Wasserpflanze Schierlings-Wasserfenchel: Hamburger Original steckt in Schwierigkeiten
Hamburg trägt die Verantwortung für den Schierlings-Wasserfenchel. Doch die Stadt tut sich schwer, die nur an der Elbe vorkommende Pflanze zu erhalten.

Wie das jüngste Monitoring nun aber zeigt, waren die Bemühungen zur Erhaltung der Art nicht von Erfolg gekrönt. „Die langfristige Zukunftsfähigkeit ist beeinträchtigt“, heißt es in dem Bericht, der bis ins Jahr 2023 reicht.
Dass der Schierlings-Wasserfenchel so selten ist, liegt daran, dass er sich an die besonderen Bedingungen der Tideelbe angepasst hat: einem schwankenden Süßwasserspiegel. Die einen bis anderthalb Meter hoch wachsende Pflanze gedeiht in einem Bereich, der regelmäßig überspült wird und wieder trocken fällt. Ihre Samen verbreiten sich mit den die Elbe hinauf und hinunter schwappenden Wassermassen.
Allerdings hat der Mensch die Elbe in den vergangenen 100 Jahren stark verändert: Der Hamburger Senat rückte die Deiche immer näher an den Strom heran, so dass Überflutungsbereiche verschwanden, er schüttete neue Flächen im Hafen auf und ließ die Fahrrinne für die Schifffahrt mehrfach vertiefen – zuletzt 2022. Als Folge davon ist die Zahl der Wasserfenchel-Individuen auf wenige Tausend zurückgegangen.
Ausgleich für Eingriffe in die Natur
Zum Ausgleich für die vielen Eingriffe in die Natur versucht der Senat, neue Orte zu schaffen, an denen sich der Schierlings-Wasserfenchel ansiedeln kann. Die von der Hamburgischen Bürgerschaft gegründete Stiftung Lebensraum Elbe hat das schon an vielen Stellen versucht. Vor Kurzem fertiggestellt hat sie ein Projekt im Jenischpark oberhalb der Elbchaussee, wo ein 25 Meter langer Priel gebaggert wurde, in dem sich der Wasserfenchel ansiedeln soll.
Die Tide erreicht den Priel durch ein Siel unter der Elbchaussee. Das künstlich geschaffene Biotop soll einer von vielen Trittsteinen entlang der Elbe werden, über den sich der Wasserfenchel verbreiten und damit erhalten kann.
Das aktuelle Monitoring listet 30 Standorte auf, an denen der Schierlings-Wasserfenchel gefunden oder angesiedelt wurde. An 13 dieser Stelen wurde er angesiedelt, drei der Standorte entstanden durch eine Renaturierung.
Unter den natürlichen Standorten stechen zwei mit jeweils an die 1.000 Individuen hervor, die sich unter starken Ausschlägen nach oben und unten seit 20 Jahren stabil halten. Dazu kommt ein kleinerer mit 50 bis 150 Exemplaren. Bei den meisten Ansiedlungen ist die Zahl der Individuen über die Jahre stark zurückgegangen, oft bis auf wenige Exemplare oder auf Null.
Gut anzulassen scheint sich ein von den Umweltverbänden stark kritisiertes Projekt auf dem Gelände des historischen Hamburger Wasserwerks auf der Elbinsel Kaltehofe. In zweien der Becken, in denen ab 1893 das Wasser der Elbe zu Trinkwasser gefiltert wurde, schuf die Hafenverwaltung HPA eine maßgeschneiderte Mini-Landschaft für den Schierlings-Wasserfenchel. Beim Monitoring 2021 fanden sich dort 683 Individuen, 2023 sogar 2.237.
Längerer Bestand nicht gesichert
Allerdings gab es auch bei den anderen Ansiedlungsprojekten in der Vergangenheit zwischenzeitlich hohe Zahlen, die in den Folgejahren aber wieder stark zurückgingen. Abgesehen von zwei Orten, die längere Zeit besiedelt waren, zeige sich „bei allen bisherigen Ansiedlungen in Hamburg eine deutliche Abnahme der Individuen im zweiten folgenden Monitoringdurchgang“, also im vierten Jahr nach der Ansiedlung. Der Erfolg des Projekts in Kaltehofe ist also auch noch längst nicht gewiss.
Dass sich der Schierlings-Wasserfenchel so schwer halten kann, liegt an der Verschlechterung und damit Verkleinerung seines Lebensraums, wie die Autoren des Monitoring-Berichts ausführen: Die schnellere Strömung lasse die Ufer erodieren. Mit der Erde der Ufer werden die Pflanzen weggerissen. An anderen Stellen lagert sich wiederum weicher Schlick ab, auf dem der Schierlings-Wasserfenchel nicht gedeiht. Schwebstoffe setzen sich auch auf den zeitweilig überschwemmten Pflanzenteilen ab und behindern deren Photosynthese.
Dazu komme wohl auch die ausgeprägtere Ebbe, durch die die Standorte trockener würden. „Die Zukunftsaussichten werden sich weiter verschlechtern, sofern nicht großflächige naturverträgliche Maßnahmen zu einer Verbesserung der hydrodynamischen Verhältnisse führen“, warnen die Autoren.
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