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Antidiskriminierungsarbeit auf dem LandOhne Geld und Gewissheit

Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman hat vor den Landtagswahlen Beratungsstellen besucht. Diese stehen künftig vor großen Fragen.

Ferda Ataman bei ihrer Reise im brandenburgischen Spremberg Foto: Patrick Pleul/dpa

Dresden, Eisenberg, Görlitz taz | Iman Ahmadi sagt mit Nachdruck: „Man kann in Dresden alles machen, egal welche Nationalität man hat.“ Im Erzgebirge sei das schon ein bisschen schwieriger. Ahmadi stammt aus dem Iran und erlernte dort seinen Beruf als Elektriker. Mittlerweile wohnt er im Dresdner Stadtteil Reick und arbeitet dort seit 2020 bei einer Firma, die Technik herstellt, die etwa in der Halbleiterproduktion zum Einsatz kommt.

Ahmadi steht in der gut gekühlten Werkshalle der Firma DAS und erzählt der unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, von seinen Erfahrungen in Sachsens Hauptstadt. Erlebt er dort wirklich keine Diskriminierung? Kaum, bekräftigt er. „Wichtig ist, dass ich die Sprache kann. Sächsisch kann ich“, sagt Ahmadi und grinst schelmisch, „und auch ein bisschen Deutsch.“ Da lacht Ataman.

Die Bundesbeauftragte bereiste vergangene Woche in Begleitung mehrerer Me­di­en­ver­tre­te­r:in­nen Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Bevor dort im September die Landtagswahlen anstehen, habe sie wissen wollen, wie es um die Antidiskriminierungsberatung in den drei Bundesländern stehe. Obwohl die bundesweite Nachfrage nach den Beratungen 2023 ein Rekordhoch erreicht habe, höre sie, dass es zunehmend schwieriger werde, sich für ein Zusammenleben in Vielfalt zu engagieren.

Auf dem Land sieht es dünn aus bei den Beratungen

Ein Grund dafür könnte die AfD sein. In Umfragen verlor die Partei zwar zuletzt ein paar Prozentpunkte, steht aber in allen drei Bundesländern mit 25 bis 30 Prozent an erster Stelle. Bei den Kommunalwahlen vor etwas mehr als einem Monat hatte sie hier an vielen Orten den höchsten Stimmanteil erzielt.

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Wie die AfD zur Antidiskriminierung steht, zeigten etwa Äußerungen des AfD-Politikers Stephan Brandner, als Ataman im vergangenen Jahr eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) forderte – der rechtlichen Grundlage für Antidiskriminierung in Deutschland. Das sei „völlig überflüssig“, sagte Brandner, Bundestagsabgeordneter mit Direktmandat aus Thüringen. Es erinnere ihn „an die Machenschaften der Stasi“. Worauf stellen sich also die Antidiskriminierungsbe­ra­te­r:in­nen für die Zeit nach den Landtagswahlen ein?

Bisher beraten in allen drei Bundesländern entsprechende Stellen Diskriminierte auf der Grundlage des AGG. Das trat 2006 in Kraft und greift etwa, wenn Firmen Menschen ab 50 Jahren nicht einstellen, weil sie zu alt seien, Vermieter Woh­nungs­in­ter­es­sen­t:in­nen wegen ihres Nachnamens abweisen oder Menschen wegen ihrer Behinderung ausgeschlossen werden.

Fühlen sich Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrem Geschlecht, der Weltanschauung, einer Behinderung, dem Alter oder der sexuellen Identität benachteiligt, können sie bei den Beratungsstellen Unterstützung bekommen. Deutschlandweit gibt es etwa hundert Planstellen für Berater:innen, die in Vollzeit in der Antidiskriminierngsberatung arbeiten.

Allerdings: Die meisten Stellen befinden sich in großen Städten oder Ballungsgebieten, erklärt Noureddine Menacher, ein Antidiskriminierungsberater im Saale-Holzland-Kreis. Das soll in Thüringen das Projekt „Raus aufs Land“ ändern, welches zum Landesnetzwerk der Mi­gran­t:in­nen­or­ga­ni­sa­to­ren (Migranetz) gehört. Menacher präsentierte am Montag mit Leinwand und Beamer vor Ataman und den anwesenden Jour­na­lis­t:in­nen in der thüringischen Kreisstadt Eisenberg im Saale-Holzland-Kreis, wie die Hilfsstrukturen auf dem Land gestärkt werden können.

AfD macht Beratungsstellen das Leben schwer

Von Diskriminierung Betroffene können sich online bei „Raus aufs Land“ melden, die Be­ra­te­r:in­nen fahren dann zu ihnen. Schlechte Anbindung soll durch ein digitales Angebot kompensiert werden.

Doch noch befindet sich das Angebot im Aufbau und richtet sich an nur vier Kreise: Weimar, das Weimarer Land, den Ilm-Kreis und den Saale-Holzland-Kreis. Und selbst da seien die Be­ra­te­r:in­nen nur begrenzt flexibel. „Wir haben leider noch kein Auto“, fügt Menacher an und wirkt etwas verlegen.

Etwa 200 Kilometer weiter östlich versucht das Antidiskriminierungsbüro in Sachsen (ADB) Ähnliches. Bisher finanzierte die Initiative mit kommunalen und Landesmitteln sowie Eigenanteilen des Vereins drei Standorte: je einen in Dresden, Leipzig und Chemnitz sowie eine Online-Beratung. Insgesamt gebe es zehn Berater*innenstellen, berichtet Jan Diebold, Fachleitung der Antidiskriminierungsberatung. Über die Projektfinanzierung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollen zudem zwei weitere Personen für die Beratung an einem geplanten Standort in Görlitz eingestellt werden.

Beide neuen Projekte arbeiten derzeit daran, sich das Vertrauen von Diskriminierten zu erarbeiten und bei ihnen bekannt zu werden. Hilfreich dabei sei, dass in den vergangenen Jahren die Netzwerke zu ähnlichen Institutionen gewachsen seien, etwa zu Mi­gran­t:in­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen in Thüringen (Migranetz) oder der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Sachsen (RAA).

Es gibt in sächsischen Orten ein rechtes Klima und das bedroht Menschen. Aber es ist auch wichtig, zu zeigen, wer sich vor Ort für Demokratie und Vielfalt einsetzt

Jan Diebold, ADB Sachsen

Allerdings mache die AfD den Beratungsstellen schon jetzt das Leben schwerer, berichtet Elisa Calzolari, Geschäftsführerin des Migranetzes in Thüringen. Zum Beispiel, indem sie Kleine Anfragen im Landtag stelle, das binde die Arbeitskraft der Berater:innen. Zwar sei das ein „wichtiges parlamentarisches Werkzeug, um Politik transparent zu gestalten“, sagt Calzolari, aber die AfD stelle bei der Veröffentlichung der Anfragen die Legitimität der Projekte infrage. Die Initiativen würden etwa „als linksextremistisch motiviert eingeordnet, wenngleich sie gängigen Förderrichtlinien folgen“, sagt Calzolari.

Unternehmen profitieren von Antidiskriminierungsarbeit

Aber wie hilft das, wenn die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes mit Medien aus dem Westen nach Thüringen, Sachsen oder Brandenburg in die Provinz fährt, um zu schauen, wie schlimm die Verhältnisse im Osten wirklich sind? Ataman hört zwar den Initiativen vor Ort zu, springt dann aber wieder unter Zeitdruck in den Bus und fährt weiter. Bestätigt das nicht nur Vorurteile? Es komme darauf an, sagt Jan Diebold vom ADB Sachsen. „Es ist wichtig, das Problem nicht kleinzureden: Es gibt in sächsischen Orten ein rechtes Klima und das bedroht Menschen. Aber es ist auch wichtig, zu zeigen, dass nicht alle so sind und wer sich vor Ort für Demokratie und Vielfalt einsetzt“, erklärt er der taz.

In den Gesprächen zwischen Ferda Ataman und den Akteuren vor Ort wiederholt sich die Kritik, dass von der Bundesregierung zu wenig Unterstützung komme. Doch Ataman kann sich dem nur anschließen.

Als unabhängige Beauftragte hat sie selbst kein Budget, mit dem sie Antidiskriminierungsstellen unterstützen könnte. Ataman fordert zudem seit mehr als einem Jahr, dass die Regierung das Antidiskriminierungsgesetz reformieren soll – wie es im Koalitionsvertrag festgelegt ist. Bisher ist nichts passiert. „Das ist aus meiner Sicht eine falsche Prioritätensetzung“, kommentiert Ataman. Antidiskriminierung helfe nicht nur dabei, die Folgen von verrohenden Debatten zu bekämpfen. Auch wirtschaftliche Argumente sprächen dafür, wie sich bei dem Unternehmen DAS in Dresden zeigt, bei dem der Elektriker Iman Ahmadi arbeitet.

Bevor er sich bei der Firma bewarb, arbeitete er für ein Leiharbeitsunternehmen. Auch wenn er sagt, man könne alles in Dresden machen – bei dieser Firma habe er Rassismus erlebt, erzählt er ein wenig später. Bei DAS sei das anders gewesen. Dorthin wurde er zunächst nur als Zeitarbeiter verliehen. Aber weil es ihm so gut gefiel, bewarb er sich 2020 dort und ist nun fest angestellt.

DAS engagiert sich auch an anderen Stellen gegen Diskriminierung, setzt etwa ein Programm um, das Menschen mit Beeinträchtigung in den Betrieb integrieren soll. Außerdem gibt es betriebsintern eine Antidiskriminierungsstelle, bei der es heißt, man freue sich über Meldungen. Nichts sei schlimmer als ein Mantel des Schweigens. Ein gutes Betriebsklima sei ein starkes Argument im Kampf um die Fachkräfte – auch aus dem Ausland.

Den rassistischen Ruf Sachsens überwinden

Wie geht es dann dem Unternehmen mit den starken Umfragewerten für die AfD? „Es ist Tradition, als Wirtschaft neutral zu bleiben. Wir müssen in der aktuellen Situation die Sinnfälligkeit prüfen, um potentiellen Schaden zu vermeiden“, sagt Ute Mareck, die Qualitätsmanagerin des Unternehmens. Allerdings ist DAS eins von mehr als 550 Mitgliedern im Lobbyverein ­Silicon Saxony – ja, angelehnt an den Hightech-Industriestandort in Kalifornien.

Mit Verweis auf den demografischen Wandel warnt der Verein vor einem weiter zunehmenden Fachkräftemangel. „Die Fachkräftesicherung mithilfe von qualifizierter Zuwanderung ist deshalb in den kommenden Jahren eine zentrale politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, heißt es dazu in einem öffentlichen Strategiepapier. Ein wichtiges Instrument dabei sei, den rassistischen Ruf Sachsens zu überwinden. Weltoffen sein, damit die Fachkräfte kommen.

Reduziert das Menschen nicht auf ihre Arbeitskraft? Nur wer leistet, ist willkommen? Ferda Ataman sagt, sie fände es nachvollziehbar, dass Unternehmen gewinn- und auch zielorientiert denken. Der Einsatz für Diskriminierungsschutz lohne sich eben auch wirtschaftlich. „Solange es Menschen hilft, ehrlich gemeint und gut umgesetzt ist, finde ich das nicht verwerflich“, sagt sie. Ein wenig Pragmatik kann mit Blick auf die Landtagswahlen zumindest nicht schaden.

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1 Kommentar

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  • Juden sind die mit weitem Abstand meistdiskriminierte Minderheit und Religion in diesem Land.

    Atamans Bemühungen daran etwas zu ändern sind gleich Null.

    Es wird dringend Zeit den Job mit einer kompetenteren und verantwortungsvolleren Personalie neu zu besetzen.