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Schwimmen mit Supermarion

Eine Ausstellung in der Galerie im Turm erinnert an das Spaßbad des Sport- und Erholungszentrums (SEZ)

Von Beate Scheder

Wenn man von der Galerie im Turm aus nach Norden geht, gelangt man nach etwa 15 Minuten zum SEZ, zum Sport- und Erholungszentrum. Oder: zu dem, was heute noch von der Anlage, zu der einmal unter anderem ein Spaßbad, eine Rollschuhlaufbahn, ein Bowlingcenter und diverse gastronomische Angebote gehörten, übrig ist. Im Oktober wurde sie geräumt. Ein Abriss ist geplant – trotz Petitionen und Bürgerinitiativen, die sich für den Erhalt dieses Überbleibsels der DDR-Moderne einsetzen.

Damals, 1981, als das SEZ eröffnet wurde und zwei Stunden Schwimmen 3 Mark kosteten, standen die Menschen stundenlang an. Für das Wellenbecken vor allem. Nach der Wende, 1991, wurde das SEZ aus hygienischen Gründen geschlossen. Lang stand es leer, wurde dann 2003 an einen Leipziger Investor für einen symbolischen Euro verhökert, mit der Verpflichtung, das Bad wieder instand zu setzen, was aber nie geschah. „Ein Beispiel für das Zusammenspiel von Unterfinanzierung, mangelndem politischen Willen und privater Skrupellosigkeit und Willkür.“ So formuliert es die Broschüre, die am Eingang der Galerie im Turm ausliegt. „Swim“ heißt die Ausstellung, die sich dort auf „die Suche nach Paradiesen“ macht. War das SEZ eins?

Helena Doppelbauer, eine von zwei beteiligten Künstlerinnen, ist 1992 im österreichischen Wels geboren – zu spät und zu weit weg, um das beantworten zu können. In ihrer Videoinstallation stellt sie „Supermarion“ in den Mittelpunkt, lässt die ehemalige Sportlerin über ihren Trainingsalltag sprechen, über den Ehrgeiz und die Rolle sportlicher Wettkämpfe in der DDR. Dazu zeigt Doppelbauer eine Collage aus historischen Aufnahmen von planschenden Menschen, von Profis und Fitnessklassen, aber auch von der heutigen SEZ-Ruine und Marions Tochter Marie, die im Jane-Fonda-haften Gymnastik­anzug dort Turnübungen macht.

Ähnliche Motive hat sie auf Handtücher gedruckt. Eins hängt an einem Haken direkt neben einem pinkfarbenen Spind, ein anderes wie zum Trocknen über einer Stange, ein drittes liegt auf einem Podest, hingepfeffert, als hätte sich gerade erst jemand damit abgerubbelt.

Sie korrespondieren mit Objekten, die wirklich aus dem Badebereich des SEZ stammen, einem blauen wellenförmigen Wandobjekt, einer Kugellampe, einem Schildchen, das auf die „Umgangsreinigung Bereich 2“ hinweist. Letzteres hängt an einer Wand, auf der ein „History Archiv“ entstehen soll. Mit Entwurfszeichnungen des Architekten Günter Reiß und Postkarten für persönliche Erinnerungen und Geschichten der Besucher*innen.

Auch bei der zweiten Künstlerin, Kristin Wenzel, geboren 1983 in Gotha, spielen solche mit hinein, indirekt. Bereits 2020 beschäftigte sie sich mit einem ehemaligen Schwimmbad der DDR, mit demjenigen ihrer Heimatstadt, einem 70er-Jahre-Bau, in dem Wenzel das Schwimmen gelernt hatte. Sie baute architektonische Elemente nach und verfremdete sie. Adaptiert wurde das für die Ausstellung für das SEZ, treppenförmige Einbauten in Zartgelb sind es, auf denen man sich niederlassen kann, um eigenen Gedanken nachzuhängen.

Für solche und für den Dialog will die Ausstellung explizit Raum schaffen, auch mit begleitenden Veranstaltungen. Dass sie dabei ihren eigenen Anspruch, „in die Erfahrungswelt des Wassers und des Schwimmens“ einzutauchen, etwas verwässert – vielleicht ist das nicht weiter schlimm. Ohnehin ist „Swim“ erst der Anfang. Zwei weitere Ausstellungen zum SEZ sollen folgen: „Sweat“ über die Saunalandschaft der Anlage sowie „Fight“ zum Kampfsport, der dort betrieben wurde.

„Swim“: Galerie im Turm. Bis 27. April

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