Krieg in Nahost: Empörung über Angriff auf Schule

Bei Israels Luftangriff in Gaza sind nach palästinensischen Angaben Dutzende Menschen getötet worden. Die US-Regierung zeigt sich „tief besorgt“.

„Die Raketen schlugen ohne Vorwarnung ein“: Trümmer des von Israel angegriffenen Schulgebäudes in Gaza-Stadt Foto: Hadi Daoud/apa images/imago

JERUSALEM taz | Es waren schreckliche Bilder, die sich den Rettungskräften in der Al-Tabain-Schule in Gaza-Stadt am Samstagmorgen boten: Videoaufnahmen palästinensischer Kamerateams zeigen blutgetränkte Matratzen, Leichenteile und Schwerverletzte, die in Decken abtransportiert werden. Mehr als 70 Tote seien nach dem Angriff im nahen Al-Ahli-Krankenhaus identifiziert worden, sagte Klinikleiter Fadel Naim dem Sender BBC. Bei den Überresten weiterer Opfer sei das nicht mehr möglich. 93 Tote hatte die palästinensische Zivilschutzbehörde zunächst gemeldet. Israel hatte diese Zahl als überhöht bezeichnet.

Bekannt ist bislang, dass zur Zeit des Frühgebets in der Moschee auf dem Schulgelände drei Bomben einschlugen. Die Schule dient, wie viele Schulgebäude in Gaza, mehr als eintausend Menschen als Unterkunft, die wegen der massiven Zerstörung in dem Küstenstreifen ihr Zuhause verloren haben. „Die Menschen haben gebetet und im oberen Stockwerk geschlafen, darunter Kinder, Frauen und Alte“, zitiert die Nachrichtenagentur AP Abu Anas, der bei den Rettungsarbeiten half. „Die Raketen schlugen ohne Vorwarnung ein.“ Von manchen der Getöteten habe er nur noch Körperteile aufsammeln können.

Nach israelischen Angaben habe es sich bei der Moschee um ein von der Hamas und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) genutztes Kommandozentrum gehandelt. Bei dem Angriff seien „drei kleine, präzise Projektile“ eingesetzt worden, sagte ein Armeesprecher dem Sender CNN. Am Samstagabend veröffentlichte das Militär Fotos und Namen von 19 Personen sowie deren angebliche Funktion innerhalb der beiden Gruppen. In der Moschee habe sich demnach mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ auch Aschraf Juda, ein führendes Mitglied des PIJ befunden. Ob er bei dem Angriff getötet wurde, sei nicht sicher. Die Angaben beider Konfliktparteien lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Allein seit Monatsanfang sind bei Luftschlägen auf fünf weitere Schulgebäude nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Zivilschutzbehörde mindestens 65 Menschen getötet worden. Israels Armee sprach auch in diesen Fällen stets von „Hamas-Kommandozentralen“. Laut Vereinten Nationen wurden seit Kriegsbeginn 477 von 564 Schulgebäuden in Gaza angegriffen.

Keine Deeskalation zu erwarten

Die Attacke auf die Al-Tabain-Schule sorgte international für Empörung. Ägypten und Katar, die kurz vor dem Angriff in einer gemeinsamen Erklärung mit den USA noch zu einer Fortsetzung der Verhandlungen über einen Waffenstillstands- und Geiseldeal aufgerufen hatten, äußerten scharfe Kritik. Katars Außenministerium sprach etwa von einem „schrecklichen Massaker“.

Deutliche Kritik kam auch aus Europa. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb beim Onlinedienst X: „Es gibt keine Rechtfertigung für diese Massaker.“ Frankreichs Außenministerium mahnte, Israel müsse sich an internationales Menschenrecht halten. Vergleichsweise zurückhaltend äußerte sich Kanzler Olaf Scholz am Sonntag. In einem Telefonat mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warnte er vor der Gefahr eines Flächenbrandes und betonte, dass der Zeitpunkt für ein Abkommen gekommen sei.

Die US-Regierung zeigte sich „tief besorgt“ über die zivilen Opfer. Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris sagte, Israel habe „die Verpflichtung, zivile Opfer zu vermeiden“. Die USA stehen als wichtigster Waffenlieferant Israels in der Kritik. Laut Untersuchung des Senders CNN stammt mindestens eines der am Samstag eingesetzten Projektile, eine GBU 39-Bombe, von der US-Firma Boeing.

Der Angriff erhöht die Spannungen in der Region, die angesichts der erwarteten Vergeltungsschläge des Iran und der Hisbollah ohnehin an der Schwelle einer gefährlichen Gewaltspirale steht. Die jüngste Entscheidung der israelischen Armee lässt indes keine Deeskalation erahnen. In der Nacht zu Sonntag weitete die Militärführung eine Evakuierungsaufforderung für Chan Junis in Südgaza aus.

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