Zusammenarbeit mit der AfD im Osten: Weniger als vermutet

Welche Partei arbeitet wie oft mit der AfD zusammen? Eine aktuelle Studie liefert überraschende Ergebnisse zur Brandmauer in ostdeutschen Kommunen.

Wahlplakate der AfD hängen in der Dresdener Innenstadt an einem Lichtmast

Mehr AfD geht an keinen sächsischen Laternenmast. Und was passiert in den Kreistagen? Foto: Robert Michael/dpa

Berlin taz | In den Landtagen, wo Gesetze gemacht werden, funktioniert die Ausgrenzung der AfD, die sogenannte Brandmauer – von einigen unrühmlichen Ausnahmen abgesehen. Aber gilt das auch für die ostdeutschen Kommunen? „Die berühmte Brandmauer gibt es im Osten einfach nicht so wie im Westen“, vermutet der Soziologe Steffen Mau. Wo die Rechten in die Alltagskultur diffundieren, sei keine scharfe Abgrenzung mehr möglich. Doch eine ak­tuel­le Studie zeigt: In den Kreistagen ist die Brandmauer stabiler als vermutet.

In der Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) werden 2.452 Sitzungen in kommunalen Parlamenten von Mitte 2019 bis Mitte 2024 analysiert. In 484 Fällen, das sind rund 20 Prozent der von der AfD gestellten Anträge, gab es Kooperationen anderer Parteien oder Wählergruppen. Bemerkenswert ist auch die Art der Zusammenarbeit. Die gibt es „nicht bei kontroversen, bundespolitischen Themen wie Asyl oder Sicherheit, sondern vielmehr bei infrastrukturbezogenen Aufgaben“, so die Autoren Wolfgang Schroeder, Daniel Ziblatt und Florian Bochert.

„Insgesamt zeigt unsere Studie, dass die umstrittene Brandmauer, der vielfach nachgesagt wird, dass sie auf kommunaler Ebene längst nicht mehr bestehe, in den letzten fünf Jahren zwar durchaus Risse bekommen hat, aber insgesamt weitaus stabiler ist, als vielfach vermutet wird.“

Untersucht wurde die kommunalen Parlamente aller 75 Landkreise und kreisfreien Städte in Ostdeutschland, ausgenommen ein paar, bei denen keine Dokumentationen der Sitzungen verfügbar waren. Die Zusammenarbeit mit der AfD bestand überwiegend in Zustimmung zu Anträgen der Rechtsextremen – in den bereits erwähnten 484 Fällen.

Elfmal stellten AfD und eine andere Partei einen gemeinsamen Antrag. 36-mal gab es eine personelle Kooperation: Die AfD und eine andere Fraktion versuchten einen gemeinsamen Kandidaten durchzusetzen, was in keinem Fall gelang. Am stärksten ausgeprägt ist die Zusammenarbeit mit der AfD in Sachsen-Anhalt: Dort stimmten etablierte Parteien 27 Prozent der AfD-Anträge zu. Gar keine Kooperation mit der AfD gab es nur in 8 von den 69 untersuchten Kreisen.

Die Frage, welche Parteien mit der AfD stimmen, ist nur eingeschränkt zu beantworten. Das Datenmaterial ist lückenhaft, weil auf kommunaler Ebene meist per Handzeichen abgestimmt wird. Wo das Abstimmungsverhalten dokumentiert ist, zeigt sich ein interessantes Bild: Wenig überraschend stimmten CDU-Abgeordnete am häufigsten mit den Rechten. SPD, Grüne und Linke arbeiten seltener mit der AfD zusammen.

Aber: „Keine der etablierten Parteien schafft es, die Brandmauer in allen ostdeutschen Kreisen ‚ohne Wenn und Aber‘ aufrechtzuerhalten.“ Kooperationen mit der AfD gebe es vor allem bei drei Themen: der Geschäftsordnung des Kreistags oder Stadtrats sowie Sport und Verkehr – etwa der Installierung von Ampeln und Zebrastreifen.

Die AfD ist in Ostdeutschland eine Art Volkspartei geworden. Die Wahlergebnisse von 30 Prozent in Sachsen und Thüringen zeigen dies. Wird die noch bestehende Mauer mit dem Aufstieg der AfD zur Volkspartei automatisch weggespült? Die Autoren der Studie sehen vor allem zwei mögliche Szenarien.

Nummer eins: Man macht so weiter wir bisher, kooperiert fallweise mit den Rechtsextremen, trotz parteilichem Verbots der Zusammenarbeit. Das berge „das Risiko, dass der Prozess der alltagsweltlichen Normalisierung der AfD durch die praktischen Themen im Bereich der kommunalen Infrastruktur weiter vorangetrieben wird.“ Möglichkeit zwei: eine Flexibilisierung der Brandmauer. Bei basalen Themen wie „der Errichtung von Ampeln oder Zebrastreifen“ sei dann die Kooperation mit der AfD erlaubt, dafür müsse die Brandmauer bei „kontroverseren Themen wie Asyl und Migration vermehrt eingehalten“ werden.

Allerdings berge diese Flexibilisierung auch Gefahren: Die „Kooperation in einem Bereich könnte zu Kooperation in politisch sensibleren Bereichen wie Asyl und Migration führen.“ Einen Königsweg gibt es nicht.

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