: Gefährlicher als das Böse ist die Dummheit
Mit brutalem Tempo wird derzeit versucht, demokratische Institutionen zu zerstören und Mitmenschlichkeit zu diskreditieren. Es ist ein Kampf um unsere innere Freiheit.

Von Stefan Hunglinger
Trump ist nicht Hitler, Merz nicht Trump. Von ihrer Zack-zack-Politik darf man sich trotzdem nicht für dumm verkaufen lassen. Denn: „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit“.
Diesen Gedanken notierte der Widerstandstheologe Dietrich Bonhoeffer 1943 im Nazi-Gefängnis. Dummheit war für ihn keine Frage des IQ: „Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind.“ Dummheit sei kein geistiger Defekt, sondern eine menschliche Schwäche.
Eine Schwäche, die Machthungrige bewusst nutzen und verstärken, indem sie Vorurteile schüren. Indem sie ständig Krise, Eile und Ausnahmezustand rufen und ihre Mitmenschen damit überfordern, überwältigen. So werde dem „Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt“, schreibt Bonhoeffer, er werde missbraucht, dumm gemacht.
In der Tat kann einem schwindlig werden angesichts der Fülle und Geschwindigkeit an Lügen, die gekränkte starke Männer und vereinzelte Frauen über Geflüchtete, Queers und ihre Verbündeten verbreiten. Als wären die schuld an den kalifornischen Feuern, an schlechten Renten und einstürzenden Brücken. An mangelnden Zahnarztterminen. „Flooding the zone with shit“, hat Trumps Ex-Berater Steve Bannon diese Strategie einmal genannt. Und auf beiden Seiten des Atlantiks gehen ihr zu viele Menschen auf den Leim.
„Daß der Dumme oft bockig ist“, schrieb Bonhoeffer, „darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat.“
Vernunft helfe da nicht mehr. „Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch –, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseite geschoben werden.“
Alles scheint erlaubt, nichts unmöglich. So kann sich der Trumpismus sogar an Bonhoeffer selbst vergreifen. Den antifaschistischen Bonhoeffer-Begriff „billige Gnade“ verbiegt das Project 2025 ins Gegenteil, wenn es ihn gegen jene richtet, die sich für das Recht auf Asyl einsetzen. Dabei war für Bonhoeffer klar: „Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören.“
Ein Satz, den auch der Chef der Christlich Demokratischen Union bedenken könnte.
Ausgerechnet nach der Bundestags-Gedenkstunde für die Opfer des Holocausts verschaffte Merz der AfD ihren ersten Abstimmungserfolg im Parlament. Schon früher im Wahlkampf sagte er, dass man straffälligen Doppelstaatlern die Staatsbürgerschaft entziehen sollte. Zack, zack. Viele fühlten sich bei dieser Entgleisung an die Ausbürgerungen der Nazis erinnert.
Als die Kirchen protestierten, drohte CSU-Chef Markus Söder: „Nicht vergessen, wer am Ende noch an der Seite der Institution Kirche steht. Das sind nämlich wir. Nicht dass irgendwann man ganz plötzlich alleine steht“.
Wie Trump wollte Merz am Tag 1 per Dekret die Grenzen Deutschlands schließen. Zack, zack. Dabei wusste er, dass das Grundgesetz dem Kanzler aus gutem historischen Grund solche Macht gar nicht zugesteht. Egal. Was zählt, sind markige Effekte. Die Lüge dahinter aber nutzt nur den Rechtsextremen.
Von der „Stimmung im Land“ reden die Zack-zack-Politiker gerne. Ihre Rolle als Stimmungsmacher, als Dummmacher, spielen sie herunter. Und viele Wohlmeinende machen ängstlich mit. Bonhoeffer schrieb: „Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.“
Schon im Wahlkampf wusste Merz, dass er mit SPD oder Grünen koalieren wird müssen. Da schien mal wieder ein Signal für rechtsaußen angebracht. Eine ganz kleine Anfrage vielleicht mit 551 Fragen zu kritischen NGOs und journalistischen Vereinen. Inklusive Raunen vom „tiefen Staat“. Ein bisschen Beschimpfung der Omas gegen Rechts hier, ein bisschen Lügen über die Gedenkdemos für Walter Lübcke dort.
Wer will bei solchen Aufregern noch Finanzpläne nachrechnen oder an Wahlversprechen denken? Wen interessiert noch Trumps Geschwätz von gestern? Zack, zack. Zick, zack.
Trump ist nicht Hitler, Merz nicht Trump. Das heißt aber nicht, dass ihre Lügen nicht zu Gewalt führen können, dass sie der Demokratie nicht massiv schaden.
„Innere Befreiung“ brauche es, um der Verdummung zu widerstehen, schreibt Bonhoeffer. Er hatte dafür das Gebet zur Verfügung. Doch auch alle anderen können innere Freiheit und Empathie üben.
Warum nicht fünf Dinge suchen, die man regelmäßig an den Fingern abzählen kann, Antifa ist schließlich Handarbeit. Daumen: Ich rufe Menschen an, die vielleicht besonders besorgt sind. Zeigefinger: Ich konzentriere mich auf ein Politikfeld und schaue regelmäßig hin. Mittelfinger: Ich protestiere, auch beim Friseur oder im Wirtshaus. Ringfinger: Ich heirate jemanden ohne deutschen Pass oder richte einen Dauerauftrag ein. Kleiner Finger: Ich übe keinen vorauseilenden Gehorsam und breche mit Humor rechte Erzählungen auf.
Die taz-Kollegin Malene Gürgen hat fünf andere Dinge gefunden, der US-Historiker Timothy Snyder 20 Lektionen für den Widerstand. An Ideen, wie sich die innere und damit die äußere Freiheit verteidigen lassen, mangelt es schon mal nicht.
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