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Die Klimakleber des Kreml

Sie verklebten Auspuffrohre und Habeck-Sticker: Vier Männer sollen in russischem Auftrag in den Wahlkampf eingegriffen haben

Bauschaum-Wahlkampf made in Russia Foto: imago

Von Frederik Eikmanns und Maximilian Arnhold

Deutsche Po­li­ti­ke­r*in­nen haben mit Besorgnis auf Enthüllungen reagiert, wonach russische Akteure mit Sabotageakten versuchten, in den deutschen Wahlkampf einzugreifen. Ziel war es dabei offenbar, den Grünen und der Klimabewegung zu schaden. Deren Ver­tre­te­r*in­nen zeigten sich am Mittwoch besonders alarmiert.

Wie der Spiegel berichtete, sollen nicht näher benannte russische Stellen mehrere Personen angeheuert haben, um an verschiedenen Orten in Deutschland fast 300 Autos mit Bauschaum zu beschädigen. Tatorte waren unter anderem Berlin, Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg. Die Täter sollen Sticker mit dem Schriftzug „Grüner Sein“ hinterlassen haben, daneben ein Foto vom lachenden Grünen-Kanzlerkandidaten und Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Unklar ist derzeit, welche russischen Akteure genau hinter den Sabotageakten stecken. Ex­per­t*in­nen warnen schon länger, dass russische Geheimdienste in Europa versuchten, Menschen für Aktionen anzuheuern, die gesellschaftliche Spannungen anheizen. Die deutschen Behörden halten sich weitgehend bedeckt, das Bundesinnenministerium teilte lediglich mit, die Ermittlungen dauerten an. Bestätigt ist, dass die Staatsanwaltschaft Ulm vier junge Männer verdächtigt. Bei einer Durchsuchung soll Bauschaum bei ihnen gefunden worden sein. Bislang sind die vier Männer auf freiem Fuß.

Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Dirk Wiese, sagte der taz: „Diese Angriffe richten sich nicht nur gegen einzelne Parteien oder Politiker, sondern gegen unsere Demokratie als Ganzes.“ Deutschland brauche „nicht nur eine starke Sicherheitsarchitektur und effektive Strafverfolgung, sondern auch eine klare politische Haltung.“ Man dürfe sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.

Wieses Pendant bei den Grünen, Konstantin von Notz, sagte am Mittwoch, seine Partei weise schon lange darauf hin, „dass verschiedene autoritäre Staaten, allen voran Russland und China, sich zum Ziel gesetzt haben, Deutschland gezielt zu schwächen, öffentliche Diskurse zu manipulieren und demokratische Willensbildungsprozesse bis hin zu Wahlen zu attackieren“. Die neuen Enthüllungen zeigten, „wie unverantwortlich es war, dass die Union gerade erst überfälligen sicherheitspolitischen Gesetzgebungen eine pauschale Absage erteilt hat“.

Von Notz bezieht sich damit auf das Kritis-Dachgesetz und das zugehörige NIS2-Umsetzungsgesetz. Beide sollten strengere Sicherheitskonzepte für kritische Infrastruktur festschreiben, waren vorige Woche aber gescheitert, weil die Restbundesregierung aus SPD und Grünen die Union nicht zur Zustimmung bewegen konnte.

Auch unter Kli­mak­ti­vis­t*in­nen – die in der Presse teils der Aktionen beschuldigt worden waren – sorgen die Enthüllungen für Aufsehen. Die Letzte Generation, die lange Zeit mit Straßenblockaden für mehr Klimaschutz protestiert hatte, zeigte sich bestürzt. „Unser politisches Klima in diesem Land wird immer weiter vergiftet“, sagte Sprecherin Carla Hinrichs der taz. „Es ist beängstigend, dass international versucht wird, den Wahlkampf zu beeinflussen.“ Es komme „nicht von irgendwoher, wenn im eigenen Land friedlicher Protest, zu dem Menschen mit Namen und Gesicht stehen, selbst von der politischen Mitte und den Medien diskreditiert wird“, so Hinrichs. „Wir Bür­ge­r:in­nen dieses Landes müssen zusammenstehen und friedlich, aber entschlossen zeigen, dass wir mit einem solchen Kurs nicht mitgehen.“ Man dürfe die Demokratie nicht denen überlassen, die sie zerstören wollen.

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