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In die Psychiatrie nach tödlichem Stoß am Bahnhof

Ein 19-Jähriger ist verantwortlich für den tödlichen Treppensturz eines Mannes in Uelzen. Das Lüneburger Landgericht hält ihn für gefährlich, aber schuldunfähig

Der 19-Jährige, der einen 55-Jährigen im Bahnhof Uelzen getötet hat, muss dauerhaft in die Psychiatrie. Eine Jugendkammer des Lüneburger Landgerichts folgte in ihrem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte stieß im vergangenen Juli den 55-Jährigen die Treppe hinunter, um an sein Mobiltelefon zu kommen. Das Opfer starb an einem Schädel-Hirn-Trauma (taz berichtete).

Bei dem Täter handelt es sich um einen Marokkaner, der seit vergangenem Juni in einer Unterkunft für Asylbewerber im niedersächsischen Uelzen wohnt. Er stand nach Auffassung der Kammer unter dem Einfluss einer paranoiden Schizophrenie. Er wurde nach Erwachsenenstrafrecht wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt, das Gericht sah weder Habgier noch Heimtücke. Die Kosten des Gerichtsverfahrens und die der Nebenkläger muss er tragen. Das Urteil in dem Sicherungsverfahren ist noch nicht rechtskräftig.

Der Beschuldigte verfolgte die Urteilsverkündung mit regungslosem Blick. Eine Dolmetscherin übersetzte die Begründung der Vorsitzenden Richterin Silja Precht. „Es handelte sich um ein sehr tragisches Geschehen. In der Tat, es hätte jeden treffen können“, führte sie aus.Er habe sich hinter einer Mauer an einer Bahnsteigtreppe versteckt, sei auf den 55-Jährigen zugeprescht und habe ihn mit Wucht vor den Brustkorb getreten. „Er hat den Tod billigend in Kauf genommen“, sagte Precht. Der junge Mann sei aber wegen seiner psychischen Probleme nicht im klassischen Sinn zu bestrafen.

„Er behauptet, eine frühere Freundin habe ihn verhext“, ergänzte sie. Von Menschen mit verschiedenen Gesichtern und einem Metallstift im Bauch, über den er kommuniziere, habe er dem Gutachter berichtet. Zudem habe er regelmäßig zum Beispiel Marihuana konsumiert, was ebenfalls Einfluss auf die Erkrankung und seine Wahnvorstellungen genommen haben könnte.

Dennoch gehe eine erhebliche Gefahr von ihm aus, begünstigt durch den Drogenkonsum. Der psychiatrische Sachverständige kommt im Gutachten zu dem Schluss, dass eine um mehr als das Siebenfache erhöhte Wahrscheinlichkeit für weitere Gewalttaten gegeben sei.

„Es handelte sich um ein tragisches Geschehen. In der Tat, es hätte jeden treffen können“

Silja Precht, Vorsitzende Richterin

Im Prozess schwieg er. Der Verteidiger des Beschuldigten, Moritz Klay, ließ offen, ob er Revision einlegen werde. Die Unterbringung werde jährlich überprüft, sagte ein Gerichtssprecher, aber die Dauer des Aufenthalts in der geschlossenen Anstalt könne sehr lang sein. (dpa)

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