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Keine Waffenruhe in Sicht

Nach dem Telefonat von Putin und Trump kam es zu heftigen Luftangriffen in der Ukraine. Selenskyj spricht mit Trump über weitere Schritte eines Waffenstillstands

Doch nicht so einig? Trump widersprach Darstellung der Putin-Regierung nach dem Gespräch deutlich Foto: Anton Vaganov /reuters

Aus Kyjiw Bernhard Clasen

Bereits wenige Stunden nach dem Telefonat zwischen Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump zeigen die fortgesetzten Luftangriffe: Einen Waffenstillstand wird es so schnell nicht geben. In der Nacht auf Mittwoch nehmen die Explosionen über Kyjiw, Sumy, Kramatorsk, Saporischschja und anderen ukrainischen Städten zu. Und das in einer Intensität, wie man sie seit mehreren Tagen nicht mehr beobachtet hatte. Auch die Ukraine griff in den Stunden nach dem Telefonat Ziele in Russland an.

Das Telefonat ist einer der vielen Versuche Putins, über den Kopf der Ukraine hinweg einen Diktatfrieden zu erzwingen. Trump sprach erst einen Tag später, am Mittwochnachmittag mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj. Auf einer Pressekonferenz mit dem finnischen Staatspräsidenten Alexander Stubb in Helsinki gab Selenskyj an, über die kommenden Schritte und weitere Details einer diskutierten Waffenruhe zu sprechen.

Die Ergebnisse des Gesprächs mit Putin blieben weit hinter den Erwartungen zurück, die Trump mit seiner Rhetorik geweckt hatte: Russland wolle die Angriffe auf das ukrainische Energiesystem einstellen, ein großer Gefangenenaustausch sei geplant, die russisch-amerikanischen Verhandlungen zur Beendigung des Krieges sollen im Nahen Osten ab Sonntag weitergeführt werden. Außerdem gibt das russische Verteidigungsministerium an, dass man eigene Drohnen abgeschossen habe, um zu verhindern, dass sie in die Ukraine fliegen. Diese Situation zeigt auch, dass die beste Vereinbarung nicht viel wert ist, wenn nicht gleich­zeitig Mechanismen ihrer Umsetzung und der Überwachung der Umsetzung vereinbart werden.

Man kann davon ausgehen, dass sich Trump von diesem Telefonat mehr versprochen hatte

Man kann davon ausgehen, dass sich Trump von diesem Telefonat mehr versprochen hatte. Wäre das Gespräch wirklich erfolgreich gewesen, hätte er auch die angekündigte Pressekonferenz abgehalten. Dieses Mal ist es Trump, der die schlechteren Karten hat. Er ist der Bittsteller. Er will einen schnellen Waffenstillstand – und in der Perspektive den Friedensnobelpreis. Bezeichnend ist derweil, dass sich der Kreml und die US-Regierung bei ihren Statements nicht abgesprochen haben. Während Moskau Angriffe auf die Energieinfrastruktur aussetzen will, gehe es laut Washington um Beschüsse der Energie- und Infrastruktur. Unklarheiten gab es auch über das Aussetzen von Militärhilfen. Der Kreml teilte nach dem Telefonat mit, dass „die vollständige Einstellung der ausländischen Militärhilfen und der Bereitstellung von Geheimdienstinformationen an Kyjiw“ für ein Ende des Ukrainekriegs nötig seien. Im Fox News-Interview sagte Trump am Dienstagabend aber, er habe mit Putin „eigentlich überhaupt nicht“ über die Hilfen für die Ukraine gesprochen.

Wolodymyr Fesenko, der wohl einflussreichste Politologe der Ukraine, kann der Einigung etwas Positives ­abgewinnen. Auch Putin habe vieles von dem, was er wollte, nicht ­bekommen. Und es sei eine Ironie des Schicksals, dass man sich nun mit dem angekündigten Verzicht auf einen Beschuss der Energieversorgung auf etwas geeinigt habe, was Selenskyj vor zwei Wochen vorgeschlagen habe. Nun gelte es, so der Politologe auf seiner Facebook-Seite, dass man sich an die Einrichtung von ­Arbeitsgruppen aus Experten der USA, Russlands und der Ukraine mache, die über Details des Stopps der Angriffe auf Häfen und Infrastruktur verhandelten. Offensichtlich laufe es auf einen Waffenstillstand in Etappen hinaus. Bei diesem, so Fesenko, sei der erste Schritt die Einstellung des Beschusses von Häfen und Objekten der Energie­infrastruktur. Ein zweiter Schritt wäre ein Waffenstillstand in der Luft und auf See. Erst dann könne man die Beendigung der Kampfhandlungen an Land angehen. Vor diesem Hintergrund, sei es unrealistisch, auf einen Waffenstillstand vor Ostern zu hoffen.

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