piwik no script img

DVD „Kill“ von Nikhil Nagesh BhatDie Kamera schneidet messerscharf mit

Heimliche Liebe und indischer Action-Splatter: in „Kill“ erzählt Regisseur Nikhil Nagesh Bhat ganz ohne Singen und Tanzen über einen Überfall im Zug.

Unterwegs im Zug mit dem indischen Action-Splatter „Kill“ Foto: Roadside Attractions

Als Content Warning und zur Genre-Einordnung gleich dies: Kein Knochen bleibt in diesem Film ungebrochen, das ein und andere Genick erwischt es auch. Der ganze Film ein Hauen und Stechen, ein Action-Splatter, wie es der Titel „Kill“ schon verspricht. Harmlos genug geht es los, ganz wie im Bollywood-Kino-Klischee.

Eine heimliche, jedenfalls vor den Eltern verborgene Liebe verbindet Tulika (Tany Maniktala) aus einflussreicher Familie und den Elitesoldaten Amrit (Lakshya). Nur widerwillig und mit dem Hintergedanken an ihre eigentliche Verlobung fügt sich Tulika in die Verlobung mit einem Fremden, den ihre Eltern für sie ausgesucht haben. Man feiert und im Zug geht es dann mit der ganzen Familie nach Hause zurück.

Im selben Zug aber sitzt Amrit, die beiden verschlingen einander auf der Toilette mit Blicken. Alles scheint auf den Weg gebracht für eine Liebesgeschichte. Es sind jedoch noch andere Gäste an Bord: eine Gruppe bis an die Zähne mit Messern bewaffneter Banditen, die die Passagiere ausrauben wollen. Das klappt, bis sie an Tulikas Familie geraten. Bald bekommen sie es mit Amrit und seinem Elitesoldaten-Best-Buddy Viresh (Abishek Chauhan) zu tun, die schon von Berufs wegen im Hauen und Stechen und Knochenbrechen geübt sind.

Enthemmter Blutrausch

Die DVD

„Kill“: Indien 2023, Regie: Nikhil Nagesh Bhat. Die DVD ist ab rund 17 Euro im Handel erhältlich.

Die Räume sind eng, es ist ein Zug der schmalen Gänge, die von Abteilen mit Vorhang gesäumt sind. Eine ganze Weile geht es zur Sache, bis etwas passiert, das vermutlich auch den hartgesottenen Kenner des Genres durchaus überrascht: eine narrative Entgleisung, die nicht zuletzt durch die nun erst, nach einer runden Dreiviertelstunde erfolgende Titel-Einblendung markiert wird: „KILL“ steht im kurz eingefrorenen Bild. Der Rest ist nicht Schweigen, sondern ein alle Beteiligten zusehends enthemmender Blutrausch.

Action in Zügen, das ist im Kino eine alte Geschichte. Mit dem Zwölfminüter „The Great Train Robbery“, einem der ersten Western überhaupt, ging es 1903 im Stummfilm schon los. Zuletzt hat etwa Bong Joon-ho mit „Snowpiercer“ (2013), seiner Verfilmung eines französischen Comics, eine postapokalyptische Klassenkampf-Story zum im rasenden Zug spielenden Thrillride gemacht. In David Leitchs so brutalem wie komisch gemeinten „Bullet Train“ (2022) verhackstückt Brad Pitt als Profikiller Ladybug den einen und anderen Co-Passagier des Shinkansen (der aus der japanischen Romanvorlage stammt).

„Kill“ dagegen hat letztlich weder an Klassenkampf-Allegorien noch an Komik viel Interesse. Auch nicht am Masala-Bollywood-Drama. „Du bist hier nicht Amitabh Bachchan in „Mohabbatein“, sagt eine der Figuren einmal, in Anspielung auf eine grandiose Schnulze, bei der Karan Johan Regie geführt hat, einer der Großen im Hindi-Kommerzfilm, der nun auch „Kill“ koproduziert hat.

Kein Singen und Tanzen

Das kann man wohl sagen, denn gesungen und getanzt wird in diesem Film nicht. Die Gewalt ist roh, aus Körpern wird Matsch, das Hackebeil fliegt, die Kamera schneidet messerscharf mit.

Dabei spielt den finstersten und gelenkigsten der Gegenspieler Amrits sogar ein Tänzer, Raghav Juyal, in Indien ausgerechnet für seinen extravaganten Slow Motion Dance prominent. Hier aber nichts mit Slow Motion, die Darsteller haben sich vor dem Dreh in Mixed Martial Arts fortgebildet, die Kämpfe in Gängen sind dementsprechend extrarasant.

Regisseur und Drehbuchautor Nikhil Nagesh Bhat erzählt, die Sache gehe auf einen Überfall im Zug zurück, den er selbst vor dreißig Jahren erlebte. Schön, dass er die Welt nun so eindrücklich an seiner Traumabearbeitung teilhaben lässt. Und ob man nun immer hinschauen mag oder nicht: Für den Hindi-Kommerzfilm ist „Kill“ in seiner Fixierung auf stumpfe Gewalt etwas, das es so noch nicht gab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!