Einmal Frühstücken fürs Müllsammeln

Kopenhagen hat eine Art Spiel gestartet, um TouristInnen zu mehr Klimafreundlichkeit zu motivieren. Gleichzeitig wächst die Kritik an den BesucherInnen: Eine Steuer wird diskutiert

Viele Menschen fahren mit Fahrrädern über eine Kreuzung an einer Brücke, einige Radfahrer:innen warten auf einem farbig markierten Radweg. Die kleine Brücke führt auf eine Straße, die von bunten Häusern gesäumt ist.

Ihre Verkehrsmittelwahl wird belohnt: radelnde Tou­ris­tIn­nen in Kopenhagen Foto: Francis Joseph Dean/imago

Von Anne Diekhoff, Stockholm

Leih dir ein Fahrrad und fahre damit zum CopenHill, zeige dort ein Foto von dir auf deiner kleinen Radtour, und du wirst belohnt für die klimafreundliche Anfahrt: Mit 20 Gratis-Extraminuten auf der Indoor-Skipiste, die sich seltsamerweise auf einem der markantesten Gebäude Kopenhagens befindet. Während du den Hang heruntersaust, wird in der Anlage unter dir aus Müll Energie gewonnen: Ein Urlaubstag in der dänischen Hauptstadt in diesem Sommer kann wie ein hygges Ökoversprechen aussehen.

Der Tourismusorganisation „Wonderful Copenhagen“ hat in dieser Woche eine Art Spiel gestartet, mit dem möglichst viele TouristInnen dazu bewegt werden sollen, sich klimafreundlich zu verhalten. Grüne Entscheidungen sollen so in eine Art Tourismus-Währung umgewandelt werden.

Der Energieproduzent ARC mit seinem Skipisten-Dach ist einer von insgesamt 24 Akteuren, die mitmachen. Wer sich lieber mit Kunst beschäftigt, kann beispielsweise mit Plastikmüll ins Staatliche Kunstmuseum gehen und in einem Workshop daraus ein Kunstwerk basteln. Und wer umsonst frühstücken will, kann das gegen eine kleine Müllsammelaktion vorab tun.

Mikkel Aarø-Hansen, Chef von „Wonderful Copenhagen“, spricht von einem „experimentellen und kleinen Schritt, um die Denkweise von Touristen zu verändern“. Die Organisation stützt sich auf Umfragen, wonach sich zwar 82 Prozent der Reisenden nachhaltig verhalten wollen, aber nur 22 Prozent tatsächlich etwas an ihrem ­Verhalten ändern. Die Leute bräuchten Anreize, um die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu schließen, sagt Aarø-Hansen.

Kopenhagen stand 2023 wieder auf Platz zwei der Economist-Liste der lebenswertesten Städte der Welt, auch in der ­Kategorie Nachhaltigkeit spielt die Stadt ganz vorne mit – mit Platz drei auf dem Global Destination Sustainability Index, nur übertroffen von Göteborg und Oslo.

In all den positiven Aussagen zur Initiative schwingt vor allem bei einem Thema Kritik am Verhalten von Touristen mit: Sie schmeißen zu viel weg. Ihren Müll einzusammeln, wird etwa mit Gratis-Kajak-Touren belohnt – oder eben mit einem Frühstück im ökologisch betriebenen Öko-Projekt Bane­gaarden. Von montags bis mittwochs können Gäste sich dort einen Müllsack aushändigen lassen und ihn füllen, dafür gibt es einen Gutschein.

„Wir sind umgeben von anderthalb Hektar wilder Natur, es ist selten, dass man eine grüne Oase in der Stadt hat. Das wollen wir gerne bewahren“, begründet Ida Marie Banke André von Banegaarden im Rundfunksender DR ihre Teilnahme. Natürlich seien sie im Prinzip selbst dafür verantwortlich, ihr Gelände in Ordnung zu halten. „Aber egal, wie viele Hände wir einsetzen, es wird immer Müll zu sammeln geben.“ Wie sauber das Touristenspiel die Stadt gemacht hat, soll im Herbst bilanziert werden.

Zahlen der Branchenorganisation VisitDenmark zeigen: In der Hauptstadtregion wächst der Tourismus landesweit besonders stark: Bereits 2022 war er wieder auf Vor-Corona-Niveau mit rund 6 Milliarden Euro Umsatz (44,8 Milliarden Kronen) – 2023 stieg er erneut um 12 Prozent. Im ganzen Land hängen derzeit 146.000 Jobs direkt oder indirekt mit dem Tourismus zusammen. Die wirtschaftliche Bedeutung ist bislang auch das Hauptargument des dänischen Wirtschaftsministers gegen eine zweite Idee aus Kopenhagen: die Einführung einer Tourismusabgabe für die Stadt mit 600.000 EinwohnerInnen. Vier Modellvorschläge, die sich in Zielgruppen und Vorgehen unterscheiden, sehen eine Abgabe von einem Euro pro Übernachtung vor. Die Einkünfte daraus sollen den Plänen zufolge zum Beispiel für mehr öffentliche Toiletten und die Instandhaltung der Radwege genutzt werden – doch bislang stellt sich Wirtschaftsminister Morten Bødskov (Sozialdemokraten) quer – eine Abgabe würde Jobs und Wachstum in dem Bereich kosten.

Wie weit das Wachstum gehen kann, darüber wird auch in Kopenhagen diskutiert. Proteste von Einheimischen gegen den Massentourismus in Barcelona oder auf den Balearen wurden interessiert beobachtet – und ein Modell der Tourismus­abgaben-Pläne passt dazu: Dabei würde sie in den stark frequentierten Stadtteilen höher ausfallen als in weniger belasteten.