: Die SPD entdeckt ihr Herz für Autofahrer
Die Hamburger SPD setzt im laufenden Wahlkampf plötzlich wieder auf Parkplätze und die „Leistungsfähigkeit der Hauptverkehrsstraßen“. Will sie damit der CDU den Wind aus den Segeln nehmen oder meint sie das ernst?
Von André Zuschlag
Gleich einen ganzen „Masterplan“ also. Den verspricht die Hamburger SPD in der Verkehrspolitik aufzulegen, wenn sie die Bürgerschaftswahl am 2. März erst gewonnen hat. Geht dank der SPD dann also die Verkehrswende in richtig, richtig großen Schritten voran? Werden mit dem Masterplan die Radwege in allen Stadtteilen im ganz großen Maßstab ausgebaut und S- und U-Bahnen endlich auch in die noch immer abgehängten Stadtteile geführt?
Mit dem „Masterplan Parken“ hat die SPD das Gegenteil vor: In der anhaltenden Debatte um eine Neuverteilung des öffentlichen Verkehrsraums setzt sie sich für Autofahrer*innen ein, die um den Wegfall von Parkplätzen fürchten. Mit einem Moratorium soll der Wegfall nämlich gestoppt werden und da, wo nötig, wolle man Quartiersgaragen bauen, um Abhilfe zu schaffen. Kommt mit der Hamburger SPD also bald der Rollback in der Verkehrswende?
Einen Rollback würde es Ole Thorben Buschhüter nicht nennen wollen. „Wir setzen uns mit unterschiedlichen Lebensrealitäten in der Stadt auseinander“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Schließlich gebe es Stadtteile mit zu hohem Parkdruck; außerdem hatte die Stadt vor einigen Jahren die Stellplatzpflicht aufgehoben, nach der beim Bau von Wohnhäusern auch eine bestimmte Zahl an Parkplätzen auf den Grundstücken geschaffen werden muss. Das müsse gegebenenfalls wieder in Teilen rückgängig gemacht werden.
Auch auf der Bezirksebene hat die SPD wieder ihr Herz fürs Auto entdeckt: Im größten Bezirk Wandsbek will die SPD zusammen mit der FDP – und den Grünen – „notwendige Korrekturen in der Verkehrspolitik zugunsten des Autos“ vornehmen, wie der SPD-Kreisvorsitzende und Finanzsenator Andreas Dressel jüngst erklärte. Auch im Bezirk Nord soll unter SPD-Führung die „Leistungsfähigkeit der Hauptverkehrsstraßen“ gesichert werden; auch hier will man dafür sorgen, dass keine Parkplätze mehr wegfallen.
Ein breites Bündnis –vom Fahrradverband ADFC über den Nabu und Greenpeace bis zum Fachverband Fußverkehr –forderte deshalb zuletzt ein Bekenntnis zur Mobilitätswende. Aus der Sicht Buschhüters ist das gar nicht nötig. „Wir wollen ja unverändert den Anteil des Autoverkehrs auf 20 Prozent senken“, beteuert er. Die Weichen dafür seien in der vergangenen Legislatur mit den Grünen gestellt worden –sowohl mit der Verwirklichung mehrerer S- und U-Bahn-Projekte wie auch beim Radwegeausbau. „Das ist ein großer Fortschritt“, sagt Buschhüter.
Hamburg vor der Wahl
Am 2. März wird die Hamburgische Bürgerschaft neu gewählt. Wir berichten in loser Folge über die Ideen der Parteien zu verschiedenen Politikfeldern
Der Druck auf die SPD kommt aber vor allem von anderer Seite: Tagein, tagaus poltert CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering gegen die „autofeindliche Politik von SPD und Grünen“, die Hamburg zur Stauhauptstadt mache. Darunter leide nicht zuletzt die Wirtschaft. Und von unkoordinierten Baustellen seien alle in der Stadt doch nur noch genervt.
Dass Thering hier eine Angriffsfläche und ein Potenzial sieht, verärgerte SPD-Wähler:innen zur CDU zu locken, entspricht der Stimmung in der Stadt über alle Bezirke hinweg: In einer Umfrage im Auftrag des Hamburger Abendblatt erachteten 80 Prozent der Befragten den Verkehr als größtes Problem in Hamburg.
Ole Thorben Buschhüter, SPD-Bürgerschaftsfraktion
Blinkt die SPD demnach nur, dem Wahlkampf geschuldet, Richtung Autolobby, um hier keine offene Flanke zu haben? Dafür, dass die SPD direkt von einem „Masterplan“ beim Parken spricht, wären die Folgen wohl überschaubar. Und ohnehin dürften nach der Wahl die Grünen mit Anjes Tjarks weiter den Verkehrssenator stellen.
„Wir und die Grünen wollen ja dasselbe, nur manchmal auf unterschiedlichen Wegen“, sagt Buschhüter. Und auch Bürgermeister Tschentscher (SPD) wiederholte mehrfach, an der Verkehrswende festhalten zu wollen–nur vielleicht langsamer als es auch angesichts der selbst gesteckten Klimaziele nötig wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen