Altkleider-Recycling: Alte Kleider, viele Probleme
Auch beschädigte Kleidung darf seit Jahresanfang nicht mehr im Hausmüll entsorgt werden. Doch die neue EU-Regel im Sinne des Umweltschutzes hat Tücken.
Doch damit soll nun Schluss sein. Seit Jahresanfang dürfen keine Alttextilien mehr im Hausmüll entsorgt werden, auch nicht, wenn sie kaputt sind. Es gilt die Altkleiderverordnung der EU, wie sie umgangssprachlich heißt. „Die korrekte Bezeichnung bezieht sich auf die Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie der EU, welche durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz in nationales Recht umgesetzt wurde“, erklärt Dirk Böttner-Langolf, Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft. „Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, bis zum 1. Januar 2025 ein System zur getrennten Sammlung von Alttextilien und Textilabfällen einzuführen.“ Auch Bettwäsche, Vorhänge, Handtücher und Teppiche sollen davon erfasst werden. Ziel ist, die Fasern wiederzuverwenden.
Allerdings hat das neue System einige Haken: Erstens gibt es für viele Stoffe noch gar kein Recyclingverfahren. Zweitens bestehen Stoffe selten aus nur einer Faser, oft handelt es sich um ein Gemisch aus Baumwolle, Acryl, Viskose, Elastan. Wie auch bei Kunststoff oder Baustoffabfällen ist es kompliziert, Mischungen zu recyceln. Drittens werden die Altkleider nicht sortenrein gesammelt, sie müssen erst getrennt werden.
„In der Regel geschieht das manuell“, sagt Hannah Lorösch, die beim Öko-Institut Freiburg zu nachhaltigem Konsum forscht. Sprich: Menschen sortieren die Altkleider in „noch brauchbar“ und „nicht mehr brauchbar“. „Dann gibt es Infrarotverfahren, mit denen bestimmte Fasern aussortiert werden können.“ Allerdings seien diese nur bis zu einer Reinheit von etwa 8 Prozent genau, aus einer alten Leinenhose lasse sich deshalb keine neue Leinenmütze machen. „Das Problem ist aber gar nicht die Sortierung: Es ist die Verwertung“, sagt Lorösch: Derzeit gebe es mehr recyceltes Stoffmaterial, als von der Industrie nachgefragt wird.
Neue Produkte sollen leichter recyclebar sein
„Mit der Neuregelung sind Hersteller und Produzenten angehalten, ihre Produkte so zu gestalten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus leichter recycelt werden können“, sagt Verbandssprecher Dirk Böttner-Langolf. Das umfasse die Auswahl geeigneter Materialien und des Designs, die das Recycling erleichtern. Aber auch die Entsorgungs- und Recyclingunternehmen seien gefragt: „Sie müssen Technologien und Prozesse entwickeln, um die gesammelten Textilabfälle effizient zu sortieren und in den Produktionskreislauf zurückzuführen.“
Die derzeitigen Kleidercontainer werden von Betreibern unterhalten, die alte Kleidung wieder in Verkehr bringen wollen – als „Vintage“-Ware, „Zweite Hand“ oder außerhalb der EU. Deshalb haben diese Betreiber Sorge, dass jetzt alle abgetragenen Stoffe bei ihnen landen. „Bitte nicht“, sagte Thomas Ahlmann, Geschäftsführer von FairWertung, des Verbands gemeinnütziger Sammelstellen, dem ZDF. „Das würde das System zum Einsturz bringen.“ Der Verband spricht von „Kleiderspende“ – es geht ihm also nicht um das Recyceln von Stoffen, sondern um die Wiederverwertung von Kleidung.
„Das Sammelsystem ist in Deutschland – verglichen mit anderen europäischen Staaten – schon ganz gut“, urteilt Hannah Lorösch vom Öko-Institut. Trotzdem müssen auch hierzulande neue Sammelsysteme etabliert werden. „Erfahrungsgemäß kann das zwischen 12 und 36 Monate dauern“, sagt Verbandssprecher Böttner-Langolf. Solange dieses System noch fehlt, sollten Verbraucher das Entsorgungsverbot im Hausmüll noch nicht wörtlich nehmen, raten Verbraucherschützer. Philip Heldt, Experte der NRW-Verbraucherzentrale: „Sonst können auch die anderen, noch verwertbaren Textilien in der Sammlung unbrauchbar werden“.
Aktuell wird in den Mitgliedsstaaten nur 1 Prozent der Altkleidung recycelt. Dabei verschmutzt die Textilindustrie wie kaum eine andere Branche die Umwelt. Sie verursacht mehr Treibhausgase als der internationale Flug- und Schiffsverkehr zusammen, verpestet die Natur mit Mikroplastik aus synthetischen Fasern und ist für 20 Prozent der Wasserverschmutzung verantwortlich. Um ein Baumwoll-T-Shirt herzustellen, sind 2.700 Liter Süßwasser erforderlich – so viel, wie ein Mensch in 2,5 Jahren trinkt.
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