Klimaschutz in Berlin unter CDU und SPD: Nichts als heiße Luft
Mit der aktuellen Finanzplanung verabschiedet sich Berlins Senat endgültig von seinen großen Zielen beim Klimaschutz. Selbst in der SPD rumort es.
„Schlimmer geht immer“, kommentiert der Umweltverband BUND. Die Planung zeige wieder vor allem eines, sagt Matthias Krümmel, der Fachreferent für Klimaschutzpolitik des Verbands, zur taz: In Sachen Klimaschutz herrsche in der Koalition nur noch „inhaltliche Leere und Konzeptionslosigkeit“.
Was nun pünktlich zur Halbzeit des Senats für die kommenden Jahre festgezurrt wurde, kommt dabei in klimaschutzpolitischer Hinsicht einem Harakiri gleich. So werden allein die Mittel für das „Berliner Programm für nachhaltige Entwicklung II“ ab 2026 mehr als halbiert. Statt der 2023 zugesagten 71,6 Millionen Euro pro Jahr gibt es künftig nur noch 33,5 Millionen.
Mit dem auch von der EU unterstützten Programm sollen unter anderem die klimagerechte energetische Sanierung öffentlicher Gebäude, der Schutz der grünen Infrastruktur oder Projekte der Verkehrswende gefördert werden. Die Betonung liegt auf „sollen“.
Im Wahlkampf spielt die Klimakrise keine große Rolle. Dabei schreitet die Erderhitzung weiter voran. Die taz schaut in dieser Woche dahin, wo es brennt. Alle Texte zum Thema finden Sie hier.
„Zur Wahrheit gehört, dass die Mittel bislang nicht so gut abgerufen wurden“, sagt Linda Vierecke, die klimaschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Aber statt das Programm nun auch noch runterzuschrauben, hätte der Senat dafür sorgen müssen, dass es stärker genutzt wird, so Vierecke zur taz.
Große Versprechen
Dabei war die Koalition zu ihrem Amtsantritt im April 2023 mit großen Versprechen gestartet. „Deutlich vor dem Jahr 2045“ sollte das Land Berlin klimaneutral werden, ihre Politik wollten CDU und SPD „konsequent am 1,5-Grad-Ziel“ ausrichten, den Klimaschutz sogar „als Staatsziel in der Berliner Verfassung“ verankern. So steht es im Koalitionsvertrag. CDU-Senatschef Kai Wegner sprach vom „neuen Schub“ für den Klimaschutz.
In der Realität erlebte Berlin nicht nur keinen Schub. „Klimaschutz, Nachhaltigkeit, das wird inzwischen wie ein Nice-to-have behandelt“, sagt Matthias Krümmel vom BUND. Von der CDU habe er nicht viel mehr erwartet. „Das Kernproblem ist eher, dass die SPD inhaltlich komplett ausgebrannt ist, auch beim Klimaschutz.“
Das stimme so nicht, widerspricht die SPD-Abgeordnete Linda Vierecke. „Die SPD hat sehr wohl verstanden, dass die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Energieversorgung dringend beschleunigt werden muss.“ Es sei die CDU, die blockiere.
Von 12 Anträgen, die Vierecke zum Umwelt- und Klimaschutz in der Koalition eingereicht hat, wurden mindestens 8 von der Union abgelehnt. Darunter auch der, dem Klimaschutz Verfassungsrang zu geben. Vierecke sagt: „Ich war keine Freundin der Koalition, aber hatte mir dann Mühe gegeben, das Positive zu sehen. Inzwischen bin ich von der CDU enttäuscht.“
Gescheitertes Sondervermögen
Bis vor einem Jahr hatten sich nicht nur Viereckes Augen erwartungsvoll auf das Sondervermögen Klimaschutz gerichtet. Bis zu 10 Milliarden Euro wollte der Senat als Kredit aufnehmen, um die notwendigen Investitionen zu stemmen. Die CO2-neutrale Umstellung der Wirtschaft, der Umbau der Wärmeversorgung, energetische Gebäudesanierungen: Das Klimasondergeld sollte es möglich machen.
Im Februar 2024 folgte das Aus. Ein Gutachten kam zu dem Schluss, dass das Sondervermögen nicht mit der Schuldenbremse vereinbar ist – und beerdigte die Pläne.
„Das Erwägen von Alternativen ist Bestandteil vorausschauenden Verwaltungshandelns“, hatte Finanzsenator Evers damals wissen lassen. Berlin, so die Überlegung, könnte die einzelnen Klimaschutzprojekte über Landesunternehmen realisieren lassen, die dafür – unter Umgehung der Schuldenbremse – entsprechende Kredite aufnehmen. Passiert ist seither: nichts.
Stattdessen wurde im Herbst bei der Kürzungsrunde für 2025 der Klimaschutz-Etat der zuständigen CDU-Senatorin Ute Bonde brachial rasiert. Eine Politik, die mit der jetzt beschlossenen Investitionsplanung für die kommenden Jahre fortgeschrieben wird.
Warten auf die Alternativmodelle
Danny Freymark macht keinen Hehl daraus, dass er sich für seinen Bereich insgesamt mehr gewünscht habe. „Das Scheitern des Sondervermögens war im Grunde ein Rückschritt für all die Klimaschutzprojekte in der Stadt“, sagt der klimaschutzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion zur taz.
Zugleich gibt sich Freymark zuversichtlich, dass Berlin die Maßnahmen noch irgendwie hinbekommt, die im Rahmen des Sondervermögens aufgeschrieben wurden: „Das ist ja nicht alles auf der Müllhalde gelandet.“ Ob durch Gewinnentnahmen oder Kreditaufnahmen: „Sicher nicht die große Summe von 10 Milliarden, aber einen wesentlichen Teil davon werden die über 60 Landesunternehmen in Umsetzung bringen.“
Gibt es einen Plan oder gibt es ihn nicht? Linda Vierecke von der SPD reißt langsam der Geduldsfaden: „Ich verstehe nicht, warum die Darlehensalternativen nicht längst auf dem Tisch liegen. Das ist der Job eines Finanzsenators.“
Die Finanzverwaltung selbst mahnt derweil zur Geduld. Ein „Klimapakt mit wichtigen Landesunternehmen“ sei „in Vorbereitung“, teilt eine Sprecherin auf taz-Nachfrage mit. Bis zum Ende des ersten Halbjahres sollen mit den paktierenden Unternehmen Klimaziele und konkrete Klimaschutzinvestitionen vereinbart werden, „die der Senat, soweit erforderlich, auch mit Eigenkapitalzuführungen in den Jahren ab 2026 unterstützen wird“.
BUND sieht schwarz
Anders als Vierecke, die bis zum Ende der Legislatur im – voraussichtlich – September 2026 noch ein paar klimapolitische Dinge auf dem Zettel hat, „die ich erreichen will“, hat der BUND die Hoffnung restlos aufgegeben.
„Die Erwartung ist leider die, dass wichtige infrastrukturelle, aber auch gesetzgeberische Maßnahmen auf der Strecke bleiben, auch wegen gewisser ideologischer Hemmnisse“, sagt Fachreferent Matthias Krümmel vor allem mit Blick auf die Union. Er habe daher seine Zweifel, „dass wir in Berlin noch sicher auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg zur Klimaneutralität bis 2045 sind“.
Eigentlich will Berlin schon bis 2030 seine CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 70 Prozent reduziert haben. Und mit 14,5 Tonnen hatte das Land 2023 den Ausstoß bereits auf gut 50 Prozent unter den Vergleichswert gedrückt. Gegen den Trend ging es gleichwohl in einem Bereich bergauf: dem Straßenverkehr. Mit fast 4 Millionen Tonnen wurde der Wert von 1990 hier sogar übertroffen. Die erst Ende dieses Jahres kommenden Zahlen für 2024 dürften kaum besser werden – der Autopolitik der CDU sei Dank.
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