Trump empfängt norwegische Delegation: Jens Stoltenberg wird als „Trump-Flüsterer“ gebraucht
Ministerpräsident Jonas Gahr Støre nimmt seinen Finanzminister Stoltenberg mit zu einem Treffen mit Trump. Ein kluger Schachzug.

Jens Stoltenberg hatte sowieso in Washington, D. C. zu tun, unter anderem beim Internationalen Währungsfonds. Wie praktisch, da kann er doch genauso gut noch seinen Chef ins Weiße Haus begleiten, wenn der das wünscht: So ungefähr stellte der norwegische Finanzminister die Entstehung eines ungewöhnlichen Doppeltreffens mit Donald Trump dar, als die Zeitung VG ihn fragte.
Und nun musste Ministerpräsident Jonas Gahr Støre an diesem Donnerstag also nicht allein versuchen, dem US-Präsidenten möglichst viele norwegische Sichtweisen zu mehreren derzeit heiklen Themen unterzujubeln. Dass er überhaupt empfangen wurde, als erster nordischer Regierungschef in Trumps zweiter Amtszeit, hält man im global gesehen recht kleinen Norwegen nicht für selbstverständlich. Im Gegenteil, es wurde öffentlich spekuliert, dass Finanzminister Stoltenberg als Türöffner genützt haben könnte. Es handelt sich schließlich bei Stoltenberg um einen „hocheffizienten Trump-Flüsterer“, wie das Magazin Politico ihn einmal nannte, als er noch Nato-Generalsekretär war.
Nach zehn Jahren unterwegs im internationalen Großauftrag tauchte der 66-Jährige im Februar tatsächlich wieder in der norwegischen Politik auf wie Kai aus der Kiste. Vor der Nato-Zeit war der Sozialdemokrat unter anderem lange Ministerpräsident gewesen.
Ein wirkungsvoller Schachzug von Gahr Støre, dessen Koalition im Streit um EU-Richtlinien zur Energiepolitik auseinandergebrochen war. Er musste die Ministerien der Zentrumspartei umgehend neu besetzen, um in einer nochmals geschrumpften Minderheitsregierung bis zu den Wahlen im September weitermachen zu können.
Dass Stoltenberg, oder „Jens“, wie er in Norwegen auch schlicht genannt wird, plötzlich wieder Regierungsmitglied war, bewegte viele – in Straßenumfragen des norwegischen Fernsehens changierte der Tonfall zwischen Freude, Erleichterung und Rührung.
„Ihr kennt Jens, und wir kennen Jens. Er hat fast alles in norwegischer und internationaler Politik gemacht. Und für mich ist er auch noch ein guter Freund“, so präsentierte Gahr Støre im Februar seinen Coup.
Eigentlich hatte Stoltenberg andere Pläne gehabt: Er wurde schon als neuer Chef der Münchner Sicherheitskonferenz präsentiert – und das gilt auch weiterhin, er muss nun nur erst den Finanzministerauftrag in der Heimat erledigen. Dazu gehört wohl, die Sozialdemokraten aus ihren Umfragetiefs herauszuholen.
Der „Jens-Effekt“
„Jens-Effekt“ wird das in norwegischen Medien genannt. Støre wird, im Gegensatz zu „Jens“, manchmal fehlende Bodenhaftung unterstellt und zu viel Fokus auf internationale Politik.
Stoltenberg war auch Ministerpräsident, als der Rechtsextremist Anders Behring Breivik 2011 den Bombenanschlag auf das Regierungsviertel und das unvorstellbare Massaker im sozialdemokratischen Jugendzeltlager auf Utøya verübte. Mit seiner umsichtigen ersten Reaktion schaffte es der Regierungschef, das Land in Trauer zu vereinen und gleichzeitig den Tenor für die Zeit nach dem Schock zu setzen: Die offene Demokratie werde man sich nicht kaputt machen lassen.
Es fällt dem smarten Politiker leicht, sich kommunikativ auf verschiedene Menschen und Situationen einzustellen. Das gilt offenbar auch im Fall von Trump, den Nato-Skeptiker, der sich immer wieder anerkennend über Stoltenberg geäußert hat. Einen beim US-Präsidenten funktionierenden Tonfall zu finden, könnte ja nun bei den Themen Zölle und Ukraine-Krieg durchaus nützlich sein.
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