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Inklusives Fußballteam Bremen United„Ihr seid eine Bereicherung für die Liga“

Auch eine 1:30-Niederlage ist dem inklusiven Team vom Bremen United egal. Sie spielen in der Wilden Liga Bremen, abseits des Vereinsfußballs.

Es geht nicht um Egos, sondern ums Team: Chrisdaian Abel (links) und Lale Fischer von Bremen United Foto: Alina Götz

Bremen taz | Am Ende verliert Bremen United 1:30 gegen den FC Energie Kopfnuss. Macht das Spaß? „Mir ist es immer wichtig, dass wir untereinander fair sind, dass die Gegner fair sind, dass wir uns unterstützen“, sagt Lale Fischer. „Der Rest ist mir egal.“ Fischer spielt bei den Allstars, dem inklusiven Team von Bremen United.

Sie spielen in der Wilden Liga Bremen, einer alternativen Liga abseits des Vereinsfußball. Kopfnuss hat fünf Spieler dabei, United gut 15 Spieler*innen. Heute, an einem kalten Märzsamstag, spielen sie in drei rotierenden Teams. „Ihr habt heute nur wenige Minuten“, sagt Trainer Christopher Abraham zu Beginn. „Scheißegal, wie das Ergebnis am Ende ist. Es geht nicht um Egos, wir sind ein Team.“

2020 hat Vorsitzender Daniel Hörmann den Fußballverein gemeinsam mit neun anderen Menschen gegründet. Es gibt nur drei Teams: Männer, Frauen, Allstars. Letzteres ist ein inklusives Team für Menschen mit und ohne Behinderung aller Geschlechter und jeden Alters. „Alle Teams sind innerhalb des Vereins gleichberechtigt“, sagt Hörmann.

Er hat lange Zeit bei der Lebenshilfe Bremen gearbeitet und dort Menschen mit geistiger Behinderung im Alltag begleitet. „Dabei ist mir aufgefallen, dass Sportvereine nicht inklusiv gestaltet sind – wenn es überhaupt Angebote gibt, bleiben die Menschen mit Behinderung meist isoliert unter sich.“ Mit einem eigenen Verein wollte er es besser machen.

Männer, Frauen und Menschen mit Beeinträchtigung

Die Besetzung der Allstars ändere sich permanent. Momentan seien es mehr Männer als Frauen, etwa die Hälfte seien Menschen mit Beeinträchtigung. „Ich frage ja aber auch keine Diagnose ab. Und manche haben keine Diagnose, obwohl sie vielleicht eine haben müssten.“

Chrisdaian Abel spielt im Tor. Normalerweise – heute feuert sie an. Es gibt schon drei Torhüter im Kader, zudem hat sie später noch Handballtraining. Sie erzählt, dass sie sich bei Bremen United wohl fühlt, weil sie gerne mit den Menschen dort zusammen spielt. „Wir sind wie eine große Familie. Das ist das Wichtigste. Und Chris ist der beste Trainer, den es für mich gibt.“

Zu Beginn nahmen die Allstars an keiner Liga teil. „Wir haben erst mal geschaut, ob die Leute Bock auf Wettkampf haben“, sagt Hörmann. 2022 kam dann die Bunte Liga: vier Turniertage für Inklusionsteams aus ganz Norddeutschland. Der nächste Schritt war im April 2024 der Einstieg in die Wilde Liga. „Wir wurden herzlich empfangen. Sie haben gecheckt, dass unser Verein politisch reinpasst.“ Die Liga habe ein gutes Niveau, am Ende sei es aber locker. „Und wenn wir gegen besonders starke Teams spielen, helfen unsere Männer manchmal aus.“

Erster Kontakt mit Menschen mit Beeinträchtigung

Für die Geg­ne­r*in­nen sei ein Spiel gegen die Allstars teilweise der erste Kontakt mit Menschen mit Beeinträchtigung, sagt Hörmann. „Da können Situationen kommen, die etwas mit einem machen. Wie schieße ich, wenn da ein Torwart mit Beeinträchtigung steht? Rein? Oder daneben – aber das wäre dann ja auch diskriminierend? Da fängt etwas an zu arbeiten.“

Team eins fängt sich früh zwei Tore. Dann wird es etwas besser. Kurz bevor die zweite Allstar-Gruppe dran ist, fällt das 3:0. Ein Fernschuss – oder war es eine Flanke? – rutscht dem United-Towart durch die Hände. Der Schütze scheint fast ein schlechtes Gewissen zu haben. Abraham gibt seinem Torwart derweil einen Tipp, wie er es nächstes Mal besser machen kann. Wenig später versucht der gleiche Spieler frei vorm Tor aus spitzem Winkel einen Lupfer – doch der Torwart ziemlich überragend – dafür gibt es eine Umarmung als Beglückwünschung. „Ihr seid eine Bereicherung für die Liga“, wird er nach Spielende sagen.

Sportvereine sind nicht inklusiv gestaltet – wenn es überhaupt Angebote gibt, bleiben die Menschen mit Behinderung meist isoliert unter sich

Daniel Hörmann, Mitgründer und Vorsitzender von Bremen United

Team drei hat am meisten Probleme. „Ruhig bleiben“, „Quatsch nicht so viel von außen rein“ – die Stimmung wird etwas angespannter, aber der Support überwiegt stets. Abraham ruft von der Seite: „Wir haben alle so viele Gegentore gekriegt.“ Die Gegner passen sich dem Niveaus der Allstars-Gruppen ein wenig an, gehen nicht komplett in die Zweikämpfe, lassen die anderen auch mal den Ballbesitz.

Umgangston im Vereinsfußball zu hart

Kommt für die Allstars bald der Vereinsfußball? „Da geht was anderes ab. Ich hätte ein mulmiges Gefühl. Der Umgangston könnte unsere Spie­le­r*in­nen abschrecken“, sagt Hörmann. Auch konditionell seien sie nicht gut aufgestellt. „Wir spielen meist auf dem Kleinfeld. Für unsere Spie­le­r*in­nen ist es zudem gut, wenn wir immer am selben Ort spielen.“ Für die anderen Teams, vermutet Hörmann, wäre eine Begegnung mit den Allstars vielleicht gut. „Aktuell ist es einfach cool, in der Wilden Liga angekommen zu sein.“

Lale Fischer spielt seit Sommer 2024 bei den Allstars, weil sie einen Verein gesucht hat, der lockerer ist als feste Frauenteams. „Mir geht es um das Training und das Gemeinschaftsgefühl – und das ist hier richtig toll.“ Dass sie Teil einer inklusiven Mannschaft ist, ist ihr wichtig. „Alle sagen immer, es muss Inklusion geben. Aber so richtig, zumindest in meinem Alltag, gab es das nicht. Hier nehmen wir aufeinander Rücksicht.“

Etwa nach der Hälfte der Spielzeit fällt tatsächlich das erste Tor für United. „Wenigstens nicht zu null“, brüllt jemand von der Seitenlinie. Kurz vor Ende ruft Abraham: „Letztes Tor entscheidet.“ Versuchen kann man’s ja mal.

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