Wahlkampf-Endspurt der Grünen: Ich will. Ich will, dass ihr mir vertraut.
Mit vielen Ich-Sätzen stellt Robert Habeck sein Programm für das erste Regierungsjahr vor. Der Blick geht nach vorne: mehr Klima, weniger Asyl-Streit.
![Eine Person steht hinter einem Rednerpult und breitet die Arme aus. Eine Person steht hinter einem Rednerpult und breitet die Arme aus.](https://taz.de/picture/7527298/14/37661798-1.jpeg)
Eine Inszenierung, die etwas schräg steht zu den aktuellen Umfragewerten und den Koalitionssignalen, die von CDU und CSU kommen. Ob Habeck in der nächsten Regierung überhaupt noch etwas macht, ist fraglich. Die Grünen flüchten sich zwar in Zweckoptimismus und verweisen in diesen Tagen immer wieder darauf, dass viele Wähler noch unentschlossen sind.
Zumindest zum ursprünglich angestrebten Amt des „Bündniskanzlers“ wird es aber kaum noch reichen. Zuletzt scheiterte auch die Hoffnung, dass die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD im Bundestag in den Umfragen eine Trendwende bringt.
Anderthalb Wochen vor der Wahl versuchen es die Grünen jetzt noch mal mit einer neuen Wahlkampferzählung. Sie leiten sie aus dem TV-Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz am letzten Sonntag ab. Eigentlich wäre Habeck gerne selbst dabei gewesen, jetzt macht er aber aus der Not eine Tugend. Wie schon am Dienstag im Bundestag verweist er auch am Mittwoch auf Leerstellen.
Empfohlener externer Inhalt
„Die Wahlkampfarena öffnet sich noch einmal und zwar durch Nichtbehandlung von Themen. Auf einmal fällt Deutschland auf, dass wichtige Zukunftsthemen bisher kaum politisch diskutiert worden“, sagt der Grünen-Kandidat. Das TV-Duell habe „vielleicht auf eine negative Art heilsam gewirkt“: Für die vergessenen Themen könnte es jetzt doch noch eine Bühne geben.
Zuerst das Klima
In seiner „Zukunftsagenda für das erste Regierungsjahr“ konkretisiert Habeck, welche Themen er damit genau meint. Zuvorderst: die Klimapolitik, die auch in der Kampagne der Grünen in den letzten Wochen nicht immer ganz im Zentrum stand. „Unangemessen scheint mir die Wurstigkeit zu sein, mit der mit wissenschaftlich analysierten Zielvorstellungen umgegangen wird“, sagt Habeck jetzt. Neue und ehrgeizigere Ziele präsentiert er nicht. Stattdessen geht es weiterhin ums „Kurshalten“, also die Ausstiegsdaten für den Verbrennermotor oder für fossile Heizungen nicht aufzuweichen.
Stark verknüpft der Grünen-Kandidat das Thema am Donnerstag mit Bezahlbarkeit und sozialer Gerechtigkeit. Die „Förderung der neuen Techniken“ wolle er „sozial austarieren“. Sprich: Zuschüsse zu Elektroautos sollen beispielsweise nach Einkommen gestaffelt gezahlt werden. Auch die Einführung eines (ebenfalls sozial gestaffelten) Klimageldes soll laut Habecks Agenda „so schnell wie möglich“ erfolgen, auf Nachfrage legt er sich hier aber nicht auf das erste Regierungsjahr fest.
Als zweites seiner Zukunftsthemen nennt Habeck die „Innovationskraft der Wirtschaft“, vor allem in Bezug auf neue Technologien wie der künstlichen Intelligenz. Eines seiner Ziele: Durch öffentliche Gelder und private Investitionen im ersten Jahr Zusagen über 50 Milliarden Euro für die KI-Entwicklung einzusammeln. Drittes großes Thema schließlich: die Bildungspolitik, unter anderem mit einem Sanierungsprogramm für Schulen und Kitas. Habeck spricht von einem Investitionsstau in Höhe von 55 Milliarden Euro.
Sondervermögen als goldene Brücke
Insgesamt gehen die Kosten für die Grünen-Pläne deutlich in den dreistelligen Milliardenbereich. Wie das in einer möglichen Koalition mit der Union finanziert werden soll? „Das, was wir hier vorschlagen, ist mittlerweile Mainstream der ökonomischen Debatten“, sagt Habeck. Diese Debatte müsse man ernst nehmen.
Falls es für eine Reform der Schuldenbremse am Ende keine Mehrheiten gibt, schweben dem Grünen neue Sondervermögen vor. „Sie sind begrenzte Finanzpakete“ und damit für die Fans der Schuldenbremse „vielleicht verdaulicher“.
Hinter sich lassen wollen die Grünen dagegen für den Rest des Wahlkampfs ihre Migrationsdebatte. Mit einem restriktiven Zehn-Punkte-Plan hatte Habeck in der letzten Woche Teile der Partei gegen sich aufgebracht, auch öffentlich wurde der Streit sichtbar. In der „Zukunftsagenda“ findet sich jetzt nur noch ein Unterkapitel zur Asylpolitik, mit ausgewogeneren Maßnahmen als zuletzt. Als Ziel ist jetzt formuliert: „Migration insgesamt steuern und humanitäre Standards schützen“.
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