Extrem hohe Sicherheitsvorkehrungen: Prozessauftakt gegen mutmaßliche Hamas-Mitglieder
In Berlin stehen vier Männer vor Gericht, die Hamas-Operateure sein sollen. Ihre Aufgabe war wohl, Waffenlager zu unterhalten. Bislang schweigen sie.
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Die vier Angeklagten, Ali Al A. Mohamed B., Ibrahim El R. und Nazih R. sollen sogenannte Auslandsoperateure der Hamas gewesen sein, so steht es in der Anklageschrift, die Bundesanwalt Jochen Weingarten verliest. Die vier in ihren Kabinen verziehen keine Miene. Dabei sind die Vorwürfe schwerwiegend, auf Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung stehen bis zu 10 Jahre Haft.
Alle vier wurden im Libanon geboren und lebten mit Ausnahme des Niederländers R. zuletzt in Berlin. Sie sollen laut Anklage direkte Verbindungen zu den Qassam-Brigaden gehabt haben, dem militärischen Flügel der Hamas, die auch deren Auslandsoperationen verantwortet. Zum Vizekommandeur der Qassam-Brigaden im Libanon, Khalil al-Kharaz, sollen sie „engen persönlichen Kontakt“ gehabt haben. Als al-Kaharaz bei einem Angriff der israelischen Luftwaffe im November 2023 getötet wurde, soll El R. in den Libanon geeilt sein, um als Sargträger bei der Beerdigung zu fungieren.
Im Herbst 2023 – also in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Massaker vom 7. Oktober – sollen die vier Angeklagten versucht haben, Waffen zu organisieren. Dafür sollen Sie immer wieder in wechselnder Besetzung nach Polen gereist sein, um dort ein geheimes Erddepot mit Waffen ausfindig zu machen, das von anderen Hamas-Mitgliedern Jahre zuvor angelegt worden war. Die Suche blieb aber erfolglos, auch nachdem die Angeklagten neue GPS-Geräte kauften und mehrmals in den Libanon reisten, um persönlich genauere Ortsangaben entgegenzunehmen.
Über 50 Zeugen geladen
Erfolgreich soll El R. dagegen ein paar Jahre zuvor gewesen sein. Er ist deshalb als einziger der vier auch noch wegen Verstößen gegen Waffenrecht und Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagt. 2019 soll er selbst ein Waffenversteck in Bulgarien angelegt haben. Darin soll er ein vollautomatisches Sturmgewehr und mindestens vier Pistolen sowie Schall- und Mündungsfeuerdämpfern deponiert haben. Im selben Jahr soll er außerdem ein anderes Versteck in Dänemark ausgeräumt haben und mindestens eine Pistole mit nach Deutschland genommen haben.
Die Bundesanwaltschaft sieht einen Zusammenhang zwischen all diesen mutmaßlichen Tätigkeiten und konkreten Anschlagsplänen der Hamas. Die Organisation habe auch in Europa Angriffe auf jüdische, israelische oder US-amerikanische Einrichtungen vorbereitet, heißt es in der Anklage. In Deutschland seien dafür etwa die israelische Botschaft, der US-Stützpunkt Ramstein sowie das Tempelhofer Feld in Berlin als Ziel diskutiert worden. Doch für eine Anklage wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gegen die vier reicht die Indizienlage der Bundesanwaltschaft offenbar nicht.
Aufmerksam wurden die deutschen Sicherheitsbehörden auf die vier, nachdem ein ausländischer Geheimdienst Hinweise gegeben hatte. Viel spricht dafür, dass es der israelische Mossad war. Am 14. Dezember 2023 nahmen die deutschen Sicherheitsbehörden dann Al A., B. und El R. fest. Zeitgleich verhafteten niederländische Polizisten auch R.
Der Prozess gegen die vier dürfte sich ziehen. Der erste Prozesstag war nach Verlesung der Anklage geprägt von Vorgeplänkel. Der Anwalt von R. kündigte an, sein Mandant werde schweigen. B.s Anwalt stritt in einer Vorbemerkung jegliche Schuld seines Mandanten ab und brachte die „Alternativthese“ ein, sein Mandant sei lediglich als Taxifahrer tätig gewesen und habe in dieser Funktion die anderen Angeklagten nach Polen gefahren.
Eine Sprecherin des Kammergerichts rechnete mit einer „umfangreichen Beweisaufnahme“ mit über 50 Zeug*innen und Sachverständigen. Bislang sind 57 Termine bis in den Dezember angesetzt. Ob noch dieses Jahr ein Urteil fällt, ist ungewiss.
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