: Die FPÖ nutzt den Corona-Unmut
Aus Wien Florian Bayer
Während die anderen Parteien zwei Wochen nach der österreichischen Parlamentswahl noch ihre Wunden lecken, hält die siegreiche FPÖ an ihrem Kanzleranspruch fest. Ob es dazu kommt, ist offen. Fest steht aber: Die Freiheitlichen haben auf Bundesebene ihr bestes Ergebnis aller Zeiten eingefahren – und standen erstmals auf Platz eins.
Zu ihrem Erfolg maßgeblich beigetragen hat ihr Coronakurs. „Wir haben nicht vergessen“, tönte Parteichef Herbert Kickl im Wahlkampf. Und das zu einer Zeit, als alle anderen Parteien die Pandemie längst links liegen ließen. Der rechtsextreme Kickl hatte im März 2020 zwar als Erster für einen Lockdown in Österreich plädiert. Wenig später erkannte er jedoch das Potenzial der Maßnahmengegner und schwenkte um. Kickl gab nun den Einpeitscher auf mehreren Demos und hatte keine Berührungsängste, was mitlaufenden Rechtsextreme anging. Andere Politiker belächelten diesen Kurs, anstatt auf berechtigte Sorgen einzugehen und Fehler einzuräumen.
Denn erst der unentschlossene Zickzackkurs der schwarz-grünen Regierung war es, der am Ende umso härtere Maßnahmen nötig machte. Kaum ein anderes westliches Land hatte längere Lockdowns als Österreich. Nirgends sonst wurde eine allgemeine Impfpflicht beschlossen, die Kickl als „Anschlag auf die Menschlichkeit“ bezeichnete. Erst nach enormen Druck aus der Bevölkerung lenkte die Regierung schließlich ein, bevor die Vorschrift in Kraft trat.
Die anderen Parteien übersahen, dass der drei Jahre lang aufgestaute Frust geblieben ist und das Misstrauen in die Medien ebenso. Dass die berechtige Kritik am Kurs der Regierung nie substanziell vom ORF und anderen aufgearbeitet wurde, machte es den Zweiflern leicht. FPÖ-TV, das 2021 gegründete AUF1 und andere „Parallelmedien“ blühten auf.
In ihrem Wahlprogramm fordert die FPÖ die „politische und juristische Aufarbeitung“ der Coronamaßnahmen. Zudem lehnt sie einen WHO-Pandemievertrag und „internationale Gesundheitsvorschriften“ ab und will die Beschaffung der Impfstoffe auf EU-Ebene aufklären. In Niederösterreich hat die FPÖ einen Coronahilfsfonds durchgesetzt. Aus dem 31 Millionen Euro schweren Topf werden „verfassungswidrige Strafen“ zurückgezahlt. Aber auch Impfschäden und Long Covid werden auf Antrag abgegolten. Einen solchen Fonds könnte es auch bundesweit geben.
Und: Die FPÖ verbindet die Pandemie nahtlos mit anderen Themen, von der Russlandpolitik über die angebliche „Gleichschaltung der Medien“ bis hin zur tatsächlichen Überlastung des Gesundheitssystems. Letztere will sie bekämpfen, indem Zuwanderer und „Staatsfremde“ nur noch eine medizinische „Elementarversorgung“ erhalten sollen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen