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Schule im Widerstand

Die AfD-Spitzenkandidatin Beatrix von Storch wurde ins Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium in Lichtenberg geladen. Das ist nicht nur für Schü­le­r*in­nen ein Affront

Von Marie Frank

Es ist erst wenige Monate her, dass die Berliner NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi mit dem Kinodrama „In Liebe, Eure Hilde“ geehrt wurde. Das Ehepaar Hans und Hilde Coppi gehörte zum Widerstandsnetzwerk „Rote Kapelle“ und wurde Anfang der 1940er Jahre von den Nazis hingerichtet. Mit Flugblättern wollten sie die deutsche Bevölkerung über die verbrecherische Ideologie der Na­tio­nal­so­zia­lis­t*in­nen aufrütteln. Und ausgerechnet vor dem Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium in Lichtenberg tauchen nun Flugblätter auf, die vor rechten Ideo­lo­g*in­nen an der Schule warnen.

Am kommenden Dienstag soll die Spitzenkandidatin der AfD in Berlin und Lichtenberger Direktkandidatin Beatrix von Storch in dem Gymnasium an einer Podiumsdiskussion zur anstehenden Bundestagswahl teilnehmen. Dagegen regt sich Widerstand: Unter dem Motto „Keine faschistische Propaganda an unserer Schule“ rufen die Schü­le­r*in­nen des Coppi-Gymnasiums zu einer Kundgebung gegen den Auftritt von Storchs auf, deren Familie eng mit dem Nazi-Regime verstrickt war. „Der AfD, die unsere Demokratie gefährdet und den Holocaust verharmlost, eine Bühne zu geben, und das an einer Schule, die nach Wi­der­stands­kämp­fe­r*in­nen benannt ist, ist eine Beleidigung“, so die Schülerin Effi Denton zur taz.

Kritik kommt auch von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Der Berliner Vorsitzende sieht in der Einladung von Storchs eine „Beschädigung des Gedenkens“, so Markus Tervooren zur taz. „Wir fordern die Schulleitung auf, diese unsägliche Beleidigung der Opfer des Faschismus sofort zu stoppen.“ Für den VVN-BdA ist klar: „Die AfD muss sofort ausgeladen werden.“

Dass Po­li­ti­ke­r*in­nen der AfD zu Diskussionen an Schulen eingeladen werden, sorgt schon lange für Diskussionen. Die einen sehen darin eine Normalisierung von rechtsex­tremen Positionen, andere argumentieren, Schulen müssten wegen des Neutralitätsgebots Ver­tre­te­r*in­nen aller Parteien einladen. Das stimmt allerdings nicht: Wen eine Schule zu einer Gesprächsrunde einlädt, ist ihr überlassen.

„Wir sehen die Einladung von rechten und demokratiefeindlichen Parteien kritisch“, sagt Heinz Stadelmann vom Netzwerk Schule ohne Rassismus. 152 Schulen sind in Berlin Teil des Netzwerks – das Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium gehört nicht dazu. Mit der Kampagne #wirsindnichtneutral warnen die bundesweit 4.600 Schulen gegen Rassismus derzeit vor einer „Banalisierung sowie Normalisierung des Rechtsextremismus“ und setzen sich für demokratische Werte und kritisches Denken ein – beides keine Kernkompetenzen der AfD.

„Wir fordern die Schulleitung auf, diese unsägliche Beleidigung der Opfer des Faschismus zu stoppen“

VVN-BdA

„Wenn man die AfD schon einlädt, muss das auch richtig vorbereitet und gerahmt werden“, sagt Stadelmann. Mit Workshops, Fortbildungen, Rollenspielen oder Probedurchläufen. „Der Rahmen muss abgesteckt werden, etwa indem man nur die Oberstufe einlädt.“ Auch müsse die gesamte Schulgemeinschaft, also Lehrer*innen, Schü­le­r*in­nen und Eltern, einbezogen werden.

Das fordert auch der Berliner Lan­desschü­le­r*in­nen­aus­schuss (LSA). Im Fall des Hans-und-Hilde-Coppi Gymnasiums müsse „die Meinung der Schü­le­r*in­nen­schaft berücksichtigt werden, da die Veranstaltung für sie angedacht ist“, so Sprecherin Lilo Kranich zur taz. Der LSA selbst spricht sich gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus: „Unsere grundsätzliche Forderung nach einem diskriminierungsfreien Raum in der Schule steht zusätzlich im Konflikt mit der AfD und von Storch.“

Ob das Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium die Schulgemeinschaft in seine Entscheidung eingebunden hat, ist fraglich. Auf eine taz-Anfrage reagierte die Schulleitung nicht. Die Schü­le­r*in­nen seien jedenfalls nicht gefragt worden, sagt Effi Denton.

Der Landeselternsprecher Norman Heise hingegen hat kein Problem mit der Rechtsaußen-Partei an Schulen. „Die AfD sollte eingeladen werden, weil sie sich sonst in ihrer Opferrolle bestätigt sieht“, sagt Heise. Er sieht darin zudem auch eine Chance auf Entzauberung. „Die AfD nimmt es mit Fakten oft nicht so genau, das kann man in einer Diskussion offenlegen.“

Dass viele Schü­le­r*in­nen aber keine Lust haben, mit Fa­schis­t*in­nen zu diskutieren, zeigt das Tagore-Gymnasium in Marzahn. Ende Januar war dort die stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Jeanette Auricht zu einer Diskussion geladen. Die Schü­le­r*in­nen wollten sich dem „rassistischen, queerfeindlichen und antifeministischen Gelaber von Auricht nicht aussetzen“ und demonstrierten vor der Schule. Für „direkt von der menschenfeindlichen Politik der AfD betroffene Schüler:innen“ stelle es „eine belastende Situation dar, wenn an dem Ort, an dem sie eigentlich geschützt und ungestört lernen sollten, einer AfDlerin eine Bühne für ihre Hetzreden gelassen wird“, hieß es in einer Stellungnahme der Schüler*innen.

Rechte Hetze muss es im Wahlkampf nicht auch noch an Schulen geben Foto: Simon Adomat/imago

Die Schü­le­r*in­nen der Fichtenberg-Oberschule in Steglitz rufen unter dem Motto „Eure Wahl, unsere Zukunft – Rechtsruck verhindern“ für den 19. Februar alle Berliner Schulen zu einer Kundgebung gegen die AfD auf. Bereits im Juni vergangenen Jahres hatten dort 2.000 Schü­le­r*in­nen demonstriert.

Der stellvertretende AfD-Fraktions-Chef im Abgeordnetenhaus, Thorsten Weiß, schrieb daraufhin eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Schulleiter, der die Proteste unterstützt hatte – was „ein ermahnendes Gespräch“ mit der Senatsbildungsverwaltung zur Folge hatte. Der Schulleiter hatte die Demo zuvor als Unterricht an einem anderen Ort bezeichnet.

Am kommenden Dienstag dürften auch am Hans-und-Hilde-Coppi-Gynasium viele Schü­le­r*in­nen dem Unterricht fernbleiben.

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