: Auf der Suche nach dem Glow
Anti-Aging-Produkte versprechen spektakuläre Effekte. Nachhaltiger für das Verlangsamen des Alterungsprozesses sind aber andere Dinge
Von Tanja Tricarico
Die Geschichte beginnt in Prag. Mitten im Touri-Viertel gibt es eine Oase der Schönheit. Betritt man den Laden, schwappt einem eine Welle des Wohlbefindens entgegen: kein Trubel, stattdessen Rosenduft, sanfte Musik. Die Verkäuferin eilt auf die potenzielle Kundschaft zu. Für die jüngere Begleitung hat sie die pastellgrüne Serie im Angebot, duftende Cremes und Peelings gegen Pickel und fettige Haut. Für die ältere Kundin: die rosafarbene Serie. Damit die Augenlider nicht so schlaff wirken und die Fältchen verschwinden, sagt sie und zwinkert. Ein bisschen Glow kann auch nie schaden. Ein Fläschchen Rosenöl kostet schlappe 30 Euro. Das gibt einen tollen Effekt, verspricht die Verkäuferin.
Schlagartig wird der Kundin klar, dass sie wohl keinen Glow mehr hat und dringend etwas tun muss. Während die jüngere Kundin etliche Anti-Pickel-Produkte ins Körbchen gelegt hat, hadert die Ältere noch mit dem Preis für das Anti-Falten-Öl. Und beschließt dann, sich auf das Experiment „Kampf gegen das Altern“ einzulassen. Zum ersten Mal in ihrem Leben.
Mit zunehmendem Alter sind Frauen klar im Nachteil: Hormonmangel führt dazu, dass die Haut labbrig wird, saftlos wirkt. Vielen fallen die Haare aus, mit einem gesunden Schlaf ist es oft auch vorbei. Zusammengefasst: Der Körper verfällt. Bei vielen Frauen ab 50 kommen private Veränderungen dazu: Die Kinder sind aus dem Haus, der Mann sucht sich vielleicht eine Jüngere. Die jüngere Kollegin zieht im Job an einem vorbei. Es sieht also nicht gut aus.
„Dass wir altern, lässt sich nicht vermeiden“, sagt Yael Adler. Adler ist Hautärztin und Ernährungsmedizinerin. Ihr geht es um das Wie. „Altern wir relativ gesund und mit guter Lebensqualität und Lebensfreude, kommen vielleicht auch im Alterungsprozess schöne Aspekte hinzu.“ Zum Beispiel mit guter Ernährung: pflanzliche Kost, Ballaststoffe, wenig Zucker und Salz – ein informiertes, kluges Essen, wie Adler es nennt. Um guten Schlaf sollte man sich auch kümmern, Sport machen, nicht rauchen, Alkohol meiden.
Und: „Einsamkeit ist ein Alterungsfaktor“, sagt Adler. „Es muss nicht immer ein Partner sein, auch Freundschaften und gute zwischenmenschliche Beziehungen helfen, Stress abzubauen und länger zu leben.“
Das alles macht natürlich mehr Arbeit als ein Öl aufzutragen. Das Geschäft mit scheinbar einfachen Lösungen brummt: Cremes gegen Augenfalten, Masken, die die Kerben um die Mundpartie kaschieren, straffende Lotionen für ein strahlenderes Aussehen – das Marktforschungsinstitut straits research schätzt den weltweiten Umsatz mit Anti-Aging-Produkten auf rund 45 Milliarden US-Dollar. Tendenz steigend. Grund für die hohe Nachfrage ist ein steigendes Bewusstsein fürs Altern, aber auch das Berufsbild von „Skinfluencern“, die Frauen nahelegen, dass ihre Haut Aufmerksamkeit und Pflege bedarf. Für nachhaltigere Effekte wird schweres Geschütz empfohlen: Spritzen oder Ampullen mit Anti-Alterungs-Seren sollen die Haut lange faltenfrei machen.
„Beim Thema Haut ist Sonnenschutz das A und O, außerdem sollte man für ein gesundes Hautgefühl und weniger Entzündungen nicht alles abseifen“, sagt Adler. Also lieber die großen Hautflächen nur mit Wasser waschen, damit die Haut nicht austrocknet. Dann würde man schnell sehen, dass die Haut doch mehr Fett produziert und sich zu großen Teilen selbst schützt. Und bloß nicht zu viele Produkte mischen. Minimalismus statt Überbeautyfication.
Aber nach einer Maske mit Hyaluronsäure ist eine gewisse „Saftigkeit“ doch nicht eingebildet? Adler spricht von einem kurzfristigen Effekt. Hyaluronsäure bindet das Wasser für ein paar Stunden und die Haut sieht praller aus. An die tieferen Hautschichten kommt sie aber nicht ran.
Das Rosenöl ist inzwischen leer. Der eine oder andere Glow-Effekt war zwar dabei. Aber die Augenfalten sind immer noch da. Nachschub hat die ältere Kundin sich noch nicht besorgt.
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