Ugandischer Aktivist über Aus von USAID: „Es stehen Menschenleben auf dem Spiel“
Trumps Regierung hat die US-Entwicklungshilfeagentur USAID eingestellt. Was das für Marginalisierte in Uganda bedeutet, erklärt Aktivist Richard Lusimbo.

taz: Herr Lusimbo, wie haben Sie reagiert, als Sie von Donald Trumps Entscheidung hörten, die US-Entwicklungsagentur USAID zu suspendieren und die amerikanischen Entwicklungsgelder zu streichen?
Richard Lusimbo: Ich bin einfach eingefroren für einen Moment. Und als ich dann aus dieser Schockstarre wieder erwachte, war meine erste Reaktion: „Oh mein Gott, was für ein Chaos.“ Weil es einfach keine Zeit gab, sich darauf vorzubereiten. Die Botschaft, die Trump damit aussendete, war ziemlich klar, nämlich: „Wir machen, was wir wollen.“ Und ich denke, für mich war genau das der wirklich beängstigende Faktor.
Die Person
Richard Lusimbo, Jahrgang 1986, setzt sich seit vielen Jahren für sexuelle Minderheiten in Uganda ein. Als die Regierung 2014 ein Anti-Homosexualitäts-Gesetz einführte, outete ihn die Boulevardzeitung „RedPepper“ als schwul. Es folgten Drohungen, Lusimbo musste untertauchen.
Die Organisation
2018 gründete Lusimbo in Kampala die Uganda Key Populations Consortiums (UKPC), einen Dachverband für kleine NGOs, die sich für Marginalisierte einsetzen: Sexarbeiter:innen, Teenage-Mütter, Queers, Drogenabhängige und HIV-Positive.
taz: Sie sind Gründer und Geschäftsführer von UKPC, der Uganda Key Populations Consortiums. Das ist ein Dachverband für zahlreiche NGOs, die mit Minderheiten arbeiten, die in Uganda sonst keinen einfachen Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Warum haben Sie UKPC gegründet?
Lusimbo: Ich komme selbst aus der LGBTQI-Community und engagiere mich seit 20 Jahren für unsere Rechte. 2018 habe ich UKPC gegründet, weil ich einen Studiengang in Öffentlicher Gesundheitsversorgung absolviert habe und mich in diesem Bereich für Minderheiten einsetzen wollte. Sexarbeiter:innen oder HIV-Positive sind in Uganda marginalisiert und stigmatisiert. Die LGBTQI-Community ist zudem durch das harsche Anti-Homosexualitäts-Gesetz kriminalisiert. Meine Idee war also, eine Plattform zu schaffen für Projekte, die sich für diese Minderheiten einsetzen. Damit sie Zugang zu Behandlungen oder auch Präventionsprogrammen erhalten. Unter unserem Dachverband haben wir 127 Organisationen. Wir koordinieren deren Aktivitäten, vor allem das Fundraising.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
taz: Wie wichtig war für Ihre Mitgliedsorganisationen bislang die Finanzhilfe von Seiten der US-Entwicklungsagentur USAID?
Lusimbo: Die war extrem signifikant. Wir sind wirklich darauf angewiesen, weil es nämlich nicht so viele Spender in diesem Bereich gibt. Wir haben mit diesen Geldern Zentren aufgebaut, die sichere Räume geschaffen haben, in denen Patient:innen Zugang zu Dienstleistungen erhalten konnten, weil sie eben nicht vom staatlichen Gesundheitsministerium, sondern von unseren Mitglieds-NGOs betrieben wurden. All diese Zentren wurden von US-Geldern finanziert. Und jetzt sind sie quasi komplett stillgelegt. Sie können jetzt keine HIV-Medikamente und Kondome mehr ausgeben, oder andere Präventionsbehandlungen durchführen.
taz: Welche Folgen kann das nach sich ziehen?
Lusimbo: Ich mache mir Sorgen, dass Menschen, die lebensrettende HIV-Medikamente einnehmen, Gefahr laufen, an Aids zu erkranken oder schwach zu werden und zu sterben. Außerdem werden die HIV-Infektionsraten steigen, weil Leute keinen Zugang zu Präventionsangeboten haben, die wir in diesen Zentren kostenlos zur Verfügung stellen.
taz: Die US-Administration hat aber doch angekündigt, dass gewisse lebensrettende Maßnahmen, beispielsweise die HIV-Medikamente, von der Suspendierung ausgenommen werden?
Lusimbo: Es gibt viel Verwirrung hinsichtlich dieser Ausnahmeregelungen. Die Kommunikation der US-Regierung selbst ist komplett konfus. Aber was konkret passiert, ist, dass unsere NGOs ihre Utensilien wie Kondome oder Medikamente von größeren Partnerorganisationen erhalten. Was da in den Warenlagern liegt, ist aber nicht genug, um 90 Tage zu überbrücken. Und dann gab es auch Verwirrung darüber, was die Bereitstellung von Dienstleistungen für die LGBTQI-Gemeinschaft oder Sexarbeiter angeht – ob diese Betroffenen nun unter die Ausnahmeregelung fallen oder nicht. Zum Beispiel wurde klar gesagt, dass HIV-Präventionsmedikamente, also die, die HIV-Übertragung unterbinden, nur an Schwangere ausgegeben werden, um bei der Geburt die Übertragung auf das Kind zu verhindern. Andere Menschen, deren Ehegatten oder Sexpartner HIV-positiv sind, haben aber keinen Zugang mehr dazu. Fakt ist, wenn ich mir all diese Regeln nun angucke: Die LGBTQI-Community weltweit ist davon ausgenommen.
taz: Was bedeutet das denn letztlich im großen Ganzen?
Lusimbo: Die Trump-Regierung zeigt, dass sie kein Interesse daran hat, LGBTQI und andere marginalisierte Gruppen zu schützen. Ich denke aber, dass das etwas ist, was wir wirklich ansprechen und einfordern sollten. Sieht man sich nämlich die Erklärungen auf hoher Ebene an, hat sich auch die US-amerikanische Regierung in den UN-Global-Development Goals verpflichtet, HIV und Aids bis 2030 auszumerzen. Das ist aber nicht zu schaffen, wenn LGBTQI und andere marginalisierte Gemeinschaften außen vor bleiben.
taz: Was heißt das ganz konkret für Ihre Organisation?
Lusimbo: Nun, wir hatten einen Vertrag mit USAID. Dieser wurde uns genau eine Woche nach der Entscheidung Trumps gekündigt: Wir bekamen ein Brief, in dem steht, dass der ganze Vertrag sofort endet, fristlos. Dabei wurden 70 Prozent unseres Budgets von USAID bereitgestellt. Wir haben ein Team von insgesamt 35 Angestellten und davon musste ich noch am selben Tag 28 entlassen. Das bedeutet, dass 28 Familien von einem Tag auf den anderen kein Einkommen mehr haben für Lebensmittel, für Schulgebühren…
taz: Mussten Sie dann auch direkt Programme schließen?
Lusimbo: 15 der Leute, die ich entlassen musste, arbeiteten in unserem Notfallzentrum. Wir sind für die LGBTQI-Community in Uganda die wichtigste Anlaufstation in Notfällen. Einige werden von ihren Familien oder Vermietern rausgeworfen, dann können sie bei uns eine Weile unterkommen. Wir haben monatlich zwischen 50 und 100 Fälle, wenn LGBTQI-Leute geschlagen werden und medizinisch versorgt werden müssen. All diese Projekte mussten wir direkt schließen, weil wir nun nicht mehr die Kapazitäten haben, weder finanziell noch personell.
taz: Sie sind in Uganda bekannt als Kritiker des Gesundheitssystems und des Missmanagements in dem Bereich. Welche Folgen wird das für das ganze Land haben?
Lusimbo: Der gesamte Sektor ist im Moment eingefroren. Klar, wir hören Regierungsbeamte sagen, dass alles in Ordnung sei, ganz nach dem Motto: „Wir werden das schon regeln.“ Diese Leute sind wohl noch nicht in der neuen Wirklichkeit aufgewacht. Rund 400 Millionen US-Dollar für HIV-Programme sind weg. Geld für Malaria-Programme ist weg. Dasselbe gilt für Tuberkulose, eine der häufigsten Todesursachen. Und wenn man sich die Finanzierung von Seiten der USA ansieht, wurden damit auch die Gehälter vieler Gesundheitsdienstleister bezahlt. Das bedeutet, dass im Moment weniger Gesundheitspersonal zur Arbeit geht. Dies hat zur Folge, dass das Leben vieler Menschen gefährdet ist, weil dann vielleicht in einem Krankenhaus nur noch ein oder zwei Ärzte Dienst haben – aber genauso viele Patienten wie vorher behandeln müssen.
taz: Hat das Gesundheitsministerium darauf reagiert und Maßnahmen angekündigt?
Lusimbo: Das Gesundheitsministerium hat vor ein paar Tagen ein Rundschreiben herausgegeben, in dem es heißt, dass es eine Integration geben wird: indem unsere HIV-Dienste in den Mainstream-Sektor verschoben werden. Aber unsere Antwort darauf ist klar: Man verschiebt nicht einfach Dinge, die aus einem bestimmten Grund so strukturiert waren. Es gibt nämlich Probleme mit Stigmatisierung und Diskriminierung in den normalen Krankenhäusern. Das ist die Art von Chaos, mit der wir es zu tun haben. Was wir bislang nicht sehen, ist, dass das Gesundheitsministerium beim Parlament einen Antrag auf ein Nachtragsbudget stellt, das nun im laufenden Haushaltsjahr noch bewilligt wird, um die Finanzlücken zu schließen. In dieser Hinsicht reagiert die Regierung extrem langsam. Dabei stehen doch jetzt Menschenleben auf dem Spiel.
taz: Ugandas Gesundheitssystem ist ohnehin überlastet. Wir haben hohe Fallzahlen von Mpox, wir haben einen Ebola-Ausbruch. Macht Ihnen das Sorgen?
Lusimbo: Absolut. Es ist sehr beängstigend, denn wir befinden uns in einem Moment, in welchem das ganze System personell ohnehin überlastet ist. Und ich denke, dass wir schnell sehen werden, wie jetzt alles anfängt zu bröckeln. Das könnte tatsächlich zu einem sehr beängstigenden Moment werden. Die Lage könnte leicht außer Kontrolle geraten. Dabei sollte gerade die Vorsorge vor weiteren Pandemien aus einer globalen Perspektive betrachtet werden. Denn Corona hat ja gezeigt: Wir leben in einem globalen Dorf. Deshalb sollte jede Pandemieprävention ein Anliegen der ganzen Welt sein.
taz: Was ist nun die Lösung?
Lusimbo: Ich denke, langfristig kommen wir um eine grundlegende Umstrukturierung unseres Staatshaushaltes nicht herum. Dies ist längst überfällig. Wir haben extrem hohe Ausgaben für die Verwaltung und für Bereiche wie Sicherheit und Verteidigung. Vielleicht sollten einige dieser Budgets gekürzt werden. Kurz- und mittelfristig jedoch müssen wir zumindest für dieses Haushaltsjahr die Lücken schließen.
taz: Wie könnte das kurzfristig gehen?
Lusimbo: Im Moment müssen wir ernsthaft darüber reden, wie private Wohltätigkeitsorganisationen in Gesundheit investieren können. Und andere westliche Regierungen, zum Beispiel die deutsche, müssen überlegen, ob sie nun einspringen können. Uganda hat zwar auch Freunde in Russland oder China – aber diese Regierungen sind ideologisch sehr weit davon entfernt, marginalisierte Communitys zu unterstützen. Wenn der Westen uns jetzt alleine lässt, dann werden Regierungen wie die in Uganda noch extremer gegen uns Minderheiten vorgehen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!