Konflikt um Nachverdichtung: Ein paar Büsche reichen nicht

In Pankow geht der Konflikt um die „Grünen Höfe“ weiter. NaturschützerInnen kritisieren ungenügende Ausgleichsmaßnahmen für den Verlust von Habitaten.

Zaun mit Hinweis "Auchtung Videoüberwachung!"

Die AnwohnerInnn fühlen sich beobachtet – zu Recht Foto: C. Prößer

Berlin taz | „1.000.000 €“ – diese Zahlen, auf große Pappen gemalt, hängen am Mittwochmorgen an dem Bauzaun, der den baumbestandenen Hof an der Pankower Ossietzkystraße von den umliegenden Gebäuden abschirmt. „Das ist unser Eine-Million-Euro-Zaun“, sagt Grit Bürgow, die sich im Rahmen der Bürgerinitiative „Grüner Kiez“ gegen die Bebauung der Fläche durch die landeseigene Gesobau einsetzt.

Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft hat den Zaun vor fast genau einem Jahr errichtet, damit die AnwohnerInnen die geplanten Fällungen dutzender, teilweise alter Bäume nicht unterlaufen können. Denn das Unternehmen will hier zwischen die Bestandgebäude zwei Blöcke mit fast 100 Wohnungen bauen. Der „Grüne Kiez“ kämpft seit Jahren nach Kräften für den Erhalt der Bäume, Wiesen und Spielgelegenheiten.

So horrend teuer ist der Zaun nicht etwa, weil er aus Edelmetall besteht, sondern weil mehrere Wachschützer seit einem Jahr rund um die Uhr auf ihn aufpassen. „Es gibt Videokameras, damit die Sicherheitsleute den Bereich ständig im Auge haben“, sagt Initiativensprecherin Britta Krehl. „Das ist belastend, wir fühlen uns überwacht.“ Ihre Mitstreiterin Julia Dimitroff spricht von einem Verlust an Privatsphäre. „Anfangs hatten sie sogar Hunde dabei“, berichtet sie.

Karte aus dem Ärmel

Die taz hat schon mehrfach über den Konflikt berichtet, der 2019 seinen Anfang nahm, als die Gesobau ihre Baupläne vorstellte. Nachdem die BVV Pankow die AnwohnerInnen unterstützte und das Bezirksamt im Jahr 2021 die Aufstellung eines „Klima-Bebauungsplans“ beschloss, der eine derart massive Nachverdichtung verhindert hätte, zog das Unternehmen eine unerwartete Karte aus dem Ärmel: Es beantragte beim Senat die Errichtung einer Geflüchtetenunterkunft, für die Sonderbaurecht gilt. An Art und Volumen der Gebäude änderte sich nichts.

Für die Initiative, die großen Rückhalt in Pankow genießt und sich ausdrücklich gegen Versuche einer Vereinnahmung von rechts wehrt, ist das eine trickreiche Instrumentalisierung. Bislang konnte sie die Fällungen mit der Unterstützung von Naturschutzverbänden verhindern, die Beschwerden wegen mangelhaften Artenschutzes eingelegt haben. Aktuell gilt ein Rodungsstopp, den das Verwaltungsgericht im vergangenen Februar verfügt hat – mit der Auflage an die Gesobau, Ersatzquartiere und Nistmöglichkeiten für Vögel und Fledermäuse zu schaffen.

Laut Caroline Seige von den NaturFreunden Berlin und Antje Stavorinus von der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) können aber die mittlerweile auf der Vorderseite der Gebäuderiegel gepflanzten Büsche und die an den Gebäuden und auf Pfosten angebrachten Fledermauskästen den Habitatverlust in den beiden Hofanlagen bei Weitem nicht kompensieren. Tatsächlich handelt es sich bei den Büschen bislang um kleine Pflänzchen mit wenigen Zweigen. „Diese Heckenstrukturen hätten viel früher angelegt werden müssen, denn viele Vogelarten benötigen dichtes Gebüsch zum Schutz“, sagt Seige.

Die Verbände behalten sich deshalb eine Klage vor, sollte das Bezirksamt die Maßnahmen als ausreichend bewerten. Sie haben auch eine eigene ornithologische Expertise verfasst, nachdem ein von der Gesobau beauftragter Gutachter nur wenige Vögel wie Spatzen und Krähen beobachtet haben wollte. Tatsächlich habe man in den Höfen 25 Arten gezählt – darunter Kleiber, Rotkehlchen oder Gartenrotschwanz –, deren Reviere unwiderbringlich zerstört würden.

Ein Exempel für Gaebler

Auf den Senat können die AnwohnerInnen jedenfalls nicht mehr setzen: Bausenator Christian Gaebler (SPD) hat schon lange auf stur gestellt. Für Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, die die PankowerInnen im Rahmen ihres Engagements für das „Bündnis Klimastadt Berlin 2030“ unterstützt, will Gaebler am „Grünen Kiez“ ein Exempel statuieren. Er habe den Fall auch immer wieder als Negativbeispiel herangezogen, um für sein „Schneller-Bauen-Gesetz“ zu werben.

Einer der letzten Strohhalme war die wiederholte Bitte an den Regierenden Bürgermeister, sich der Sache anzunehmen. Von dem bekam die Initiative kürzlich Post. Er wolle der Initiative seine „Anerkennung für das bemerkenswerte Engagement“ aussprechen, schrieb Kai Wegner, es sei „ein wertvoller Bestandteil des Zusammenlebens in Berlin“. Er habe „großes Verständnis für das Anliegen“, das Land stehe jedoch vor der „historischen Herausforderung“, Wohnraum zu schaffen.

Die Gesobau habe ihm „glaubhaft versichert, dass die geplanten umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen dazu verhelfen werden, ein angenehmes Wohnumfeld zu wahren und neue ökologische Qualitäten zu schaffen“, so Wegner weiter. Er bitte deshalb um Verständnis, „dass ich Ihnen keine Unterstützung in Aussicht stellen kann“.

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