piwik no script img

Diskreditierung mit Methode

Die AfD versucht die Arbeit von psychosozialen Zentren mit Geflüchteten schlechtzureden. Die Betroffenen wehren sich

Von Susanne Memarnia

Die AfD versucht, mit einer parlamentarischen Anfrage die Berliner Angebote an psychosozialer Unterstützung für Geflüchtete zu diskreditieren und Angst vor Gewalttaten durch Geflüchtete zu schüren. In der Schriftlichen Anfrage von Ende Januar (Nr. 19/21585) will sie unter anderem wissen, wie viele Asylbewerber „mit psychischen Erkrankungen“ seit 2014 nach Berlin gekommen seien, wie viele „Vorfälle durch offensichtlich psychisch gestörte Täter“ es gegeben habe, welche Einrichtungen in Berlin sich um solche Menschen kümmern – und was diese kosten.

Nun wehren sich die angesprochenen Vereine Xenion und Zentrum Überleben, die als Psychosoziale Zentren Beratungen und Therapien für traumatisierte geflüchtete Menschen anbieten, sowie das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Menschen (BNS), das Fachstellen in dem Bereich koordiniert. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, man beobachte mit Sorge „die zunehmende Diskreditierung zivilgesellschaftlicher Arbeit mithilfe der Instrumentalisierung parlamentarischer Befugnisse durch rechte Parteien“. Mitgemeint ist hier auch die CDU-Anfrage im Bundestag von voriger Woche, in der die staatliche Unterstützung von NGOs, die sich gegen rechts positionieren, offen infrage gestellt wurde. „Inmitten einer in weiten Teilen faktenfreien Debatte über Asyl und Migration versucht die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, psychosoziale Unterstützung für traumatisierte Geflüchtete zu hinterfragen“, heißt es in der Erklärung.

Schon der Ton der Anfrage, in der von „psychisch gestörten“ oder „psychisch kranken“ Asylbewerbern die Rede ist, sei unangemessen und diffamierend, erklärt Janina Meyeringh vom Geschäftsleitungsteam bei Xenion. Es gehe schließlich um Menschen, die in ihrer Heimat schwere Menschenrechtsverletzungen erlebt hätten und traumatisiert seien, sagte sie am Montag der taz. „Die wichtige Frage ist: Was brauchen diese Menschen, damit sie ihr Trauma verarbeiten können? Dies hängt maßgeblich von den Lebensbedingungen danach ab“, erklärt die Psychotherapeutin. Viele Geflüchtete entwickelten erst hier psychische Folgeerkrankungen aufgrund ihrer unsicheren Lebenssituation und sozialen Isolation, der permanenten Angst vor Abschiebung, alltäglichen Rassismuserfahrungen. „Umso wichtiger sind die sozialen Unterstützungsangebote von Xenion, Zentrum Überleben und anderen.“

Die Infragestellung dieser Arbeit durch die AfD sowie die migrationsfeindliche Stimmungsmache von Teilen der Politik insgesamt brauche daher eine starke gesellschaftliche Antwort, so Meyeringh. „Wir lassen uns davon nicht einschüchtern und freuen uns über den breiten solidarischen Rückhalt von vielen Menschen und Organisationen aus der Zivilgesellschaft.“ Tatsächlich hat die Veröffentlichung der Anfrage samt der Stellungnahme Ende voriger Woche auf Instagram mehrere hundert Likes bekommen, darunter von Moabilt hilft und der AWO Berlin-Mitte.

Panzer und Zerstörung: Ukrainische Kinder verarbeiten ihre Erlebnisse im Ankunftszentrum mit Bildern Foto: Stefan Boness

Die Linke-Abgeordnete Elif Eralp sagte der taz: „Die AfD nutzt das parlamentarische Fragerecht nicht, um Informationen zu erhalten, sondern vor allem um Organisationen wie das BNS und Xenion, die ihre Arbeit gewissenhaft machen und Geflüchtete unterstützen, zu denunzieren und gegen sie zu hetzen.“

Was die Integrationsverwaltung von der Anfrage hält, geht aus der letzten Antwort deutlich hervor. Die Träger seien „aus langjähriger Zusammenarbeit als kompetente Part­ne­r*in­nen bekannt“, schreibt Staatssekretär Aziz Bozkurt (SPD). Ihre Arbeit sei aus gesundheitspolitischer und teilhabespezifischer Sicht wichtig, „nicht zuletzt, um eine langfristige oder generationenübergreifende Belastung und Behandlungsnotwendigkeit auszuschließen“, was das Land am Ende viel teurer käme.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen