: Die Parteien im Europa-Check
Welche internationale Rolle soll Deutschland nach den Bundestagswahlen spielen? Ein Blick in die Wahlprogramme
Von Anastasia Zejneli
Deutschlands Partner in der Europäischen Union blicken gespannt auf die Bundestagswahl am 23. Februar. Nach dem Rechtsruck im Europäischen Parlament nach der Europawahl, den andauernden russischen Aggressionen und der zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident steht die EU vor vielen Herausforderungen. Welche Rolle Deutschland in den nächsten vier Jahren einnehmen wird, ist für die restlichen 26 Mitgliedstaaten entscheidend.
Das weiß auch die deutsche Wähler*innenschaft, für die mehrheitlich die EU-Mitgliedschaft eine wichtige Rolle spielt. Das ergab eine aktuelle repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Netzwerks Europäische Bewegung Deutschland. Aber: Nur ein Drittel glaubt, dass Deutschland momentan eine Führungsrolle in der EU einnimmt. Welche Parteien wollen die Rolle Deutschlands wieder stärken?
CDU und CSU sprechen in ihrem Wahlprogramm von einem „Europa, das Prioritäten setzt“. Sie wollen die Europäische Union im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit, des Handels, der Innovation und Technologie stärken. Die Union möchte auch die illegale Migration beenden. CDU-Politikerin und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen setzt bereits einen strengen Kurs in der Asylpolitik durch.
Die Sozialdemokraten legen den Fokus in ihrem Wahlprogramm unter anderem auf eine europäische Verteidigungs- und Rüstungsexportpolitik. Es brauche mehr länderübergreifende Beschaffung von Panzern und Kampfflugzeugen sowie „standardisierte Ausbildungskonzepte“.
Die SPD setzt sich zudem, wie auch Grüne und Linke, für eine Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat und Ministerrat ein. Ähnliches fordert auch die FDP, die sich qualifizierte Mehrheitsentscheidungen lediglich bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen wünscht.
Bisher gibt es ein Einstimmigkeitsprinzip, das immer wieder dazu führt, dass Entscheidungen von einzelnen Staatschefs oder Ministern blockiert werden. Zuletzt setze sich etwa Ungarns Regierungschef Viktor Orbán gegen das Fortlaufen von Sanktionen gegen Russland ein.
Die FDP fordert außerdem weiterreichende Reformen der EU-Kommission, die sie verkleinern will. Die Liberalen wollen außerdem – wie die Grünen – ein Initiativrecht des Parlaments, denn auf EU-Ebene kann bisher nur die Kommission Gesetze vorschlagen. Laut grünem Wahlprogramm sollten auch Reformen, die nicht alle Staaten mittragen, in einer „Koalition der Willingen“ umgesetzt werden können.
Zum möglichen EU-Beitritt der Ukraine gehen die Meinungen auseinander. Für die CDU liegt er „im sicherheits- und geopolitischen Interesse“. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) spricht sich als einzige Partei explizit dagegen aus. Beitrittsgespräche mit der Türkei, die seit 2018 faktisch eingefroren sind, sehen alle großen Parteien nicht vor. Die FDP fordert als einzige Partei, die Beitrittsverhandlungen „in der jetzigen Form“ zu beenden. Allein die Grünen thematisieren die proeuropäsichen Kräfte in Georgien und wollen dem Land eine Zukunft in der EU ermöglichen.
Linke und BSW wollen die EU in ihrer Rolle als Friedensunion stärken. Eine weitere Aufrüstung der EU sei nicht im Interesse der Bürger*innen, stattdessen will die Linke ein „Europa ohne Massenvernichtungswaffen“ und eine „Vernichtung von Mittel- und Kurzstreckenraketen in ganz Europa“. Außerdem will sie Frontex in eine europäische Rettungsmission umwandeln.
Die AfD will als einzige Partei die EU verlassen und durch eine Wirtschafts- und Interessengemeinschaft ersetzen. Sowohl AfD als auch BSW kritisieren die Investitionen für Rüstung und die Bemühungen des Green-Deals.
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