Vormarsch auf russisches Kursk: Kyjiw setzt Moskau unter Druck

Der ukrainische Präsident Selenskyi will den Krieg auf russisches Territorium verlegen. Russland reagiert mit Luftschlägen auf die Zivilbevölkerung.

Kursk am Sonntag: Nach Beschuss durch die ukrainische Armee wurden auch Wohnhäuser beschädigt Foto: Uncredited/AP/dpa

KYJIW taz | Das vergangene Wochenende forderte erneut Tote und Verletzte in der Ukraine und in Russland. Etliche Menschen wurden bei Raketenangriffen obdachlos. Ein Vater und sein vierjähriges Kind kamen in der Nacht zum Sonntag im Gebiet Kyjiw ums Leben, als Trümmer einer Rakete auf ein Wohnhaus fielen. Es waren nicht die einzigen Raketen, mit denen das Gebiet der ukrainischen Hauptstadt in der Nacht angegriffen worden ist. Fünf Stunden lang herrschte in der Nacht zum Sonntag Luftalarm.

Im Gebiet Cherson wurde eine Person getötet, elf weitere erlitten Verletzungen, teilte die zuständige Militärverwaltung mit. Bei einem Luftschlag gegen Kramatorsk wurden am Sonntagmorgen vier Menschen verletzt. Bereits am Samstag waren in Kramatorsk und zwei umliegenden Orten drei Menschen getötet worden. Auch im Rayon Kupjansk bei Charkiw starb am Samstag eine Person nach einem Luftangriff. Das Gebiet Saporischschja hat einen Toten und einen Verletzten an diesem Wochenende zu beklagen.

Auch aus Krywyj Rih und Poltawa wurden Luftangriffe gemeldet. Der Telegram-Kanal von strana.news zeigt Bilder der Ortschaft Tschassiw Jar, die durch den russischen Angriff der letzten Wochen praktisch dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Zum ersten Mal hat Präsident Wolodymyr Selenskyi die ukrainische Offensive auf russischem Territorium öffentlich angesprochen. Kyjiw wolle den Krieg auf russisches Territorium verlagern, sagte er. Die Ukraine beweise, dass sie wirklich weiß, wie man Gerechtigkeit wiederherstelle. Man übe genau die Art von Druck aus, die bei einem Aggressor nötig sei, so Selenskyi. Im russisch besetzten Gorlivka sind bei einem Beschuss am Wochenende 14 Personen verletzt worden.

Ukraine macht offenbar etliche Kriegsgefangene

Auch das russische Kursk wurde mit Raketen angegriffen. Es habe Verletzte gegeben, aber glücklicherweise keine Toten, zitiert die russische rbc.ru Gouverneur Alexej Smirnow. Auf ukrainischen Kanälen sind Videos im Umlauf, die eine Einnahme der russischen Dörfer Oleshnya und Goncharovka im Bezirk Sudscha belegen sollen. Der Militärjournalist und Chefredakteur von Censor.net, Juri Butusow, postete auf seinem Telegram-Kanal ButusovPlus lachende ukrainische Soldaten, die in der russischen Ortschaft Guevo auf einer russischen Fahne herumtrampeln und gleichzeitig eine ukrainische Fahne hissen mit den Worten: „Ukrainische Verteidiger bringen Demokratie und Ordnung in das Dorf Guevo, Bezirk Sudscha, Volksrepublik Kursk.“

Russische Fahnen hätten auf „historischem ukrainischen Boden“ nichts zu suchen. Offensichtlich machte die Ukraine zahlreiche Kriegsgefangene. So zeigt der ukrainische Telegram-Kanal Trucha eine Gruppe russischer Kriegsgefangener, die gezwungen werden „Slawa Ukraini“ zu rufen.

Wenig berichtet wird über die Lage in der Atomstadt Kurtschatow, in der sich das AKW Kursk befindet. Die IAEO beobachte die Ereignisse um das AKW Kursk sehr genau, hatte ihr Chef Rafael Grossi am Freitag verlauten lassen. Ebenfalls am Freitag hatte die Stadtverwaltung von Kurtschatow auf ihrem Telegram-Kanal die Bevölkerung aufgerufen, keine Fotos „von der Arbeit der Flugabwehr“ zu machen, und auch Truppenbewegungen nicht zu fotografieren.

Spannungen zwischen Belarus und der Ukraine

Zudem verlieren auf beiden Seiten der Front immer mehr Menschen ihre Häuser und Wohnungen. So sollen alleine aus dem Gebiet Sumy 20.000 Menschen evakuiert werden, berichtet strana.news unter Berufung auf die Polizei auf seinem Telegram–Kanal. Und im Gebiet Kursk sind 76.000 Menschen evakuiert worden, schreibt die Novaja Gaseta auf ihrem Telegram-Kanal. Für viele von ihnen baut der russische Katastrophendienst Zeltstädte auf.

Unterdessen nehmen die Spannungen zwischen Belarus und der Ukraine wieder zu. Nachdem Diktator Alexander Lukaschenko noch Mitte Juli einen Rückzug von Truppen von der gemeinsamen Grenze angeordnet hatte, hat er nun erneut eine Verstärkung der belarussischen Truppen an der Grenze zur Ukraine angeordnet und eine Verlegung der ballistischen Iskander-Raketen in die Grenzregion befohlen. Ukrainische Drohnen seien in den Luftraum von Belarus eingedrungen, teilte Lukaschenko mit.

Das belarussische Außenministerium bestellte daraufhin die Geschäftsträgerin der ukrainischen Botschaft ein und überreichte ihr eine Protestnote. Derartige „kriminelle Handlungen“, so das Außenministerium in Minsk, könnten zu einer Eskalation der Lage führen. Belarus werde sein Recht zur Selbstverteidigung nutzen und angemessen reagieren.

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