Stefan Kornelius als Regierungssprecher: Der perfekte Mann für den Job
Für das Amt des Regierungssprechers ist Stefan Kornelius wunderbar geeignet. Fragwürdig ist an der Sache etwas ganz anderes.

S tefan Kornelius, langjähriger Ressortleiter Politik bei der Süddeutschen Zeitung, ist die perfekte Besetzung für das Amt des Regierungssprechers. Denn für diesen Job braucht es jemanden, der gut vernetzt ist, in wichtigen politischen Fragen die Linie der Bundesregierung vertritt – und sich mit Propaganda auskennt.
Auf Kornelius trifft all das zu. Er ist seit langem Mitglied der Atlantik-Brücke, eines Lobbyvereins, dessen erklärtes Ziel die „Förderung der Völkerverständigung“ zwischen Deutschland und den USA ist. Völkerverständigung ist in diesem Kontext allerdings ein Euphemismus für Public Diplomacy, die im Kern nichts anderes bedeutet als Auslandspropaganda. Auch bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist Kornelius Mitglied – einem Thinktank, dessen Aufgabe es ist, „die außenpolitische Meinungsbildung auf verschiedenen Ebenen zu beeinflussen“, also ebenfalls Propaganda. Zudem sitzt er im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, deren Ziel es ist, Führungspersonal auszubilden, „das befähigt ist, nationale Interessen im internationalen Bereich wirkungsvoll zu vertreten“.
Bitte nicht falsch verstehen – der Begriff Propaganda wird hier nicht im populären Sinne, sondern im politikwissenschaftlichen Sinne verwendet. Gemeint ist die Praxis staatlicher Akteure, die öffentliche Meinung über das strategische Verbreiten von Informationen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das machen alle Staaten, auch wenn sie es gerne anders nennen – Öffentlichkeitsarbeit etwa oder Public Diplomacy.
Und genau deshalb ist es auch nicht überraschend, dass Journalisten in das Amt des Regierungssprechers berufen werden. In Deutschland hat das nicht zufällig Tradition. Eine der Hauptaufgaben eines Regierungssprechers ist es, die Arbeit der Bundesregierung in der Öffentlichkeit in ein möglichst positives Licht zu rücken. Das geschieht eben vorrangig über die Presse. Und wer kennt sich mit der Presse besser aus als die Presse selbst?

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Fragwürdig ist an dieser ganzen Sache vor allem eines: Wie kann es sein, dass Kornelius Ressortleiter bei einer der wichtigsten deutschen Tageszeitungen ist – und gleichzeitig Mitglied in Organisationen, die zu genau jenen Themenfeldern Lobbyarbeit im Sinne der Bundesregierung betreiben? Wie kann ein Journalist, der die Bundesregierung in Sachen Sicherheitspolitik berät, über ebenjene Politik mit der gebotenen Distanz berichten?
Natürlich lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, inwiefern Kornelius’ Tätigkeiten bei diesen Organisationen seine Berichterstattung beeinflusst haben – dazu müsste man in seinen Kopf schauen. Aber genau das ist eben das Problem: Wenn führende Redakteure zugleich in regierungsnahen Gremien und Lobbystrukturen aktiv sind, verwischt das die Grenze zwischen unabhängiger Berichterstattung und strategischer Kommunikationsarbeit. Der Leser weiß nicht mehr, ob er einem kritisch-analytischen Text begegnet – oder einer subtilen Form von Regierungs-PR im journalistischen Gewand.
Kornelius ist kein Einzelfall – die Nähe zwischen Hauptstadtjournalismus und Bundesregierung ist ein grundsätzliches Problem. Eine demokratische Medienlandschaft, die als Kontrollorgan der Macht fungieren soll, braucht Journalisten und Journalistinnen, die zu Machtzentren sichtbar Abstand halten – nicht solche, die Teil von ihnen sind.
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