: Lasst den Film nicht bluten
Die Novellierung des Filmförderungsgesetzes sollte ab Januar 2025 eingeführt werden. Doch durch das Ampel-Aus droht nun auch das eventuelle Aus der Filmlandschaft
Von Derya Türkmen
Die Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG), die als Grundlage für eine umfassende Reform der deutschen Filmbranche für den 1. Januar 2025 geplant war, steht nach dem Aus der Ampelkoalition auf der Kippe. Eigentlich sollte das Gesetz ursprünglich noch in diesem Jahr verabschiedet werden, doch wegen der fehlenden zweiten und dritten Lesung im Bundestag droht die Novelle zu scheitern. Ohne rechtzeitige Verabschiedung läuft das aktuelle Filmförderungsgesetz nach zwei Verlängerungen Ende Dezember 2024 aus – ein Szenario, das massive Auswirkungen auf die Branche hätte.
Ohne ein gültiges FFG gäbe es keine gesetzliche Grundlage für die Abgaben von Verwertern wie Streamingdiensten, Fernsehsendern und Kinobetreibern an die Filmförderanstalt (FFA). Diese Abgaben fließen direkt in die Förderung neuer Filmprojekte. Allein im letzten Jahr bewilligte die FFA rund 70 Millionen Euro Fördergelder. Ohne diese Mittel drohen der Filmindustrie Insolvenzen, Arbeitsplatzverluste und ein Einbruch der Produktion.
Die Reform des FFG ist Teil eines größeren Konzepts, das die deutsche Filmindustrie international wettbewerbsfähiger machen soll. Neben der Novellierung des Filmförderungsgesetzes, das als erste Säule gilt, umfasst der Plan ein Investitionsprogramm sowie Steueranreize. Das Investitionsprogramm sieht höhere Pflichtabgaben von Streamingdiensten und Mediatheken-Betreibern vor.
Die Verhandlungen dazu gestalten sich jedoch schwierig. Eine Einigung gibt es hierzu noch nicht. Die dritte Säule, Steueranreize für die Filmproduktion in Höhe von bis zu 15 Prozent, sollte Unternehmen zusätzliche Anreize bieten, in Deutschland zu drehen und zu investieren. Auch hier hakt es jedoch an der Umsetzung, weshalb diese beiden Säulen aktuell wanken.
Trotz der Unsicherheiten wurden im Rahmen der FFG-Novelle bereits einige wichtige Neuerungen eingeführt. Dazu gehören Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit, eine stärkere Förderung von Diversität und Innovationen bei der Vergabe von Fördermitteln. Außerdem wurden klare Kriterien geschaffen, um Fördergelder effektiver zu verteilen und die Filmbranche zukunftsfähiger zu machen. Diese Änderungen sollen unter anderem die Internationalität und Digitalisierung der deutschen Filmproduktion stärken.
Sollte das FFG nicht rechtzeitig verabschiedet werden, wäre das ein enormer Rückschlag für die ganze Branche. Ein „Worst-Case-Szenario“ wäre, dass es weder ein neues FFG noch ein Verlängerungsgesetz für das noch bestehende FFG geben würde. Und ohne die gesetzliche Grundlage entfielen die Abgaben an die FFA und damit die finanzielle Basis der Filmförderung.
Ein Sprecher der Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärt die Lage wie folgt: „Die Reform der Filmförderung ist für die Kulturstaatsministerin ein zentrales Anliegen und sie setzt sich gerade mit aller Kraft dafür ein, dass dieses für den Filmstandort Deutschland und für die gesamte Filmbranche hierzulande so wichtige Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden kann. Dafür müsste auch eigentlich eine parteiübergreifende Mehrheit im Bundestag möglich sein, da diese Reform auch von unionsgeführten Bundesländern wie Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin unterstützt wird, die als wichtige Orte des Filmschaffens auch besonders dringend darauf angewiesen sind.“
Die Produktionsallianz, ein Zusammenschluss führender Filmproduktionsunternehmen, warnt vor Insolvenzen und Arbeitsplatzverlusten. Gegenüber der Filmfachzeitschrift Blickpunkt Film bezeichnete der Geschäftsführer der Produktionsallianz, Björn Böhning, das FFG als „alternativlos“ und appelliert an die Politik, eine umfassende Krise der Branche zu verhindern. Auch der Hauptverband der Filmtheater sieht das geplante Reformwerk als unverzichtbar, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Filmindustrie zu sichern.
Das politische Aus der Ampelkoalition erschwert die Umsetzung des FFG erheblich. Die CDU, die sich bislang als verlässliche Partnerin der Filmwirtschaft gezeigt hatte, signalisiert zwar Unterstützung, knüpft diese aber an die Vertrauensfrage, die Bundeskanzler Olaf Scholz im Dezember stellen will. Laut CDU soll die Novellierung des FFG erst nach Klärung der Vertrauensfrage verabschiedet werden – frühestens Mitte Dezember, kurz vor Weihnachten. Ob dies tatsächlich geschieht, bleibt fraglich.
Sollte die Novelle scheitern, droht der deutschen Filmindustrie nicht nur ein massiver Einbruch, sondern auch ein Imageschaden auf internationaler Ebene. Die deutsche Filmförderung ist essenziell, um qualitativ hochwertige Produktionen zu sichern und den Standort Deutschland für Filmemacher attraktiv zu halten. Die Zeit für die Politik drängt, denn ohne eine schnelle Einigung stehen nicht nur zahlreiche Projekte, sondern auch die gesamte deutsche Filmbranche auf dem Spiel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen