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Es muss nicht überall KI rein

Künstliche Intelligenz ist die nächste große Umweltgefahr. Wer ihre schädlichen Auswirkungen verhindern will, sollte sich jetzt die großen Fragen stellen

Von Svenja Bergt

Gerade findet eine Art moderner Wettlauf zum Mond statt. Ein technologisches Rennen, bei dem ziemlich viel schiefgehen kann; mit den USA als Hauptakteur, die sich jedoch, wie auch bei der Mondlandung, mit Konkurrenz aus anderen Ländern herumschlagen müssen. Dieses Mal primär aus China, aber auch die EU wäre gerne dabei.

Nun ist das aktuelle Ziel etwas weniger konkret als der Mond, denn es geht darum, in welchem Land die leistungsfähigste künstliche Intelligenz entwickelt wird. KI wird dabei meist begriffen als generative KI: also ein Modell, das Inhalte – Text, Bilder, Audio, Video – erzeugen kann. Dabei wird sich die Steigerungsform von „leistungsfähig“ im Laufe der weiteren technischen Entwicklung natürlich immer wieder ändern. Das verhindert ein bequemes „Fähnchen drauf, Häkchen dran“, wie es bei der Mondlandung der Fall war. Und sorgt dafür, dass die Superlative immer superlativiger werden müssen.

Mehrere globale Unternehmen wollen eine dreistellige Milliardensumme in Rechenzentren investieren? Puh, wen interessiert’s? Na ja, es sind Rechenzentren für künstliche Intelligenz. Und zack, sind alle on fire. Allen voran Donald Trump natürlich, einer der größten lebenden Fans des national-kompetitiven Gehabes.

Aber auch die Europäische Union ist wenig entspannt. Leider. Die ersten Reaktionen nach der 500-Milliarden-Dollar-Investitionszusage aus den USA waren im Wesentlichen ein lautes Nachdenken darüber, ob man hierzulande nicht doch zu stark auf Regulierung setze in Sachen KI und es nicht besser sei, massiv auch staatliche Gelder in die Industrie zu stecken, um beim Wettrennen einen Vorteil zu haben. Als positives Beispiel für solche staatlichen Investitionen dient dabei gerne Airbus, das sich seit Jahrzehnten über massive Subventionen verschiedener europäische Staaten freuen kann. Und dessen Bremer Werk, und hier schließt sich der Kreis, mit der ESA immerhin ein Versorgungsmodul für die Artemis-Mondmissionen baut.

Klar ist: Künstliche Intelligenz wird unser Leben verändern. Drastisch. Ob in der Medizin, in der Schule, in der Kunst oder Kommunikation. Dass auch traditionsreiche Institutio­nen nicht vor dem Wandel gefeit sind, hat erst im Februar die Oscar-Academy gezeigt. Medienberichten zufolge überprüft die Academy, Fil­me­ma­che­r:in­nen ab dem kommenden Jahr verpflichtend angeben zu lassen, ob in ihren Werken KI genutzt wurde. Noch ist diese Angabe freiwillig. Auslöser der Debatte: In drei in diesem Jahr nominierten Filmen – „Emilia Pérez“, „The Brutalist“ und „Like a Complete Un­known“ – kam KI zum Einsatz. Dabei geht es gar nicht mal um wilde Dinge: So wurde etwa für die Produktion von „The Brutalist“ ein Werkzeug verwendet, das den ungarischen Akzent des Hauptdarstellers echter klingen lässt. Im April soll die Entscheidung fallen.

Die Oscars sind ein gutes Beispiel für die Frage: Wie umgehen mit KI? Möglichst früh möglichst viel regulieren, bevor es zu spät ist? Erst mal laufen lassen und schauen, was passiert? Oder sich an einem Kompromiss versuchen, wie auch immer der aussehen mag?

Lassen wir es mit KI erst mal laufen, stehen wir in ein paar Jahren dort, wo wir in Sachen Straßenverkehr heute sind

Diese Frage ist deshalb nicht trivial, weil eine Entwicklung, die lange einfach gelaufen ist, irgendwann faktisch nicht mehr rückholbar wird. Beispiel: Verkehr. Eigentlich müsste allen Menschen, die mal kurz über CO2-Emissionen, Ressourcenverbrauch und Flächenversiegelung nachdenken, klar sein, dass es so nicht weitergeht mit der Zahl der Autos und Straßen. Aber: jetzt Millionen Menschen etwas zu versagen, an das sie seit Jahrzehnten gewöhnt sind? Politischer Selbstmord. Also geht es in der politischen Debatte kaum um die nötige Verkehrswende, sondern nur ihre kleine Schwester, die Antriebswende. Nicht weniger Autos, sondern höchstens weniger Verbrenner.

Lassen wir es also mit KI so laufen, stehen wir in ein paar Jahren dort, wo wir in Sachen Straßenverkehr heute sind. Die Big-Tech-Konzerne erwarten einen derart steigenden Energiebedarf, dass etwa Google sein Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden, wohl nicht halten wird.

Und es ist nicht nur Strom. Training und Anwendung der KI benötigen extrem leistungsfähige Rechner, die gekühlt werden müssen – dabei kommt auch Wasser zum Einsatz. Wie bei fast allen Herstellungsprozessen benötigt auch die Produktion der Hardware Wasser. Wissenschaftlichen Schätzungen von Forschenden der University of California zufolge verbraucht eine aus 20 bis 50 Fragen bestehende Konversation mit dem Textgenerator ChatGPT etwa einen halben Liter davon. Mal eben ChatGPT nach den besten Kuchenideen für einen Kindergeburtstag fragen – nachhaltig geht anders. Dazu kommen die für die Computerchips notwendigen Rohstoffe, die häufig unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut werden. Und natürlich müssen die Chips in kurzen Taktungen ausgetauscht werden, um immer die leistungsfähigsten im Einsatz zu haben.

Zu dem Wettrennen der Nationen kommt also auch das Wettrennen der Unternehmen. Es funktioniert analog zur den Mechanismen der Plattformökonomie: Die Tech-Konzerne werden in KI investieren, koste es, was es wolle – einfach, um die Nummer eins zu sein. Wer die Nummer eins ist, hat die besten Chancen, seine Dienste irgendwann zu Geld zu machen.

Dass die Blicke nun hoffnungsvoll nach China gehen, wo ein Anbieter jüngst ein mutmaßlich energiesparenderes KI-Modell vorgestellt hat, löst das Problem nicht: Je sparsamer die Modelle werden, desto mehr Anbieter werden sie nutzen – der klassische Rebound-Effekt. Je sparsamer also die Modelle, desto mehr Anwendungen und Geräte werden wir sehen, die eine Portion KI verpasst bekommen, ganz egal, ob sinnvoll und gewünscht oder nicht. Wer durch die Haushaltswarenabteilung eines Elektronikmarkts schlendert, findet jetzt schon einen Haufen Geräte, in denen KI steckt: vom Staubsaugerroboter bis zum Kaffeevollautomaten. Wenn die Waschmaschine eine KI bekommt, die anhand der Beladung direkt das optimale Programm einstellen soll, lässt sie sich besser vermarkten. Den Gewinn daran haben vor allem die Hersteller.

In politischen Diskussionen wird KI oft vor allem als Mittel für mehr Wirtschaftswachstum gesehen. Nach dem Motto: Möglichst viel KI-Entwicklung in Deutschland, dann klappt’s auch wieder mit dem steigenden Bruttoinlandsprodukt. Diese Vorstellung ignoriert, dass das Wachstum seit Jahrzehnten in weiten Bereichen darauf beruht, Umwelt zu zerstören und Ressourcen über Gebühr auszubeuten. Wir können das jetzt mit KI alles ein paar Umdrehungen schneller so weiterführen und schauen, wo wir am Ende landen. Der Mond wird es wohl nicht sein – aber wie viel besser das Leben hier auf der Erde dadurch würde, ist fraglich.

Welchen Schleudergang diese Socke braucht, kann eine in die Waschmaschine eingebaute KI berechnen. Aber muss das sein? Foto: Yvonne Röder/plainpicture

Das geht so nicht. Und da haben wir noch nicht mal über andere KI-Probleme gesprochen. Gefahren für die Demokratie durch massenhafte Fake News und Propaganda zum Beispiel, durch intransparente Trainingsdaten – und dass KI quasi systemimmanent strukturkonservativ ist. Schließlich folgert sie aus den Trainingsdaten der Vergangenheit auf Gegenwart und Zukunft.

Wir brauchen daher dringend Strategien dafür, dass KI nicht in allem Möglichen landet, nur weil das gerade im Trend liegt. Und zwar Strategien, die nicht wieder die Verantwortung auf die Nut­ze­r:in­nen schieben. Am besten dafür wäre eine politisch klare und positive Vision des KI-Einsatzes: nicht sagen, was man nicht will, sondern vorantreiben, wo der Einsatz von KI von gesellschaftlichem Nutzen ist – oder wo er aus sicherheitspolitischen Gründen sinnvoll ist. Denn eine KI, die zum Beispiel Lasten im Stromnetz verteilen soll, aus China oder den USA einzukaufen, ist angesichts der aktuellen Lage vermutlich nicht die beste Idee.

Vorschläge für ein ökologisches Mitdenken gibt es: So skizziert zum Beispiel die NGO Algorithmwatch ein Modell, in dem Anbieter verpflichtet werden, beim Bau von neuen Rechenzentren deren Energiebedarf durch erneuerbare Energiequellen und vor Ort zu decken. In Sachen Wettbewerbsfähigkeit müssen solche Einschränkungen nicht einmal ein Nachteil sein. So viel KI wie möglich – das werden die USA und China schon selber machen. Europa kann sich einen eigenen Weg leisten. Es muss sich nur trauen, ihn zu gehen.

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