geht, etwa warum der Multimilliardär Elon Musk eine Gefahr für die Demokratie und das Klima ist.
taz: Das Widerstandskollektiv ist neben der Neuen Generation die Fortführung der Letzten Generation. Warum hat man sich da aufgeteilt?
Schreiner: Die neue Generation ist sehr ausgerichtet auf ein bundesweites Demokratisierungsprojekt. Das Widerstandskollektiv ist zwar auch bundesweit vernetzt, aber eher lokal engagiert und aktiv. Ich finde, es hat beides Stärken. Ich hoffe natürlich auch, dass in Zukunft die gesamte Klimagerechtigkeitsbewegung mehr zusammenrückt, vor allen Dingen der Teil, der auch bereit ist, Widerstand zu leisten. Für mich passt es wegen meiner Lebenssituation mit Arbeit und Familie besser, mich lokal zu engagieren. Aber ich bin auch sehr solidarisch mit der Neuen Generation.
Infoveranstaltung zum Widerstandskollektiv am 29. 4. um 18 Uhr im Asta-Café, Von Melle Park 5, Hamburg
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