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Amarillo protestiert: Belangt werden können im kommunalen Gesetzesvorhaben alle, die bei einer „freiwilligen Abtreibung“ helfen Foto: Justin Rex/ap/picture alliance

Abtreibungsrechte in den USAEine Stadt im Kampf um reproduktive Freiheit

In Texas sind Abtreibungen fast komplett illegal. Ein Ortsbesuch vor der Wahl in Amarillo, wo radikale Abtreibungsgegner ein perfides lokales Gesetz fordern.

V iele Autos, Waffen und Staub. Wie im Wilden Westen. Die Stadt Amarillo im Norden Texas ist wohl so, wie man sich klischeemäßig Texas vorstellt. Der Norden des Bundesstaates liegt direkt an der historischen Route 66. Der berühmteste Highway des Landes – er steht für eine Reise durch das alte, das traditionelle Amerika. In der „gelben Stadt“ Amarillo führt sie einen auch am Steakhaus „The Big Texan“ vorbei – wer hier ein 2,4 Kilo Steak innerhalb einer Stunde isst, muss dafür nicht zahlen.

Nicht weit davon liegt die Comanche Trail Church of Christ, eine der vielen Kirchen in der Stadt. Davor blinkt ein Leuchtschild: „Everyone’s welcome!“ Hört man den Menschen drinnen zu, auch dann reist man ein Stück in dieses alte Amerika zurück. Denn an einem Donnerstagabend Mitte Oktober geht es auf einem Panel um Abtreibungen.

„Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn es keine Abtreibungskliniken gäbe“, predigt Mark Lee Dickson, Pastor und bekannter Abtreibungsgegner. „Wir brauchen diese Einrichtungen nicht, denn sie schaden Frauen, verwehren ihnen das Muttersein und nehmen ihren ungeborenen Kindern das Leben.“ Immer wieder ertönt Applaus aus der Menge, dazwischen rufen einige Gäste „right“ oder „Amen“.

Mark Lee Dickson, reaktionärer Pastor und Anti-Abtreibungs-Aktivist Foto: Annie Rice/imago

Ungewollt Schwangere haben es im Staat Texas bereits sehr schwer, Zugang zu Gesundheitsversorgung zu bekommen, denn Schwangerschaftsabbrüche sind im „Lone Star State“ fast vollständig illegal. Von Amarillo aus liegt die nächste Klinik 463 Kilometer entfernt, in Albuquerque im Nachbarstaat New Mexico. Aufgrund der Gesetzeslage sehen sich viele Frauen gezwungen, für einen Eingriff in benachbarte Bundesstaaten zu reisen. Und genau das will Dickson verhindern.

Am 5. November, dem Tag, an dem die USA über eineN neueN Prä­si­den­t*in entscheiden, wird in Amarillo noch über etwas anderes abgestimmt: „Proposition A“. Konkret ist das eine „Ordinance“, rechtlich entspricht das in Deutschland einer kommunalen Satzung oder Ortsgesetzgebung. Würde „Prop A“, so die Kurzform, angenommen, würde Amarillo zu einer „sanctuary city for the unborn“ also einer „Zufluchtsstadt für Ungeborene“, erklärt.

In Amarillo soll es verboten werden, dort Straßen zu nutzen, um in abtreibungsliberale Bundesstaaten weiterzureisen

Verboten wäre dann, Amarillos Straßen zu benutzen, um in Bundesstaaten zu reisen, in denen Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sind. Der Stadtrat von Amarillo – fünf weiße, konservative Männer – hatte im Juni 2023 Dicksons Ordinance-Entwurf abgelehnt. Die Entscheidung war eindeutig: 4 zu 1. Argumente gegen die Verordnung waren rechtliche Bedenken, das Image von Amarillo und Fragen zur Durchsetzbarkeit.

Kontrolliert werden soll in dem Entwurf nämlich nicht von staatlicher Seite aus – die Ordinance würde sich auf Zivilklagen stützen. Konkret bedeutete dies, dass sich Nach­ba­rin­nen und Ein­woh­ne­r*in­nen gegenseitig kontrollieren und bei Verstößen verklagen könnten. Wird das kommunale Gesetz wirklich am 5. November angenommen, stünden Strafen in Höhe von bis zu 10.000 US-Dollar im Raum. Belangt werden könnten alle, die bei einer „freiwilligen Abtreibung“ unterstützen oder helfen. Das steht jetzt für die Bür­ge­r*in­nen der Stadt auf dem Stimmzettel.

Außerdem soll der Besitz oder Vertrieb von Abtreibungspillen kriminalisiert werden. Die Ordinance würde es ermöglichen, Organisationen rechtlich zu belangen, die Frauen mit Abtreibungs­pillen versorgen. Derzeit ist es in den USA legal, die Medikamente Mifepristone und Misoprostol bis circa zur zehnten Schwangerschaftswoche einzunehmen. Diese Nutzung ist in den letzten zwei Jahren enorm gestiegen.

43 Prozent der Frauen im reproduktiven Alter, sowie trans und nonbinäre Menschen leben in US-Staaten mit beschränkten reproduktiven Rechten

Das hängt wohl mit der Entscheidung des Supreme Court aus dem Juni 2022 zusammen. Der Oberste Gerichtshof der USA beschloss damals, dass das Recht auf Abtreibung nicht mehr durch die Verfassung geschützt ist. In der Folge des bekannten Urteils „Roe v. Wade“ wurde Frauen fast 50 Jahre lang die komplette sexuelle Selbstbestimmung garantiert. Seit dem Ende von „Roe v. Wade“ können die 50 Bundesstaaten selbst über die Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen entscheiden. Texas verschärfte kurz danach als einer der ersten das Gesetz. Nun gilt dort eines der strengsten Abtreibungsverbote der USA: Abbrüche sind nach zirka sechs Wochen der Schwangerschaft bereits verboten, auch wenn viele Frauen zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal wissen, dass sie schwanger sind.

Insgesamt hat die Situation landesweit zu einer Art Flickenteppich geführt. In 14 US-amerikanischen Bundesstaaten sind Schwangerschaftsabbrüche weitgehend verboten, vier weitere Staaten verbieten Abtreibungen nach der sechsten Schwangerschaftswoche. 43 Prozent aller Frauen im reproduktiven Alter sowie trans und non­binäre Menschen leben derzeit in US-Staaten, die ihre reproduktiven Rechte einschränken.

Kaum ein Thema spaltet die USA so sehr wie die Frage der Abtreibungen, und kaum ein Thema hat eine so hohe Sprengkraft im momentanen Wahlkampf um die Präsidentschaft. Denn durch das Ende von „Roe v. Wade“ ist das alte Streitthema Abtreibung wieder in den Mittelpunkt der Politik gerückt. Laut aktuellen Zahlen des Pew Research Centers finden sechs von zehn Amerikaner*innen, dass Abtreibungen legal und zugänglich sein sollten. Viele der Befragten sind außerdem der Meinung, dass die Regierung sich aus dem Thema heraushalten sollte.

Die Demokraten haben sich im Wahlkampf früh als „Pro-Choice“ positioniert, Kamala Harris macht das noch wesentlich deutlicher als Noch-Präsident Joe Biden. „Wir vertrauen Frauen und wir werden immer für den Schutz ihrer reproduktiven Freiheit kämpfen“, schrieb sie vor einer Woche auf ihrem Instagram-Kanal. Würde sie Präsidentin, wolle sie das Recht auf Abtreibung landesweit wieder gesetzlich verankern. In ihren Reden beschuldigt Harris ihren Rivalen Donald Trump, für die derzeitige Lage und das Chaos in den Bundesstaaten verantwortlich zu sein.

Totengräber liberaler Abtreibungsgesetze

Denn das Ende von „Roe v. Wade“ passierte unter Präsident Donald Trump – er ernannte drei „Pro-Life“-Richter am Supreme Court. Noch diesen Mai prahlte Trump: „Ich habe Roe v. Wade gekippt, und keiner hätte gedachte, dass ich das tun würde.“ Doch seitdem ist ihm ein wichtiger Teil seiner Wählerschaft teilweise weggebrochen – nämlich viele der weißen, republikanischen Frauen der Mittelklasse, die ihm 2016 mit zum Wahlsieg verhalfen. Die Republikaner wissen, dass das Thema Schwangerschaftsabbrüche politisch für sie toxisch ist. Derzeit gibt Trump sich moderater, erklärt plötzlich, kein nationales Abtreibungsverbot erlassen zu wollen.

Der Gender Gap im Wahlverhalten ist so kurz vor der US-Wahl größer und tiefer denn je. Laut einer der aktuellsten, landesweiten Umfragen von USA Today und der Bostoner Suffolk University unterstützen Frauen entschieden die Kandidatin Kamala Harris mit 53 Prozent im Vergleich zu 36 Prozent bei den Männern. Bei Donald Trump ist es genau andersherum: 53 Prozent der Wähler unterstützen ihn und 37 Prozent der Wählerinnen.

Im Land tobt ein erbitterter Kampf um die Zukunft der reproduktiven Freiheit, und Amarillo steckt mittendrin. Der Konflikt in dieser Stadt verdeutlicht im Kleinen und exemplarisch den Kulturkampf im ganzen Land. Die Abstimmung über eine, übersetzt, „Zufluchtsstadt für Ungeborene“ würde das Schicksal der Frauenrechte in Texas und darüber hinaus prägen. Bedeuten würde eine gewonnene Abstimmung eine weitere Radikalisierung im Kampf gegen Abtreibungen.

Laut des Non-Profit-Nachrichtenportals „Amarillo Tribune“ gibt es bereits 69 Städte in sieben Bundesstaaten, die „Zufluchtsstadt für Ungeborene“ sind, seit Dickson die Initiative 2019 startete. Aber warum auch ausgerechnet Amarillo? Die rund 200.000-Einwohner*innen-Stadt ist strategisch wertvoll für Dicksons Vorhaben, weil sie ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist. Ihre Fernverkehrstraßen verbinden die Stadt mit New Mexico und Colorado im Westen. Ungewollt Schwangere aus Oklahoma, Arkansas oder Louisiana müssen mit dem Auto zwangsläufig durch Amarillo über die alte Route 66 reisen, um die Möglichkeit zu haben, abzutreiben.

Gefährliche Verordnung

Die Frauen selbst sollen aber nicht belangt werden, sondern jene, die ihnen helfen, sie also beispielsweise mit dem Auto zu einer Abtreibungsklinik fahren. „Einer der gefährlichsten Aspekte dieser Verordnung ist, dass sie es Privatpersonen erlaubt, jeden zu verklagen, der ihrer Meinung nach gegen das Gesetz verstößt – ohne Beweise. Dies öffnet die Tür für leichtfertige Klagen, die aus Bosheit oder Arglist eingereicht werden und bei denen sich die Angeklagten in kostspieligen Rechtsstreitigkeiten verteidigen müssen“, kritisiert die Amarillo Reproductive Freedom Alliance (ARFA) das Vorhaben.

Die Organisation leistet in Amarillo großen Widerstand gegen die „Proposition A“. ARFA ist es leid, ständig die gleiche Rhetorik zu hören. Vermeintliche Argumente etwa wie: Frauen müssten eine Schwangerschaft austragen, ansonsten würden sie in der Hölle schmoren. Im Juli 2023 gründete sich die Organisation, die von einer Kerngruppe von sechs Frauen geleitet wird. Für sie geht es um ihre Freiheit und ihr Recht auf Selbstbestimmung. ARFAs momentane Mission ist es, die Ein­woh­ne­r*in­nen von Amarillo über „Prop A“ aufzuklären.

Keine von ihnen hatte am Anfang viel Erfahrung, eine politische Kampagne in dieser Größe auf die Beine zu stellen, alle sind ehrenamtlich dabei. Doch nun sind sie ein eingespieltes Team. Die Frauen geben Interviews, sind auf Veranstaltungen und online präsent und haben Strategien entwickelt, die Menschen in Amarillo zum Wählen zu mobilisieren. Teil davon sind eine Telefonkampagne und Wahlkampf an der Haustür. Fast alle Teammitglieder kommen aus Amarillo, kennen ihre Zielgruppe.

Das Argument, das am besten ankommt? „Prop A“ schränke die persönliche Freiheit ein – und die ist den Te­xa­ne­r:in­nen besonders wichtig – und überschreite staatliche Befugnisse. Außerdem versuchen die Frauen, über eventuelle Formulierungen aufzuklären, die falsch verstanden werden könnten. Wichtig sei auch, keine „woke“ Sprache zu benutzen und Dickson als extremistischen Außenseiter zu positionieren.

Ak­ti­vis­t:in­nen für reproduktive Rechte protestieren vor einem Gericht im texanischen Amarillo Foto: Meridith Kohut/nyt/redux/laif

Gabriela Mireles, Gründungsmitglied der Alliance, ist an jedem Wochenende bis zur Wahl von Tür-zu-Tür unterwegs. „Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich introvertierte Person für die ARFA von Tür zu Tür laufe und Wahlkampf mache, ich hätte es nicht geglaubt“, erklärt sie. Aber die Arbeit mit der Alliance hat ihren Blick auf die Menschen in ihrer Heimatstadt geändert. Mireles hat ihren Platz gefunden: „ Die Leute hier haben viel mehr Menschlichkeit, als ich dachte.“

Sind die Leute bereit, mit ihr über die Wahl zu reden, beginnt sie routiniert mit ihren Fragen: „Wissen Sie, worum es in der Petition geht? Sind Sie registriert und haben Sie schon einen Plan, wie Sie wählen wollen?“ Die Reaktionen sind vielfältig: Einige Menschen wollen gar nichts über „Prop A“ wissen, andere sind bereits aufgeklärt. Die meisten lassen sich zumindest auf ein Gespräch ein und nehmen Flyer und Poster mit.

Bei einem dieser Aufklärungsgespräche öffnet ein Mann um die sechzig und mit hispanischem Akzent die Tür. Er zeigt Interesse an der Information über die „Prop A“. Dann driftet das Gespräch ab. Wieder einmal geht es um die Frage, die Amerika seit Monaten beschäftigt: Kamala Harris oder Donald Trump? „Diese Wahl wird entscheiden, ob wir unser Land bewahren oder Amerika verlieren werden“, deklamiert der Mann an der Tür.

Genau diesen Satz – egal ob im konservativen Texas, im liberalen New York oder in der Hauptstadt Washington, D. C. – hört man von fast jeder Person, mit der man spricht. Nie kann man aber dabei sicher sein, aus welcher politischen Ecke das Argument kommt. Diese Wahl wird alles entscheiden: Nur darüber scheinen sich die Menschen in den USA einig zu sein.

Im texanischen Amarillo zeigt jeder und jede sehr offen, für wen oder was sie oder er stimmt. Ein großer Unterschied zu Deutschland: Die politische Kultur ist in den USA nicht so privat. Im Norden von Texas befindet man sich im tiefsten „Trumpland“, ein informeller Begriff, um die oft ländlichen Gebiete zu beschreiben, die mehrheitlich für den ehemaligen Präsidenten Donald Trump stimmen oder seine politischen Ansichten unterstützen.

In Amarillo ist das nicht anders, hier wählen 70–80 Prozent die Republikaner. Es genügt ein kurzer Blick in die Vorgärten vieler Amarilloianer. Pappaufsteller stehen hier vor vielen Häusern, oft mehrere Schilder nebeneinander: „Cruz for Texas“, der erzkonservative Senator, der wiedergewählt werden will, „Pro Trump“ und „Pro-Life“. Aber vor genau einem dieser Häuser steht inmitten der republikanischen Bekundungen ein „Vote against Prop A“ also gegen die Zufluchtsstadt. Wie passt das zusammen?

Selbst für viele Konservative zu extrem

Die Aktivistinnen der ARFA erklären es sich so, dass viele Konservative denken, dass eine „Zufluchtsstadt für die Ungeborenen“ doch zu extrem sei. „Wir haben definitiv höhere Chancen zu gewinnen, wenn auch die Republikaner der Stadt genau wissen, worum es in Prop A geht“, erklärt Courtney Brown, ebenfalls Gründungsmitglied der Alliance. Bisher zeigt sich die Gruppe optimistisch, die Wahl zu gewinnen. Doch sie alle haben viel geopfert.

Allein die Zeit, die sie für diesen Kampf investieren, ist jeweils vergleichbar mit ­einer Vollzeitstelle. Auch mit Anfeindungen müssen sie sich zunehmend auseinandersetzen und stellen deshalb aus Sicherheitsgründen Personal für Veranstaltungen ein, posten keine privaten ­Details online und haben Überwachungskameras zu Hause installiert. Sicher zu bleiben bedeutet auch, das „A-Wort“ nicht immer auszusprechen.

Noch immer ist das Stigma rund um das Thema Abtreibung groß. Das bedeutet auch, dass es vielen Frauen schwerfällt, öffentlich über ihre Abtreibungen zu sprechen. Viele Texanerinnen erzählen anonym darüber: dass sie sogar zwei Abtreibungen hatten, oder dass sie trotz ihrer zwei Kinder sich nicht dem Gesundheitsrisiko aussetzen wollten, in Texas noch einmal schwanger zu sein.

Für den Anti-Abtreibungs-Aktivisten und Pastor Mark Lee Dickson ist die Alternative zu Abtreibungen, ein Kind zur Adoption freizugeben, das betont er immer wieder. Beim Frühstück in einem Hotel in Amarillo beantwortet Dickson der taz einige Fragen. Mitten im Gespräch tötet er blitzschnell eine der Fliegen, die um ihn herumschwirren.

Ausweichen bei kritischen Fragen

Kritischen Fragen weicht Dickson aus: Was er von Ausnahmen hält, beispielsweise wenn schon vor der Geburt klar ist, dass das Kind beispielsweise aufgrund von einer Behinderung nur Schmerzen hat und nicht lange leben wird? „Woher würden wir denn wissen, ob das Kind leidet?“, antwortet er. „Wir sind nicht hier, um Gott zu spielen.“ Woher kommt das Geld für seine Arbeit? „Spenden“ und: „The Lord provides“.

Wie er zu der Kritik steht, dass seine Bewegung die Rechte von Frauen einschränkt? „Ich glaube, dass die Pro-Choice-Bewegung die Rechte von Frauen einschränkt. Sie nimmt ihnen die Möglichkeit, gute Mütter zu sein.“ Wenn Dickson über seine Arbeit berichtet, wirkt er unheimlich stolz. Für ihn sei es wichtig, ethisch zu handeln, Menschenleben zu retten. Seine Arbeit? „Ich entscheide mich dafür, das Richtige zu tun.“

Er selbst hat keine persönliche Erfahrung mit Abtreibungen gemacht. In den Medien inszeniert er sich als „39-jährige Jungfrau“, ein Missionar, der Kliniken aus Texas heraushalten will. An seinem Jackett haftet ein goldener Anstecker in der Form von Texas, darunter baumeln an einem Federring kleine Babyfüße. Für Dickson ist es das Hauptziel, ein nationales Verbot des „Tötens von ungeborenen Kindern“ zu verhängen.

Oft spricht er von Abtreibungshandel, bei dem das ungeborene Kind gegen seinen Willen über Texas Grenzen hinausgebracht wird. Auch die „Industrie“ rund um Abtreibung ist ihm ein Dorn im Auge. Ärz­t*in­nen würden Profit aus Abtreibungen schlagen. Wenn er darüber redet, klingt es so, als würde er in Kliniken organisiertes Verbrechen sehen. Die Abtreibungsindustrie, wie er sie nennt, ist für ihn historisch vergleichbar mit dem Naziregime.

Diese Ansicht verbreitet er auch in den sozialen Medien, wie auf X: „Während des Holocausts brachten die Nazis unschuldige Juden in die Gaskammern, um sie dort zu töten. Beim heutigen Abtreibungsholocaust bringen Abtreibungshändler (Nazis) ungeborene Kinder im Mutterleib (unschuldige Juden) in Abtreibungseinrichtungen (Gaskammern), um sie dort umzubringen.“ Auch mit grausam haltlosen und den Holocaust relativierenden Ansichten wie diesen wird das Stigma rund um Abtreibungen verstärkt.

Doch auch der gegenteilige Effekt ist möglich. Laina Seaberg, eine Bewohnerin von Amarillo, hatte sehr lange Angst, ihre Meinung über das Thema öffentlich zu teilen. Heute sagt sie: „Frauen finden bei dieser Wahl ihre Stimme. Ich fühle mich empowered gegen Prop A zu stimmen.“ Egal, wie die kommende Wahl nun ausgeht, „die Aktivistinnen der ARFA machen weiter“, kündigt Courtney Brown an. Und sie wollen für die anderen 26 Städte um Amarillo herum eine Art Playbook schreiben: wie man Dickson und seine Leute stoppen kann.

Diese Recherchereise wurde durch das Daniel-Haufler-Stipendium der taz Panter Stiftung ermöglicht.

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1 Kommentar

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  • Tjoa, die Rechten in den USA sind schon ein paar Schritte weiter. Bücherverbote, Bücherverbrennungen,

    freespeechproject....the-united-states/

    Abtreibungsverbote, abstruse faschistoide Gesetzentwürfe, wie der im Artikel beschriebene, etc.

    Da dürfte die Zeit absolut reif sein für den US-GröFaZ Trump. Läuft auf allen Kanälen ab dem 6. oder 7.11.

    Spannend wird sein, was anschließend die US-Fahne sein wird. Hakenkreuze machen ja auch in den USA viele nicht happy ...