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KI für EU-GrenzschutzGrenzenlose Überwachung

Die NGO AlgorithmWatch hat 24 Projekte untersucht, die zum Einsatz von KI im EU-Grenzschutz genutzt werden sollen. Die Ergebnisse seien „verstörend“.

Wer in Zukunft in die EU einreisen will, muss sich möglicherweise von virtuellen ‚Grenzbeamten‘ scannen lassen Foto: Georg Kühn/plainpicture

Berlin taz | „Dichte Wälder, hohe Berge, unwegsames Gelände, Meeres- und Flussgebiete“ – der „Grenzvorbereich“ ist unübersichtlich. Wie praktisch für Grenzschützer wäre es da, wenn eine künstliche Intelligenz alles erfasst, was für „Risikoanalyse und Situationsbewusstsein“ in Sachen Migrationsbewegungen relevant ist? Ein solches System soll das Projekt Nestor entwickeln: eine „KI-basierte Überwachungsplattform für die vollständige Überwachung der EU-Grenzen und darüber hinaus“, wie es in der Beschreibung heißt.

Ein Dutzend Behörden und Unternehmen, darunter die griechische Polizei und die Überwachungstechnologiefirma Oceanscan, haben sich dafür zusammengetan. Rund 6 Millionen Euro konnten sie von 2021 bis 2023 für das Nestor-Entwicklungsprogramm ausgeben, davon 5 Millionen von der EU. Nestor ist eines von mindestens 24 Entwicklungs- oder Pilotprojekten, die klären sollen, wie künstliche Intelligenz für die automatisierte Sicherung der EU-Außengrenzen genutzt werden kann.

Was die EU unter verantwortungs­voller KI-Politik versteht, ist verstörend

Fabio Chiusi, AlgorithmWatch

Die NGO AlgorithmWatch hat diese 24 Projekte untersucht. Am Mittwoch stellte sie die Ergebnisse unter dem Titel „Automation on the Move“ vor. Sie wollte prüfen, welche ethischen Probleme in der neuen Technologie stecken und was ihr Einsatz für Menschen bedeutet, die auf dem Weg nach Europa sind.

Es sei „verstörend zu sehen, was die EU unter verantwortungsvoller KI-Politik versteht“, sagt Fabio Chiusi von AlgorithmWatch. „Was hier beschönigend als Reiseerleichterungen bezeichnet wird, sind Überwachungsmethoden, die Menschen in erwünschte und unerwünschte Reisende einteilen.“

Migration werde nur als Problem betrachtet

Die meisten der KI-basierten Erkennungsverfahren seien diskriminierend und fehlerhaft. Unter anderem handelt es sich bei den Systemen etwa um „virtuelle Grenzbeamte“ mit „angeschlossenem Lügendetektor“, Handvenen-, Infraschall- und Irisscanner, Bewegungstracking, Hochleistungssensoren.

Migration werde „ausschließlich als Problem bewertet und fast nur durch die Brille von Verbrechensbekämpfung betrachtet“, heißt es weiter bei AlgorithmWatch. Man versuche, den „Folgen von Krieg und Hunger mit KI und Überwachung beizukommen“.

Und: Die Technologie könnte auch für andere Zwecke als den Grenzschutz eingesetzt werden. „Es gab bisher kaum eine Überwachungstechnologie, deren Einsatz nicht früher oder später auch von den Sicherheitsbehörden im Inland gefordert worden ist“, sagt Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von AlgorithmWatch.

Auch mit dem Einsatz für militärische Zwecke sei zu rechnen – teils werde bereits mit dem Militär kooperiert. Das Lukaschenko-Regime in Belarus sei bis 2022 an mindestens zwei der Projekte beteiligt gewesen.

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2 Kommentare

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  • Die verstörenden Ergebnisse sind Folgen von verstörenden Geschehnissen weltweit.

    • @Erfahrungssammler:

      Ein Perpetuum Mobile.