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Trump-Fans in IsraelEine unheilige Allianz

In Donald Trumps zweiter Amtszeit als US-Präsident rücken christliche Evangelikale und Israels rechtsradikale Hardliner näher zusammen.

Ohne Clown keine Party: Mike Evans und An­hän­ge­r*in­nen der „Friends of Zion“ feiern Trump in Jerusalem Foto: Nicholas Potter

Jerusalem taz | Kurz bevor Donald Trump am 20. Januar als 47. Präsident der USA in Washington vereidigt wird, stehen in Jerusalem Hunderte Menschen vor dem evangelikalen Friends-of-Zion-Museum Schlange. An der Fassade hängt ein großes Transparent mit einem Foto des Wiedergewählten und den Worten: „Congratulations Donald Trump, Israel Loves You!“ Der Ansturm ist so groß, dass es einen Einlassstopp gibt. Viele der jüdischen und christlichen Gäste, die „Make America Great Again“-Basecaps oder Trump-Kippot tragen, müssen enttäuscht draußen bleiben.

Im Museum platzt die Party zu Trumps Amtseinführung aus allen Nähten, es gibt Chickenwings, Coca-Cola und Freedom Fries. „YMCA“ von den Village People, die einstige Schwulenhymne, die sich Trump als Wahlkampfsong angeeignet hat, läuft in Dauerschleife. Die Stimmung ist euphorisch.

Auf der Bühne behauptet Museumsgründer Mike Evans, ein christlicher Evangelikaler, der extra aus Texas eingeflogen ist, dass Evangelikale Trump 2016 die Präsidentschaft versprochen hätten, solange er beim Thema Abtreibung und Israel liefern würde. „Und alles, was wir auf unserer Liste hatten, hat er übertroffen. Er hat es übertroffen!“, verkündet der Mann mit den weißen Haaren und dem grauen Schnurrbart, während das Publikum jubelt. Trumps zweite Amtszeit werde wie die erste sein, aber „auf Steroiden“, sagt er.

Die Freude unter Evangelikalen ist groß. Denn zum Auftakt seiner zweiten Amtszeit hat Trump christliche Hardliner für Schlüsselpositionen nominiert, die die Zukunft des Nahen Ostens stark prägen könnten. Der Einfluss der christlichen Evangelikalen wächst, und das ist selbst in Jerusalem zu spüren.

Radikal evangelikal

Gegründet wurde das evangelikale Museum 2015 als multimediale Einrichtung, die christliche Zionisten und ihre Unterstützung Israels über die Jahre zelebriert. Über vier Etagen wird hier die biblische Geschichte Israels erzählt – digital, interaktiv, teils in 3D und mit reichlich musikalischem Pathos, der an Trailer für Hollywoodfilme erinnert. Im Fokus stehen auch die Geschichten von Christen, die schon lange vor der Staatsgründung 1948 an die Idee eines jüdischen Staates glaubten, von William E. Blackstone bis Arthur Balfour. „Israel wäre ohne die christlichen Zionisten nicht möglich gewesen“, sagt Benjamin Netanjahu in einem Teil der Ausstellung mit tiefer, dröhnender Stimme auf einer riesigen Leinwand.

Bereits 2017 und 2018 startete das Museum Plakatkampagnen in Israel, die Trump unterstützten. Und nur Stunden nach dessen Wahlsieg Anfang November tauchten in Tel Aviv und Jerusalem mehrere Werbetafeln mit Glückwünschen auf: „Congratulations! Trump, Make Israel Great Again“.

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Der Evangelikalismus ist eine missionarische Strömung innerhalb des Christentums, die die Bibel größtenteils beim Wort nimmt. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center identifizierten sich im Jahr 2021 rund 24 Prozent der Erwachsenen in den USA als „evangelikal“ – das sind etwa 80 Millionen. Viele von ihnen verstehen sich auch als Zionisten, denn die Staatsgründung Israels 1948 war aus ihrer Sicht die Erfüllung biblischer Prophezeiung. Und der jüdische Staat im heiligen Land der Bibel sei die Voraussetzung für die Parusie, die Rückkehr des Messias Jesus Christus – und das Armageddon. In Bezug auf die Sicherheitspolitik des jüdischen Staates vertreten Evangelikale damit oft kompromisslose, weitaus radikalere Positionen als viele konservative Juden in den USA.

Das kommt rechten Nationalreligiösen in Israel, die aktuell Teil der Regierung sind, gelegen. Denn sie empfinden viele jüdische Stimmen in den USA als zu kritisch, was die Politik Israels angeht. Auch Trump sagte 2021 in einem Podcast mit dem israelischen Journalisten Barak Ravid über die USA: „Evangelikale Christen in diesem Land lieben Israel mehr als Juden.“

Evans pflegt eine enge Beziehung zu Netanjahu

Mike Evans, der Gründer des Friends-of-Zion-Museums, steht sinnbildlich für diese Allianz. Er beriet Trump während seiner ersten Amtszeit zum Thema Israel und gehörte auch dessen „evangelikalem Beirat“ an. Das Museum wiederum verlieh Trump 2018 den Friends-of-Zion-Preis. Inzwischen hat Evans Trump allerdings scharf kritisiert, was vielleicht erklärt, warum er die Amtseinführung in Jerusalem und nicht in Washington feierte.

Im Jahr 2022 schickte Evans einen Essay an die Washington Post. Die Zeitung zitiert daraus: „Wir alle wussten, dass Trump charakterliche Schwächen hat, aber wir betrachteten unsere Beziehung zu ihm als transaktional.“ Und weiter: „Er hat uns benutzt, um das Weiße Haus zu gewinnen. Wir mussten es hinnehmen, wenn er Dinge sagte, die uns entsetzten.“ Dazu sei Evans nicht mehr bereit.

Eine engere Beziehung pflegt Evans bis heute noch zum israelischen Premier Netanjahu. „Bibi Netanjahu ist der einzige Mann auf der Welt, der die Evangelikalen vereint“, sagte Evans 2021. Und als der Netanjahu-Block im selben Jahr die Knessetwahl verlor und durch eine breite Einheitsregierung aus diversen Parteien ersetzt werden sollte, nannte Evans diese „tollwütige Hunde“, die Netanjahu „kreuzigen“ wollen würden – was in Israel für laute Kritik sorgte. Auf eine taz-Anfrage reagierte Evans nicht.

Trump hat christliche Hardliner für Schlüsselpositionen nominiert

Inzwischen ist Netanjahu wieder an der Macht und Trump ist erneut ins Weiße Haus gezogen. Das Thema Abtreibung ist in den USA abgeräumt, der Backlash vollzogen, nachdem die Rechtsprechung „Roe v. Wade“, die jahrzehntelang das Recht auf Abtreibung in den USA bestätigte, 2022 vom Obersten Gerichtshof gekippt wurde. Die Evangelikalen können sich nun also auf das Thema Israel konzentrieren. Und Evans sieht in Trumps zweiter Amtszeit wohl eine so große und einmalige Chance, dass er bereit zu sein scheint, einstige Bedenken wegen dessen Charakter wieder beiseitezuräumen.

„Der Präsident kann sich weiterhin auf uns verlassen“, sagt Evans auf der Party in Jerusalem. „Und auch auf einige andere.“ Dann nennt Evans etwa Trumps gerade vereidigten Verteidigungsminister Pete Hegseth – einen christlichen Nationalisten, der sich ein Jerusalemkreuz auf seine Brust tätowieren ließ. Den neuen Außenminister Marco Rubio beschreibt Evans als „unglaublich stark“.

Ein radikaler Botschafter

Aber vor allem die Nominierung Mike Huckabees als US-Botschafter in Israel, der noch vom Senat bestätigt werden muss, sorgt in evangelikalen Kreisen für Jubel. „Huckabee glaubt an [israelische] Souveränität über Judäa und Samaria“, sagt Evans auf der Party – Judäa und Samaria, das sind die biblischen Bezeichnungen für das Westjordanland.

Huckabee, der selbst schon mehrmals im Museum zu Gast gewesen ist, nahm für die Feier zu Trumps Amtseinführung bei den Friends of Zion sogar eine exklusive Videobotschaft auf, in der er von einer „historischen Gelegenheit“ sprach, „Frieden und Sicherheit in die Region zu bringen“.

Der ehemalige Baptistenpastor, Gouverneur von Arkansas und Fernsehmoderator bei Fox News war nach eigenen Angaben bereits mehr als 100-mal in Israel. Er hat zahlreiche Reisegruppen evangelikaler Christen dorthin begleitet. Außerdem bricht Huckabees Nominierung mit einer amerikanischen Tradition: Die Rolle des US-Botschafters in Israel ging in den vergangenen Jahren fast ausschließlich an amerikanische Juden.

Für Huckabee dürfte der neue Job nichts Geringeres als eine spirituelle Berufung sein. Er besuchte Israel zum ersten Mal als 17-Jähriger und erinnerte in einem Interview mit den evangelikalen National Religious Broadcasters: „Ich spürte eine überwältigende spirituelle Realität und verstand, dass dies das Land ist, das Gott den Juden gegeben hat.“ In einem Interview mit All Israel Newssprach er von einem „Jesaja-Moment“, nachdem Trump ihm die Position angeboten hatte, und zitierte die entsprechende Bibelpassage: „Hier bin ich, Herr, sende mich.“

Ferienhausträume statt Zwei-Staaten-Lösung

Viele Evangelikale wie Evans hoffen, dass mit einem Botschafter Huckabee Israel das Westjordanland annektieren wird. Den Begriff „Westbank“ lehnt Huckabee ab und verwendet stattdessen konsequent die biblische Bezeichnung Judäa und Samaria. Er ist auch gegen eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern, was er damit begründet, dass Gott das Land den Juden versprochen habe. In illegalen Siedlungen ist Huckabee ein gern gesehener Gast, dort organisierte er bereits Wahlkampfveranstaltungen und träumt laut eigener Aussage von einem Ferienhaus.

Auch deshalb freuen sich in Israel nationalreligiöse und rechtsradikale Hardliner wie Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich über die Nominierung von Mike Huckabee als US-Botschafter. Die strategische Allianz zwischen ihnen und christlichen Evangelikalen wird Trumps zweite Amtszeit prägen. Gemeinsam propagieren sie eine messianische Außenpolitik, die Prophezeiung über Pragmatismus stellt. Auch deshalb sieht es für den Friedensprozess im Nahen Osten düster aus.

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