Abspaltung von Syriza in Griechenland: Bald zehn Parteien im Parlament
Griechenlands ehemalige Vorzeigepartei Syriza will mit einem neuen Chef durchstarten – während der geschasste alte Chef eine neue Partei gründet.
Der 58-jährige Famellos, seit Januar 2015 Abgeordneter im Athener Parlament, fungierte von November 2016 bis Juli 2019 als stellvertretender Umwelt- und Energieminister in der Regierung II unter dem linken Premier Alexis Tsipras. Obgleich Famellos beim ersten Wahlgang unter vier Kandidaten die zum Wahlsieg erforderliche Mehrheit von 50 Prozent plus einer Stimme knapp verfehlte, kommt es nicht zu einer Stichwahl am nächsten Sonntag.
Denn der Syriza-Abgeordnete Pavlos Polakis, der mit 43,51 Prozent der Stimmen überraschend gut abschnitt, verzichtete noch am Wahlabend in einer vereinigenden Geste mit starker Symbolkraft darauf und erkannte Famellos als Sieger an. „Syriza ist da und aufrecht“, sagte der neue Syriza-Chef Sokrates Famellos im Beisein der übrigen Kandidaten am Sonntagabend vor dem Syriza-Parteigebäude in Athen. Er versprach, dass „wir ein neues Syriza aufbauen werden“. „Wir drücken den Knopf des Neustarts“, sagte er.
Famellos will Syriza nach einem halben Dutzend Spaltungen und Abspaltungen sowie einem jähen Absturz in der Wählergunst abermals auf Vordermann bringen.
Auch Ex-Syriza-Chef Kasselakis macht weiter Politik
Ausgerechnet am Samstag – am Vorabend der Wahl des neuen Syriza-Chefs Famellos – stellte der nach heftigen Turbulenzen von den Syriza-Parteiorganen als Parteichef geschasste und von der Wahl zum neuen Chef ausgeschlossene Stefanos Kasselakis eine neue Partei vor. Die Bewegung der Demokratie (Kinima Dimokratias) sei „linker als die Linke und mittiger als die Mitte“ und mithin „der Inbegriff einer modernen Mitte-Links-Partei“, so Kasselakis’ eher wolkige Umschreibung.
Der 36-jährige Sunnyboy aus Miami, der mit 14 in die USA zog und es dort zum Millionär brachte, hatte im September 2023 nach dem Rücktritt von Syriza-Ikone Alexis Tsipras die Stichwahl zum Syriza-Parteichef mit 56 Prozent der Stimmen gewonnen. Er wolle die seit dem Juli 2019 alleine regierende konservative ND unter Premier Kyriakos Mitsotakis aus dem Amt jagen, so seine Marschrichtung damals.
Stattdessen verließen aus Protest gegen Kasselakis elf Abgeordnete die Syriza, behielten ihr Parlamentsmandat und gründeten die Neue Linke. Κasselakis’ Bewegung der Demokratie sind bisher fünf Abgeordnete gefolgt. Sie haben ebenso Syriza verlassen, auch sie halten an ihrem Parlamentsmandat fest. Ihrem Beispiel dürften weitere Abgeordnete folgen.
Schon jetzt hat Syriza seinen Status als stärkste Oppositionskraft in Athen an die sozialdemokratische Pasok verloren. Syriza zählt in der 300 Sitze umfassenden Boule der Hellenen nur noch 29 Sitze – von ursprünglich 47 nach den Wahlen im Juni 2023. Die Pasok verfügt nun über 31. Mit der neu gegründeten Kasselakis-Partei werden sich dort bald zehn Parteien tummeln – so viele wie nie zuvor seit dem Ende der Athener Obristendiktatur vor 50 Jahren im demokratischen Griechenland.
Anmerkung: Elf Abgeordnete – statt wie ursprünglich angegeben zehn – haben die Syriza verlassen. Wir haben das korrigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!