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Schluss mit lustig

Moritz Neumeiers Podcast „Was will die AfD?“ verzichtet weitgehend auf den für ihn typischen erleichternden Witz. Er schlägt vor, den Rechten mit radikaler Höflichkeit entgegenzutreten

Der Comedian Moritz Neumeier engagiert sich gegen rechts. Mit seinem neuen Podcast wagt er einen radikalen Stilbruch Foto: Daniel Dittus

Von Anna Hollandt

Ein Comedian, der nicht lustig ist – das kommt vor. Aber einer, bei dem genau das empfehlenswert ist? Ungewöhnlich. Und ein Zeichen dafür, wo wir gerade in Deutschland stehen. Moritz Neumeier hat mit „Was will die AfD?“ einen Podcast veröffentlicht, der keinen Spaß macht – und genau deswegen gehört werden sollte.

Moritz Neumeier, bekannt für seinen bissigen Humor und sein Engagement gegen rechts, wagt einen radikalen Stilbruch. Statt Sarkasmus, Polemik und provokanter Vergleiche setzt er auf kühle Sachlichkeit. In acht kurzen Folgen analysiert er das Wahlprogramm der AfD – in Rubriken wie Klima, Familie und Bildung, Asyl, Kultur, Sicherheit, Soziales und Wirtschaft.

Dabei zeigt er auf, was wissenschaftlich belegbar ist – und was nicht. Besonders spannend: Er geht auch auf Forderungen der AfD ein, die im aktuellen öffentlichen Diskurs kaum beachtet werden. Zum Beispiel: Unterstützungsangebote für Alleinerziehende sollen abgebaut, die Schulpflicht abgeschafft, der EU-Austritt vollzogen und Erbschaft- sowie Vermögensteuern, die nur überdurchschnittlich reiche Menschen betreffen, gestrichen werden.

Sein Ziel: keine Empörung, keine Witze – sondern nüchterne Fakten. Denn viele AfD-Wähler:innen, so seine Beobachtung, wissen gar nicht, dass die Partei oft genau das Gegenteil von dem fordert, was sie sich erhoffen. Die Inspirtion für den Podcast zog Neumeier aus Begegnungen mit Landwirten in seinem Umfeld, die AfD wählen wollen – obwohl die konsequente Umsetzung des Parteiprogramms ihnen drei Viertel ihrer Subventionen streichen würde.

Diese neue Strategie fällt Neumeier hörbar schwer. Immer wieder blitzt ein Hauch von Sarkasmus durch, ein kurzes, verzweifeltes Lachen, wenn er Dinge erklären muss, die eigentlich selbstverständlich sein sollten – etwa, dass es einen wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel gibt, dass es in Deutschland keine Ärz­t:in­nen gibt, die spontan geschlechtsangleichende Operationen an Minderjährigen durchführen, oder dass keine Partei eine „Islamisierung der Schulen“ fordert.

Es wirkt wie der Beginn eines Sketches: Ein verzweifelter Vater versucht seinem Kind ganz ruhig zu erklären, warum es keine gute Idee ist, sich in die eigene Haut zu schneiden. Doch was fehlt, ist die Pointe – die Auflösung, das gemeinsame Lachen über die offensichtliche Absurdität, die Gewissheit, dass wir alle gerade dasselbe sehen und fühlen.

Doch genau diese Gewissheit eines­ gemeinsamen Nenners existiert in der Realität unserer Gesellschaft nicht – und das weiß Neumeier. Genau darin liegt die Stärke des Podcasts. Er unterbindet bewusst das Echo der eigenen Bubble. Wer seiner Stimme lauscht, wartet vergeblich auf den für ihn so typischen erleichternden Witz.

Doch diese Abwesenheit von Humor ist eine qualvolle Lektion. Sie zwingt die Zu­hö­re­r:in­nen dazu, sich mit dem AfD-Programm auseinanderzusetzen, ohne es durch Ironie erträglicher zu machen. Und sie erinnert uns daran, dass unsere Emotionen – so wichtig sie für uns sind – nichts an der politischen Realität ändern und uns in der politischen Diskussion nicht weiterbringen.

Diese Erkenntnis wird vor allem in der letzten und wichtigsten Folge deutlich, in der Neumeier praktische Tipps für Gespräche mit AfD-Sympathisant:innen gibt. Dazu zitiert er unter anderem ein AfD-Strategiepapier: „Je nervöser und unfairer die Altparteien auf Provokation reagieren, desto besser. Umso mehr sie versuchen, die AfD zu stigmatisieren, umso positiver ist das für das Profil der AfD. Niemand gibt der AfD mehr Glaubwürdigkeit als ihre politischen Gegner. Deren negative Reaktion muss daher ganz bewusst von der AfD einkalkuliert werden.“ Die Schlussfolgerung: Wer überzeugen will, muss ruhig bleiben.

Radikale Höflichkeit ist die beste Strategie gegen eine Partei, die von Empörung lebt. Das macht keinen Spaß, wird aber in den kommenden Tagen, Wochen und Jahren immer wichtiger werden. Doch das bedeutet nicht, dass wir auf Humor verzichten sollten. Im Gegenteil: Wir brauchen Comedy, um Wut, Angst und Verzweiflung auszuhalten. Aber nicht für die anderen – sondern für uns.

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