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Zivilgesellschaft bleibt misstrauisch

Das Förderprogramm „Demokratie leben!“ lebt noch und bleibt im Familienministerium. Dennoch gibt es beim Kampf gegen Rechtsextremismus und Demokratieförderung Leerstellen im Koalitionsvertrag, kritisieren NGOs

Von Marco Fründt und Gareth Joswig

Nach der vom „tiefen Staat“ raunenden CDU-Anfrage mit 551 Fragen vom Februar wurde bei vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Sachen Demokratieförderung schon das Schlimmste befürchtet. CDU-Politiker hatten im Wahlkampf außerdem mit der Streichung von Fördermitteln gedroht, weil linke NGOs auch gegen die Union protestierten hatten, nachdem diese Ende Januar in einem Tabubruch mit AfD-Stimmen einen Migrationsantrag beschlossen hatten. Die Union forderte zwischenzeitlich gar eine Verpflanzung des Förderprogramms „Demokratie leben!“ in das bald CSU-geführte Innenministerium.

Nach Veröffentlichung des Koali­tions­vertrages ist klar: Das Demokratieförderprogramm „Demokratie Leben!“ bleibt, sogar im Familienministerium. Es heißt gar wertschätzend, dass man „verstärkt in die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie investieren müsse“ – man „unterstreiche die Bedeutung gemeinnütziger Organisationen, engagierter Vereine und zivilgesellschaftlicher Akteure als zentrale Säulen unserer Gesellschaft“.

Dieses Bekenntnis heißt aber leider nicht, dass alles gut ist: Denn das Familienministerium soll von der CDU geführt werden. „Demokratie Leben!“ wird damit erstmals unter Unionsverantwortung stehen. Und die dreht bekanntlich in einigen Regionen bereits jetzt zivilgesellschaftlichen Vereinen den Geldhahn zu – zusammen mit der AfD. Zudem heißt es: „Wir werden eine unabhängige Überprüfung dieses Programms in Bezug auf Zielerreichung und Wirkung veranlassen“. Außerdem wolle man „die Verfassungstreue geförderter Projekte“ sicherstellen. Das dürfte von der Union eher restriktiv mit Blick auf alles Linke gemeint sein. Die Unions-Angriffe auf die Zivilgesellschaft könnten also weitergehen.

Entsprechend ambivalent fielen zivilgesellschaftliche Reaktionen auf den Koalitionsvertrag aus. Exemplarisch: Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung lobte grundsätzlich, dass die Parteien formal jede Zusammenarbeit mit rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Kräften ausschließen und sich für Demokratiebildung und „Demokratie Leben!“ aussprechen. Aber er kritisierte die angekündigte „unabhängige Überprüfung“: „Das am besten evaluierte Förderprogramm des Bundeshaushalts soll erneut überprüft werden. Warum?“ Er befürchtete, dass harmlos klingende Begriffe wie „rechtssichere Arbeit“ und „Verfassungstreue“ politisch genutzt würden, um Träger auszubremsen, die sich für eine Brandmauer gegen Rechtsextremismus engagieren. „Wer Demokratieförderung weiter mit Misstrauen statt mit Rückendeckung begegnet, schwächt jene, die tagtäglich unsere Demokratie gegen Nazis, Rassisten und Antisemiten verteidigen“, kritisierte Reinfrank. „Planungssicherheit, Schutz vor rechtsextremen Angriffen und Rückendeckung durch die neue Fa­mi­li­en­mi­nis­te­r*in sind jetzt entscheidend“.

Auch Heike Kleffner, Geschäftsführerin des Verbands der Opferberatungsstellen für Betroffene rechter Gewalt, freute sich über das „überraschend deutliche“ Bekenntnis zur Zivilgesellschaft. Sie sah aber auch Leerstellen: „Obwohl rechtsextreme Gewalt auf einem alarmierenden Höchststand ist, gibt es im Koalitionsvertrag eine auffällige Leerstelle: Es gibt keine politische Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus.“ Weder gebe es einen Nationalen Aktionsplan noch eine Bund-Länder-Task-Force – anders als etwa in den Bereichen Islamismusprävention oder Umweltkriminalität. Darin zeige sich eine „besorgniserregende Normalisierung und politische Planlosigkeit.“

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