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Frauenrennen Paris–RoubaixRückkehr zum Asphalt

Pauline Ferrand-Prévot war lange nur auf dem Mountainbike untewegs. Am Samstag gewann die Französin den Klassiker auf Kopfsteinpflaster.

Zur Erholung dann doch lieber weg von der Straße: Pauline Ferrand-Prévot Foto: Camus/ap

Roubaix taz | Sie kann es noch: Fast zehn Jahre ist der letzte Sieg in einem Straßenrennen für Pauline Ferrand-Prévot her. Damals gewann sie die fünfte Etappe des Giro d’Italia femminile. An diesem Samstag aber schoss die 33-jährige Französin das Pflastersteinrennen Paris–Roubaix ab.

Der gilt als das Nonplusultra der Klassiker. Erst zum fünften Mal wird er für Frauen ausgetragen. Und Ferrand-Prévot ist durchaus eine Überraschungssiegerin. „Vor ein paar Tagen war ich noch krank. Ich bin eigentlich nur angetreten, um Marianne Vos zu helfen“, sagte sie. Vos ist die fahrende Legende des Frauenradsports. Drei Mal war die 37jährige Niederländerin Weltmeisterin, ein Mal Olympiasiegerin, fünf Mal siegte sie beim Halbklassiker Wallonischer Pfeil, niemals aber in Roubaix.

Ferrand-Prévot indes konnte gleich beim ersten Anlauf gewinnen. Dass bei ihr eine zehnjährige Erfolgslücke klafft, hat damit zu tun, dass sie den Straßenradsport früh verließ und ihr Glück im Gelände suchte. 12-fache Weltmeisterin wurde sie in den verschiedensten Mountainbike-Disziplinen. Auch bei den Wettbewerben in Cyclocross und Gravel holte sie Regenbogentrikots. Und als sie im letzten Jahr in Paris mit dem Olympiasieg im Mountainbike ihre Geländekarriere krönte, beschloss sie, es im sportlich, finanziell und strukturell erstarkten Straßenradsport der Frauen noch einmal zu versuchen.

Kurze Anlaufschwierigkeiten

Bei der UAE-Tour konnte sie allerdings noch nicht mit den Allerbesten mithalten. Auch bei den Strade Bianche, dem Lehmstraßenrennen, das der Geländespezialistin wie auf den Leib geschneidert schien, hatte sie gegen die frühere Tour-de-France-Siegerin Demi Vollering und gegen die andere prominente Rückkehrerin Anna van der Breggen keine Chance. „Mich hat schon überrascht, wie hoch das Niveau jetzt ist. Früher war es viel heterogener. Jetzt sind die Taktikpläne der Teams sehr wichtig. Auch die Ernährung hat sich massiv verändert und beeinflusst die Leistung stark. Auf dem Rad so viel zu essen ist neu für mich“, gab sie zu Beginn der Saison zu. Sie versicherte aber auch: „Ich weiß, dass ich sehr widerstandsfähig bin.“

So arbeitete sie sich langsam wieder nach oben. Das eigene Leistungsvermögen stieg. Ihre Helferdienste wurden immer substanzieller, lobte auch ihr sportlicher Leiter Jos van Emden bei „Visma – Lease a Bike“. Und so kamen dann die Ergebnisse. Mit dem zweiten Platz bei der Flandernrundfahrt hinter Weltmeisterin Lotte Kopecky setzte sie ein richtiges Achtungszeichen.

Auf dem Pflaster Nordfrankreichs schließlich ließ sie sich von den vielen Versuchen Kopeckys, allein davon zu fahren, nicht irritieren. Die belgische Rivalin verbrauchte viel Kraft, die Französin indes wählte den perfekten Moment für die Attacke. Die frustrierte Kopecky – „Ich verstehe nicht, warum die anderen Teams Pauline nicht hinterhergefahren sind. Auch sie haben dadurch einen Podiumsplatz verloren“ – konzentrierte sich am Ende auf die Sprintvorbereitung für ihre Teamgefährtin Lorena Wiebes.

Unglückliche Organisation

Die derzeit schnellste Athletin im Frauenpeloton wurde so noch Dritte, knapp vor Vos übrigens, für die die Siegerin Ferrand-Prévot ja eigentlich fahren wollte. Den zweiten Platz holte mit einem energischen Antritt noch die Italienerin Letizia Borghesi.

Ferrand-Prévot, bereits 2014 Straßenweltmeisterin, ist mit ihrem Sieg endgültig zurück in der Elite auf Asphalt und Pflaster. „Wir haben jetzt zwei Pflastersteine zu Hause“, spielte sie auf den Roubaix-Sieg 2022 ihres Lebensgefährten Dylan van Baarle an. Sie sind nun erste Sport­le­r*in­nen­paar mit zwei Siegen in Roubaix.

Etwas schade war, dass der Ausrichter ASO die Frauenausgabe des Rennens einen Tag vor der Männeredition ansetzte. Es waren weit weniger Zu­schaue­r*in­nen als bei den Herren an der Strecke. Die ASO sollte hier aber logistisch Nachhilfe beim Ausrichter der flämischen Klassiker suchen. Bei der Flandernrundfahrt etwa waren Frauen und Männer parallel unterwegs. Die Männer waren sogar so etwas wie die Vorband für die Damen, weil deren Finale für später terminiert war. Paris–Roubaix der Frauen hat noch Luft nach oben.

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