Meduza-Auswahl 10. – 16. Oktober: An wen gibt Telegram Daten weiter?
Das Exilmedium Meduza baut auf eine Recherche von Human Rights Watch auf. Es visualisiert die Datentransparenz des sozialen Netzwerks.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 10. bis zum 16. Oktober 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Warum ist das Atomkraftwerk Kursk nicht besser geschützt?
Das russische Atomkraftwerk (AKW) Kursk liegt nur wenige Kilometer von der Front entfernt. Anfang Oktober berichteten russische Medien, dass nur circa fünf Kilometer vom Atomkraftwerk Kursk entfernt Drohnen abgeschossen wurden. Im Gegensatz zum ukrainischen Kernkraftwerk Saporischschja ist die Anlage in Kursk noch in Betrieb – und sie ist nicht dafür ausgelegt, militärischen Angriffen standzuhalten. Meduza veröffentlicht die englischsprachige Fassung einer Recherche der unabhängigen russischen Nachrichtenagentur Verstka.
Atomenergieexperten und Quellen innerhalb des staatlichen russischen Atomkonzerns Rosatom erklären, wie gut – oder eben schlecht – das AKW Kursk gegen militärische Bedrohungen geschützt ist und welche Folgen eine Beschädigung haben könnte. Der Leiter der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Grossi, äußerte bei einem Besuch im August Bedenken hinsichtlich der Anfälligkeit der Anlage. Quellen aus dem Umfeld von Rosatom, dem staatlichen russischen Atomenergieunternehmen, unterstützen diese Einschätzung, ebenso wie unabhängige Experten.
Erst entführt, dann gefügig gemacht
Im Jahr 2021 wurde sein Flugzeug vom Lukaschenko-Regime mit einer falschen Bombendrohung nach Belarus geleitet – und er dort aus der Maschine entführt: Der oppositionelle belarussische Journalist Roman Protassewitsch und seine russische Freundin Sofia Sapega kamen erst ins Gefängnis und wurden später begnadigt – weil sie mit den Behörden kooperierten. Am Montag veröffentlichte eine bekannte russische Moderatorin ein zweistündiges Videointerview mit Protassewitsch. Anwesend war auch der belarussische Propagandist Rygor Asaronak. Meduza fasst die wichtigsten Passagen zusammen (englischer Text).
Das erste Jahr nach der Freilassung habe er stets überlegt, Belarus zu verlassen. Am Ende blieb er doch in dem Land, wo er nicht mehr als Journalist arbeiten kann. Inzwischen arbeitet er als Schweißer. Noch in U-Haft, erzählt er im Interview, wurden ihm 25 Jahre Gefängnis angedroht: „Ich wäre zum politischen Gefangenen ernannt worden und eine Gasse in einer mittelgroßen europäischen Stadt hätte man nach mir benannt. Und was dann?“, fragt er.
An wen Telegram Nutzerdaten weitergibt
Anfang Oktober – etwas mehr als einen Monat nach der Festnahme von Telegram-Gründer Pawel Durow – begann eine Recherche zur Transparenz des Instant-Messaging-Dienstes. Ein dafür programmierter Bot zeigte, welche Anfragen Regierungsbehörden gestellt hatten, um Daten, IP-Adressen und Telefonnummern bestimmter Nutzer zu bekommen. Meduza veröffentlicht Informationen darüber samt einer Weltkarte und einer Tabelle, die das Datenvolumen zeigt (russischer Text).
Dahinter steckt die Arbeit von Etienne Meinier von Human Rights Watch, der sich selbst als Aktivist, Hacker und Sicherheitsforscher bezeichnet. Bislang hat er Daten zu 44 Ländern gesammelt.
„Opas“ für die russische Armee
Während der Krieg in der Ukraine im dritten Jahr anhält, füllen sich die Reihen der russischen Armee zunehmend mit älteren Kämpfern – „Opas“ über 50. Darüber schreibt das unabhängige russische Medium Verstka. Aus russischen Regierungs- und Militärkreisen wird berichtet, dass die Zahl der über 45-jährigen Dienstleistenden an der Front seit Anfang des Jahres stetig gestiegen ist. Das lässt sich auch durch Daten über russische Opfer aus offenen Quellen bestätigen.
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Soldaten an der Front sehen den Trend als Problem – denn ältere Rekruten kämen mit den körperlichen Anforderungen des Krieges nicht zurecht. Meduza veröffentlicht eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Recherche von Verstka auf Englisch. Das Durchschnittsalter der Soldaten sei definitiv gestiegen, erklärt ein Soldat gegenüber Verstka. „Fünfzig Prozent in unserem Sektor sind alte Männer, und sie werden niedergemäht“, schreibt ein anderer, der in der ukrainischen Region Charkiw stationiert sein soll. Ein Soldat, der an der Front im besetzten Donezk kämpft, äußerte sich ähnlich: „Seit Beginn des Sommers hat unser Regiment in der Nähe von Tschassiw Jar etwa die Hälfte seiner Leute verloren.“
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