Europäisches Urteil zu Transferregeln: Es ist noch kein Bosman-zwo

Der Europäische Gerichtshof beanstandet Sanktionen für vertragsbrüchige Fußball-Profis als unverhältnismäßig. Doch kippen wird das System wohl nicht.

Der französische Profi Lassana Diarra

Lassana Diarra im Jahr 2018 im Dress von Paris Saint-Germain Foto: imago/Depositphotos

Manche sprechen schon von einem Bosman-2-Urteil, doch das ist noch verfrüht. Die neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist zwar geeignet, den internationalen Transfermarkt im Profifußball durcheinanderzurütteln, das Ausmaß wird sich aber erst in den kommenden Monaten oder gar Jahren zeigen.

Das Bosman-Urteil: 1995 entschied der EuGH im Fall des belgischen Fußballers Jean-Marc Bosman, dass bei einem Vereinswechsel nach Vertragsende keine Ablöse verlangt werden darf. Seitdem schließen die Vereine gerne besonders lang laufende Verträge ab, sodass ein Wechsel meist während der Vertragslaufzeit stattfindet und Ablösesummen verlangt werden können. Im neuen EuGH-Fall ging es um die Frage, ob die Fifa-Transferregeln einen Wechsel während der Vertragslaufzeit unnötig erschweren.

Der Fall: Der französische Nationalspieler Lassane Diarra schloss 2013 einen 4-Jahres-Vertrag mit Lok Moskau. Nach einem Streit mit dem Trainer kürzte der Verein sein Gehalt, Diarra erschien nicht mehr zum Training. Lok Moskau warf ihm vor, dass er vertragsbrüchig geworden sei. Diarra suchte und bekam ein Angebot vom belgischen Erstligisten Sporting Charleroi, der dann aber wegen drohender Fifa-Sanktionen auf die Verpflichtung verzichtete. Erst ein Jahr später fand Diarra mit Olympique Marseille einen neuen Verein.

Die Fifa-Regeln: Erstens muss ein Spieler, der ohne triftigen Grund seinen Vertrag bricht, dem alten Verein eine Entschädigung bezahlen. Für diese Entschädigung haftet auch der neue Verein. Zweitens kann der nationale Fußballverband des alten Vereins bei einem vertragsbrüchigen Spieler die internationale Freigabe verweigern. Und drittens kann der neue Verein ein Jahr lang keine neuen Spieler verpflichten, wenn er nicht die Vermutung widerlegen kann, er habe Spieler zum Vertragsbruch angestiftet.

Das Urteil: Der Europäische Gerichtshof entschied, dass diese Fifa-Regeln für vertragsbrüchige Spieler in ihrer Gesamtheit gegen EU-Recht verstoßen. Sie verletzen das Recht auf internationale Freizügigkeit (Artikel 45 EU-Arbeitsvertrag) und das EU-Kartellrecht (Artikel 101 EU-Arbeitsvertrag. Der EuGH erkannte zwar an, dass bei Profisportwettbewerben ein „gewisser Grad an Beständigkeit“ der Mannschaften sichergestellt werden muss, doch die Fifa-Transferregeln seien darüber hinausgegangen und daher unverhältnismäßig. Sie belasteten die wechselwilligen Spieler und die aufnahmebereiten Vereine mit zu großen Risiken.

Wie weiter: Das Berufungsgericht im belgischen Mons, das dem EuGH den Fall zur Klärung der EU-rechtlichen Fragen vorgelegt hatte, muss nun entscheiden, ob Diarra von der Fifa Schadenersatz bekommt, weil der Wechsel zu Sporting Charleroi wegen der rechtswidrigen Fifa-Transferregeln nicht zustande kam. Und wenn die Fifa nicht ständig verklagt werden will, muss sie ihre Regeln entschärfen. Der EuGH machte aber keine konkreten Vorgaben, wie die neuen Regeln aussehen sollen.

Die Ablösesummen: Wenn ein Spieler während der Vertragslaufzeit ohne große sportliche und finanzielle Sanktionen zu einem Verein wechseln kann, der ihm ein besseres Gehalt zahlt, dann hat der neue Verein keine Veranlassung, dem alten Verein eine Ablösesumme zu bezahlen, die höher ist als die fällige Entschädigung. Das wäre vor allem für kleine Vereine schlecht, die beim Verlust ihrer besten Spieler bisher wenigstens mit der Ablösesumme viel Geld einnehmen konnten. Um das zu vermeiden, wird die Fifa wohl versuchen, in ihren Regeln die Sanktionen für vertragsbrüchige Spieler möglichst wenig einzuschränken, etwa indem sie nur die Berechnung der Entschädigung transparenter macht. Nur wenn der EuGH die Fifa-Transferregeln dann immer noch beanstandet, dürfte es größere Änderungen im Fußball-Transfermarkt geben.

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