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Tiefsee-„Todeszonen“ ohne Sauerstoff

Für Fische wie den Dorsch wird die Ostsee durch den Klimawandel zu stickig. Ein Studie des Kieler Geomar ergründet, wie der durch Überdüngung verursachte Sauerstoffmangel gelindert werden kann

Von Esther Geißlinger

„Viele Menschen haben die vereinfachte Vorstellung, dass rote Blutkörperchen lediglich eine Tüte voll mit Hämoglobin sind, die Sauerstoff transportieren“, sagt Till Harter. Doch für Fische und viele andere Tiere treffe das nicht zu, sagt der Experte für Marine-Ökologie.

Am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel leitet der junge Wissenschaftler eine neue Forschungsgruppe, die sich mit der Physiologie des Ostsee-Kabeljaus, auch Dorsch genannt, befasst. Es geht um die Frage, wie der Blutkreislauf der Fische Sauerstoff transportiert und ob sie in der Lage sind, sich auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen. Das ist bitter notwendig, denn in dem Binnenmeer wird die Luft knapp, wie eine andere, gerade abgeschlossene Studie des Helmholtz-Zentrums zeigt.

Wie es der Ostsee geht, erfahren Forschende am genausten am Boknis Eck. An diesem Punkt am Ausgang der Eckernförder Bucht nehmen die Mee­res­kund­le­r:in­nen seit 1957 regelmäßig Proben, aus denen sich Temperatur, Sauerstoffgehalt und Überdüngung ablesen lassen. Es ist damit eine der weltweit ältesten Serienmessungs-Stationen.

Die neuesten veröffentlichten Zahlen zeigen, dass sich die Lage des Gewässers in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert hat. Zwar sei es gelungen, Nährstoffeinträge, etwa aus der Landwirtschaft, zu verringern, heißt es in einer Pressemitteilung des Geomar. Aber die gleichzeitig steigenden Temperaturen verhinderten, dass sich das Ökosystem erhole.

Gerade in den tieferen Schichten entstehen „Todeszonen“ ohne Sauerstoff. Schuld daran ist eine Überproduktion von Plankton und anderen Mikroorganismen, die Sauerstoff verbrauchen, absterben und auf den Grund sinken. Darüber steht im Sommer das wärmere Oberflächenwasser wie eine Decke, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

„Das Problem ist: Die Schichten durchmischen sich kaum“, sagt die Umweltwissenschaftlerin Helmke Hepach, die die Studie leitete. Und weil durch den Klimawandel das warme Wetter länger anhalte, bleibe die Schichtenbildung bis in den Herbst bestehen. Hitzewellen, die bis zum Untergrund reichten, verstärkten das Problem.

„Neuer Sauerstoff kann nur durch kräftige Wassereinströmungen aus der Nordsee, etwa durch Stürme, nachkommen“, sagt Hepach. In ihrer Studie, die im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht wurde, empfehlen die Forschenden, die Überdüngung durch anorganische und organische Nährstoffe stärker zu reduzieren. Denn „die zunehmende Erwärmung und die damit verstärkte bakterielle Aktivität haben langfristig schwerwiegende Folgen für das Ökosystem der Ostsee“.

Mathe-Pionierin Emmy Noether

Emmy Noether wurde 1882 in Erlangen geboren und studierte in Erlangen und Göttingen. Als Frau war sie nur als Gasthörerin zugelassen.

1907 promovierte sie, erhielt aber keine Stelle und arbeitete unentgeltlich am mathematischen Institut Erlangen.

Sie veröffentlichte mehrere Arbeiten und erhielt 1922 eine außerordentliche Professur in Göttingen.

1933 musste die Jüdin die Universität verlassen. Sie emigrierte in die USA, wo sie unter anderem in Princeton lehrte und 1935 starb.

Mit dem Emmy-Noether-Programm ermöglicht die Deutsche Forschungsgesellschaft Nachwuchs-Wissenschaftler:innen aus allen Wissenschaftsbereichen, eine eigene Forschungsgruppe zu leiten und sich damit für eine Professur zu qualifizieren.

Mit der Frage, wie Fische mit den raschen Veränderungen ihrer Umwelt umgehen, befasst sich eine neu gestartete Studie zur Physiologie des Kabeljaus. Beteiligt sind Nachwuchs-Wissenschaftler:innen im Rahmen des Emmy- Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Gruppe „Fish Physiology“ will herausfinden, wie sich die roten Blutkörperchen von Fischen im Zuge des Klimawandels und der steigenden Temperaturen verändern. Im Mittelpunkt stehe der Ostsee-Kabeljau, da er nicht nur für die Fischerei wichtig, sondern auch ein zentraler Bestandteil des Ökosystems sei, sagt Till Harter: „Wird der Kabeljau verdrängt, weil es ihm zu heiß wird, könnte das die gesamte Nahrungskette beeinflussen.“ Ein praktischer Grund kommt hinzu: Der Fisch ist so groß, dass man ihm Blut abnehmen kann.

Frühere Forschungen in anderen Meeresregionen zeigen, dass sich Fische an wärmeres Wasser anpassen können. Bei der Studie in der Ostsee, die auf sechs Jahre angelegt ist und mit 1,5 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgesellschaft gefördert wird, geht es um die Frage, ob zelluläre Mechanismen den Fischen bei dieser Anpassung helfen.

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