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Mieterprotest gegen smarte GeräteWenn der Rauchmelder spioniert

Der Immobilienkonzern Vonovia will in Göttinger Wohnungen Hightech-Rauchmelder einbauen. Bewohner befürchten höhere Mieten und Spionage.

Einblick in die geschützten eigenen vier Wände: „intelligente“ Rauchmelder erheben jede Menge Daten (Symbolbild) Foto: Michael Gstettenbauer/Imago

Göttingen taz | In das etwas trist wirkende sogenannte Blümchenviertel in der Göttinger Weststadt mit seinen einförmigen Wohnblocks aus den 1950er- und 1960er-Jahren ist Farbe eingekehrt. Rote Farbe. An Dutzenden Haustüren in den Straßen Rosenwinkel, Nelkenwinkel oder Tulpenweg prangen jetzt Aufkleber. Sie zeigen eine nach oben gereckte Hand in einem Stopp-Zeichen. Darunter steht in schwarz: „Hier sind keine Spionage-Rauchmelder erwünscht“.

Knapp 300 Wohnungen im Quartier gehören dem Bochumer Immobilienkonzern Vonovia, der in ganz Göttingen mehr als 1.400 Wohneinheiten besitzt und vermietet. Im Dezember vergangenen Jahres schrieb der Konzern 270 Mietparteien im Blümchenviertel an und kündigte an, dass der Energiedienstleister Techem in ihren Wohnungen neue Rauchwarnmelder „Multisensor Plus“ installieren werde.

Diese böten mehr Sicherheit, mehr Komfort und eine ganze Reihe technischer Zusatzfunktionen und Neuerungen gegenüber den alten Modellen, verspricht Vonovia in einer Broschüre. So warne die nun in die Geräte eingebaute „intelligente Technik“ beispielsweise vor dem giftigen, farb- und geruchlosen Gas Kohlen­monoxid (CO). Dank „integriertem Assistenzlicht“ fänden die Mieter im Alarmfall auch bei Dunkelheit sicher den Weg aus ihrer Wohnung. Und, als besonderer Clou: Der „Alarmton wechselt zwischen zwei Frequenzen.“

Keine Kontrolle über erfasste Daten

Größtenteils handele es sich dabei um überflüssigen Schnickschnack, meint hingegen die Initiative „Weststadt solidarisch“. Die seit einem Jahr bestehende Gruppe organisiert die Proteste gegen die neuen Rauchmelder. Die CO-Warnfunktion etwa sei völlig sinnfrei: „Wenn man Kohlenmonoxid an der Zimmerdecke messen kann, wo die Rauchmelder hängen, ist man doch längst tot.“

Besonders stört die Aktivisten das von Vonovia angepriesene „Raumklimamonitoring direkt in der App“. „Wir haben keine Kontrolle darüber, was mit den erfassten Daten geschieht oder wer darauf zugreifen kann“, sagt Nita Chakraborty von „Weststadt solidarisch“. „Was ist, wenn Vonovia die Daten nutzt, um beispielsweise Kosten für Schimmelbeseitigung auf uns Mieter abzuwälzen?“

Indem die Rauchmelder die Luftfeuchtigkeit messen, lasse sich auf das Lüftungsverhalten und die Anwesenheit von Personen in der jeweiligen Wohnung schließen, so Chakrabortys Mitstreiter Yannick Krooß. „Sie bekommen dadurch Einblick in den ‚Safe Space‘ unserer Wohnungen.“ Sie – das sei neben Vonovia und Techem auch Microsoft, das für die Technik in den Meldern verantwortlich zeichne.

Zusätzliche Kosten für die Mieter

Zudem brächten die neuen Rauchmelder für die Mieter zusätzliche Kosten mit sich, im Schnitt etwa 5,50 Euro monatlich. Das ist eine Mieterhöhung von 65 Euro pro Jahr, hat „Weststadt solidarisch“ ermittelt. Das sei „nicht nichts“ für die nicht gerade als wohlhabend geltende Klientel des Quartiers. „Aber für Vonovia sind das 17.000 Euro jährlich allein im Viertel. Die Kosten für die Geräte seien schnell gedeckt, „danach macht der Konzern reinen Gewinn“.

„Es sollen ja funktionstüchtige Melder ausgetauscht werden“, unterstreicht Yannick Kroos die Kritik. Und zwar im Rahmen einer Modernisierung, nicht etwa als Instandhaltungsmaßnahme – „in dem Fall müsste Vonovia nämlich selbst zahlen“.

Das Immobilienunternehmen macht eine etwas andere Rechnung auf. „Die Mietanpassungen, wenn eine Wohnung mit vier Geräten ausgestattet wird, beträgt rund drei Euro pro Monat“, sagte Vonovia-Sprecherin Caroline Sorgenicht der taz. „Wenn es weniger Geräte, also Räume sind, dann weniger, bei mehr Geräten mehr.“ Man setze sich dafür ein, dass sich die Mieter keine Sorgen wegen steigender Mieten machen müssten, „uns ist wichtig, dass unsere Wohnungen auch bei Veränderungen der Miete bezahlbar bleiben“.

Mieter wollen standhaft bleiben

Auch habe Vonovia in dem Ankündigungsschreiben „zu dieser Modernisierungsmaßnahme“ auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Härteeinwand gegen die Mietanpassung geltend zu machen. „Sofern ein persönlicher oder finanzieller Härtegrund vorliegt, finden wir gemeinsam mit unseren Mie­te­rin­nen und Mietern eine individuelle Lösung“, verspricht Sorgenicht.

Im Januar legten knapp 100 Mietparteien Widerspruch bei Vonovia ein. „Wir widersprechen der Montage der ‚Multisensor Plus‘-Geräte in unseren Wohnungen und erheben rechtliche Einwände gegen die Zulässigkeit des Einbaus“, heißt es darin. „Solange die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig und lückenlos geklärt ist, behalten wir uns vor, die Durchführung des Einbaus nicht zu dulden. Dies beinhaltet insbesondere den Zutritt der Handwerker zur Montage der Geräte in unseren Wohnungen.“

Von Vonovia gibt es bislang keine Reaktion auf die Widersprüche. Als sei nichts gewesen, kündigte das Unternehmen den ersten Mietern Montagetermine für Ende März an. Betroffene und „Weststadt solidarisch“ reagierten daraufhin mit einer Kundgebung – mehrere Dutzend Menschen versammelten sich am 24. März trotz Regens in der Straße Rosenwinkel, um gegen den Einbau der Rauchmelder zu protestieren. Die „Rote Karte“ klebt mittlerweile an 140 Hauseingängen im Blümchenviertel. Nachdem die Techniker vergeblich an Türen geklingelt hatten, hätten erste Mieter jetzt für Mitte April einen zweiten Termin ­genannt bekommen, berichtet Krooß. „Aber wir wollen standhaft bleiben.“

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7 Kommentare

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  • Es gibt eine Pflicht einen Rauchmelder in Wohngebäuden zu installieren, das darf man aber auch selbst machen. Man muss kein Gerät von Venovia oder sonst wem installieren lassen.

    * Besitzhabende Person= Mieter



    www.rauchmelder-le...rdrhein-westfalen/



    Die Betriebsbereitschaft der Rauchwarnmelder hat die unmittelbare besitzhabende Person* sicherzustellen, es sei denn, die Eigentümerin oder der Eigentümer übernimmt diese Verpflichtung selbst.

    • @Martin Sauer:

      Sie haben ihren eigenen Link anscheinend falsch Verstanden, die besitzhabende Person, also der Mieter ist für die WARTUNG bzw. die BETRIEBSBEREITSCHAFT zuständig, für die installation der Geräte ist aber der EIGENTÜMER also der VERMIETER zuständig.



      In ihrem beigefügtem Link gibt es den Punkt "Wer muss Rauchmelder installieren? ", das ist hier ganz eindeutig, hier steht nicht besitzhabende Person, sondern Eigentümer.

      • @PartyChampignons:

        Ergänzend noch:



        "ABER: Mietrechtlich ist generell stets der Vermieter verpflichtet, die von ihm oder über Dritte (externe Dienstleister) installierten Melder betriebsbereit zu halten, d.h. die regelmäßige Wartung zu übernehmen. Diese mietrechtliche Pflicht verdrängt anderslautende Regelungen zur Zuständigkeit für die Wartung von Rauchwarnmeldern in einzelnen Landesbauordnungen! "

        Also mit anderen Worten, der Vermieter ist sowohl für die Installation, als auch für die Wartung zuständig, steht alles so in ihrem Link

  • Kohlendioxid kann in unbewegter Luft am Grund tiefer Gruben und Schächte zum Problem werden, vor allem, wenn es dort stark austritt. In Räumen reicht allein die Konvektion und normale Bewegung für eine perfekte Durchmischung. Das gefährliche Kohlenmonoxid ist nicht wahrnehmbar und leichter als Luft. Und Schulbildung ist in Deutschland nicht nur kostenlos sondern verpflichtend.

  • Bei aller Kritik an Vonivia, aber wir haben hier in Deutschland und Europa eine Datenschutzverordnung und es wird mit Sicherheit NICHT passieren, dass der Hersteller dieser Rauchmelder irgendwelche Daten an irgendwelche Wohnungskonzerne weitergibt, damit diese die Daten zur Schikane ihrer Mieter benutzen können. Dazu gibt es klare gesetzliche Regelungen und an die muss sich gehalten werden. Von daher halte ich die Argumentation hier etwas für an den Haaren herbei gezogen, genau wie den Satz „Wenn man Kohlenmonoxid an der Zimmerdecke messen kann, wo die Rauchmelder hängen, ist man doch längst tot.“ Erstens verteilt Kohlenmonoxid sich realtiv schnell realtiv gleichmäßig im Raum und kommt somit auch schnell an der Decke an (da es in etwa so viel wiegt wie Luft) und zweitens schlagen die Geräte ja nicht erst Alarm wenn die Dosis schon tödlich ist, sondern natürlich schon deutlich früher.

    • @PartyChampignons:

      Die Rauchmelder übermitteln auch Zb. die Luftfeuchtigkeit der Wohnung in % weiter. Luftfeuchtigkeit ist aber kein tödliches Gas.

    • @PartyChampignons:

      ".... und zweitens schlagen die Geräte ja nicht erst Alarm wenn die Dosis schon tödlich ist, sondern natürlich schon deutlich früher."



      Zur Beurteilung dieses Sachverhaltes wäre die Kenntnis des Datenblattes natürlich wertvoll.

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