Kühnert, Pistorius, Papst: Wehrhafter Kevin
Kevin Kühnert will Mensch bleiben. Die EU versucht Tech-Konzerne zur Rechenschaft zu ziehen. Und ein letztes Volksfest für den Papst.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Letzte Bilder vom Kabinett Scholz.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Karl Lauterbach ist immerwährend!
taz: Der Papst ist am Ostermontag gestorben. War das ein gelungener Abgang?
Küppersbusch: Das Begräbnis am anderen Ende der Stadt erzwang ein letztes Volksfest auf den Straßen dorthin. Der Zeitpunkt versammelte Leute, die der Papst gern zu Lebzeiten ins Gespräch bekommen hätte. Der Mensch macht Pläne, und Gott lacht – in diesem Fall offenbar sehr wohlwollend.
taz: In Oldenburg wurde ein Schwarzer Mann von einem Polizisten mit drei Schüssen von hinten getötet. Haben wir ein Problem mit Polizeigewalt?
Küppersbusch: In der Studie „Diskriminierungsrisiken in der Polizeiarbeit“ im September 2024 zwölf „Risikopunkte“ dar. Macht heute gar keinen Spaß, das zu lesen. Muss man aber gelten lassen, denn sie lehrt immerhin an der Polizeiakademie Niedersachsen, zuständig also auch für Oldenburg. „Ausländisch gelesene Menschen“ würden häufiger kontrolliert und eher als „gewaltbereit, unkooperativ und polizeifeindlich“ bevorurteilt. Das berge die Gefahr, dass die Polizei „machtbetont“ auftrete und „schnelle Lösungen durch Härte und Dominanz“ anstrebe. So genau wollten wir es gar nicht wissen: Die Polizeigewerkschaft kritisierte die Studie, die Ministerin wollte mal schauen, ob man etwas verändern müsse. Die Polizeiwissenschaftlerin forderte eine unabhängige, polizeiferne Ermittlungsinstanz. In Oldenburg ermitteln die Kollegen aus Delmenhorst, nebenan.
taz: Nächste Woche entscheidet die SPD über den neuen Koalitionsvertrag. Hat Boris Pistorius noch eine Chance?
Küppersbusch: Am Dienstag endet die Mitgliederbefragung der SPD, ab Mittwoch will ihr Chef Klingbeil Namen nennen. Bis dahin strahlt er Zuversicht aus, mal sehen, wer anderen ein Grübchen gräbt. Zerschießen kann man sich auf jedem Ministerposten, Pistorius wäre nicht aus dem Rennen, wenn er Verteidigungsminister bliebe. Die Zentralverantwortung als Vizekanzler einer „Muss ja“-Koalition ist gefährlicher.
taz: Apple und Facebook müssen 700 Millionen Euro Strafe zahlen, weil sie das europäische Digitalrecht verletzt haben. Gut so oder ganz verbieten?
Küppersbusch: Bei Facebook soll man bezahlen, wenn man nicht an Werbekunden verhökert werden möchte. Bei Apple findet man völlig überraschend immer tolle Apple-Apps und weniger die der Konkurrenz. Beides mit dem Digital Markets Act der EU so nicht zu machen, ändert aber nichts an der marktbeherrschenden Stellung der US-Firmen. Die EU reguliert ein bisschen im Verbraucher- und Wettbewerbsrecht, lässt die Oligarchen aber mit der frommen Lüge davonkommen, sie seien keine Inhalteanbieter. Sonst müssten sie nämlich wie Presseverleger für ihre Inhalte haften. Und dann könnte man sie gar nicht so schnell verbieten, wie sie mausetot wären.
taz: Vor 20 Jahren wurde das erste Mal ein Video auf Youtube veröffentlicht. Was gucken Sie neben Küppersbusch TV auf Youtube am liebsten?
Küppersbusch: Super Frage! Uns fehlen noch 11.000 Abos an 100.000, so lange denke ich nach.
taz: US-Präsident Trump bemüht sich auf seine Weise um Frieden in der Ukraine. Macht er irgendetwas richtig?
Küppersbusch: Ja, er führt vor, was passiert, wenn die Europäer jahrelang nichts in der Richtung tun.
taz: Kevin Kühnert (SPD) äußerte sich zu seinem Ausstieg aus der Politik in der Zeit. „Ich bin nicht aus der Politik ausgestiegen, weil ich Angst vor ein paar Neonazis habe. Sondern weil ich zunehmend Zweifel habe, was das Thema Wehrhaftigkeit betrifft.“ Teilen Sie seine Sorge?
Küppersbusch: Offenbar gibt es Wegscheiden, an denen man sich entscheiden muss: Politiker werden – oder Mensch bleiben? In Kühnert scheint eine Menge Kevin durchgehalten zu haben, und der ist wehrhaft. Das stellt erst mal viele Fragen an PolitikerInnen, die sich erkennbar schon länger nicht mehr mit sich selbst unterhalten haben. Die können ein hübsch frisiertes Nichts als großen Erfolg verkaufen und müssen das wohl auch. Der Mensch da drin wollte mal die Welt verändern und, Kühnerts Wort, leidet an „Vergeblichkeit“. Das ist bitter. Aber Wehrhaftigkeit wächst aus Wahrhaftigkeit.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Was tun, wenn es unessenerisch gut läuft? Einfach mal den überragenden Stammtorhüter auswechseln und mit seinem Vertreter ’ne 0:3-Klatsche gegen Saarbrücken abholen. Läuft. Fragen: Leyla Roos
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